KREDITWÜRDIG

Credit-Markt wird herausfordernder

Von Uwe Burkert *) Börsen-Zeitung, 21.1.2021 2020 ist ein außergewöhnliches Jahr gewesen. Und außergewöhnliche Umstände brauchen außergewöhnliche Maßnahmen. Die Fiskalpolitik, die Bankenregulierung, aber auch Erleichterungen bei Insolvenzanträgen...

Credit-Markt wird herausfordernder

Von Uwe Burkert *)2020 ist ein außergewöhnliches Jahr gewesen. Und außergewöhnliche Umstände brauchen außergewöhnliche Maßnahmen. Die Fