KREDITWÜRDIG

Corporates haben noch Einengungspotenzial

Von Peter Droste und Rüdiger Neeb *) Börsen-Zeitung, 12.12.2019 In der letzten Zeit rückten zwar zahlreiche ungelöste geopolitische Probleme wie der Brexit oder die Verschuldung Italiens in den Hintergrund. Dafür wandte sich der Kapitalmarkt...

Corporates haben noch Einengungspotenzial

Von Peter Droste und Rüdiger Neeb *)In der letzten Zeit rückten zwar zahlreiche ungelöste geopolitische Probleme wie der Brexit oder die Verschuldung Italiens in den Hintergrund. Dafür wandte sich der Kapitalmarkt intensiv dem Handelsstreit zwischen China und den USA zu und legte jede neue (Twitter-)Äußerung des US-Präsidenten dazu auf die Goldwaage. In diesem volatilen Umfeld konnten Corporate Bonds jüngst von der beruhigenden Wirkung einer expansiven Geldpolitik seitens der EZB und vor allem von dem wiederbelebten Anleihenankaufprogramm profitieren. Insbesondere aufgrund des EZB-Engagements erwarten wir in der ersten Jahreshälfte 2020 noch Einengungspotenzial bei den Risikoaufschlägen von Unternehmensanleihen, auch wenn die Spreadentwicklung nicht zuletzt wegen der wechselhaften geopolitischen Gemengelage keinem ruhigen geradlinigen Pfad folgen dürfte.Für die Kapitalmärkte dürfte auch 2020 der Handelskonflikt die größte Bedeutung haben. Bereits in den letzten Monaten wechselten sich positive und negative Signale hinsichtlich einer baldigen (Teil-)Lösung oftmals in kurzer Folge ab. Vor dem Hintergrund der im November kommenden Jahres anstehenden Präsidentschaftswahl und Trumps unkalkulierbarem Naturell rechnen wir auch weiterhin mit Phasen relativer Ruhe, die von Perioden zunehmender Sorge vor einer Eskalation des Konfliktes abgelöst werden. Wenngleich wir unter dem Strich keine nachhaltige Verschärfung erwarten, gehen wir diesbezüglich auch nicht von einer kurzfristigen Lösung aus. Konjunktur fehlt DynamikDie Weltwirtschaft hat 2019 merklich an Schwung verloren. Zwar scheinen die Sorgen vor einer heraufziehenden Rezession übertrieben; mit einer deutlichen Aufhellung der Lage ist im nächsten Jahr aber auch nicht zu rechnen. Vielmehr dürfte die Konjunktur unter anderem angesichts der fehlenden Dynamik des Welthandels weiter auf Sparflamme brennen und sich gegenüber 2019 (DZ-Bank-Prognose: 2,8 %) kaum verändern. Die DZ Bank erwartet dementsprechend für 2020 einen Anstieg der Weltwirtschaftsleistung um 2,9 %. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Wachstumsbeiträge der verschiedenen Regionen stellen wir fest, dass zwar die meisten Schwellenländer ein beschleunigtes Wirtschaftswachstum verzeichnen sollten. Für wichtige Regionen wie die Vereinigten Staaten, die Eurozone oder China rechnen wir aber mit einer weiteren Abschwächung der Wachstumsraten. Zudem wirkt das Konjunkturbild fragil und anfällig gegenüber den zahlreichen Belastungs- und Risikofaktoren. Dies spricht nicht gerade für ein konstruktives unternehmerisches Umfeld im nächsten Jahr. Vor diesem Hintergrund sollte von den konjunkturellen Vorgaben für 2020 leichter Druck auf Unternehmensanleihen ausgehen. EZB kauft wieder AnleihenDem wenig dynamischen konjunkturellen Umfeld, welches sich auch in einer auf niedrigem Niveau verharrenden Inflation widerspiegelt, begegnet die EZB mit einem umfassenden Maßnahmenpaket. Dieses enthält unter anderem seit Anfang November auch wieder den Ankauf von Anleihen. Im Rahmen der Neuauflage des Teilprogramms zum Ankauf von Unternehmensanleihen (CSPP 2.0) erwarb die Notenbank mehr Corporates als von vielen Marktteilnehmern erwartet. Sonderfaktoren wie ein “Front Loading” im Vorfeld der EZB-Ankaufpause zwischen dem 19. und 31. Dezember mögen hier zum Tragen gekommen sein. Trotzdem dürfte der Anteil an den gesamten Anleihenkäufen unseres Erachtens auch 2020 höher ausfallen als bei dem im Dezember 2018 beendeten Vorgängerprogramm. Zusammen mit den Reinvestitionen der Fälligkeiten des CSPP 1.0 in Höhe von durchschnittlich 1,3 Mrd. Euro pro Monat erwarten wir CSPP-Käufe im Bereich von rund 5 Mrd. Euro monatlich.Sowohl für die europäischen als auch die amerikanischen Konzerne war auf aggregierter Ebene zuletzt ein Anstieg der Verschuldungsposition festzustellen. Die Gewinne konnten nicht schritthalten und erhöhten sich nur unterproportional. M&A-Aktivitäten und Aktienrückkäufe einiger weniger Unternehmen hatten jedoch großen Einfluss auf die Durchschnittszahlen. Die Schuldentragfähigkeit des Großteils der Corporates präsentierte sich im vergangenen Jahr hingegen stabil. Die Gewinnaussichten für 2020 sind zwar positiv, die unsicheren konjunkturellen Rahmenbedingungen lassen den Gewinntrend indes ungewiss erscheinen. Einer hieraus ableitbaren höheren Anfälligkeit der Schuldentragfähigkeit steht unsere Erwartung entgegen, dass insbesondere europäische Unternehmen im Falle eines drohenden deutlichen Anstiegs des Leverage finanzpolitische Gegenmaßnahmen ergreifen würden. Insgesamt erwarten wir hieraus einen “positiven Stillstand” innerhalb der Expansionsphase des Kreditzyklus und einen nur untergeordneten Einfluss auf die Risikoaufschläge von Unternehmensanleihen.Die in den nächsten Jahren anziehenden Fälligkeiten und damit der Refinanzierungsbedarf der Unternehmen sprechen für eine anhaltend hohe Emissionstätigkeit. Darüber hinaus dürfte der Euro-Bondmarkt aufgrund des absehbar langfristig niedrigen Zinsniveaus zunehmend von Emittenten entdeckt werden, die diesen Markt bisher noch nicht zur Refinanzierung genutzt haben. Demgegenüber wird der Einfluss der US-Emittenten auf den Euro-Primärmarkt voraussichtlich leicht zurückgehen. Darüber hinaus dürften die anhaltenden politischen Unwägbarkeiten und das in wichtigen Wirtschaftsregionen verlangsamte Wirtschaftswachstum zu einer größeren Investitionszurückhaltung und damit weniger Neuemissionen führen. In Summe erwarten wir 2020 daher ein Emissionsvolumen nur knapp unter dem Rekordniveau dieses Jahres. Dämpfende WirkungAufgrund der stützenden Wirkung der Geldpolitik, welche die geopolitischen und konjunkturellen Risiken vorerst noch in den Hintergrund drängen dürfte, erwarten wir bei dem Benchmark-Index für Unternehmensanleihen iBoxx Euro Non-Financials Senior zunächst leichte Spreadeinengungen. Unseres Erachtens dürfte im weiteren Jahresverlauf 2020 jedoch ein gewisser Gewöhnungseffekt hinsichtlich der EZB-Käufe eintreten. Dieses Muster war bereits bei dem Vorgängerprogramm zu beobachten. Zusätzlich könnte von dem dann vorherrschenden sehr niedrigen Marktzinsniveau (Prognose zehnjährige Bundrendite: -0,50 %) eine dämpfende Wirkung auf die Nachfrage nach Unternehmensanleihen ausgehen. Vor diesem Hintergrund prognostizieren wir auf Sicht von zwölf Monaten ein im Vergleich zum aktuellen Stand von rund 67 Basispunkten (BP) allenfalls geringfügig verändertes Niveau beim genannten Benchmark-Index von 70 BP. Trotzdem erwarten wir für Corporates auf Sicht von zwölf Monaten einen merklich positiven Gesamtertrag aus Carry und Roll-downs von knapp 100 BP. *) Peter Droste und Rüdiger Neeb sind Senior-Credit-Analysten der DZ Bank.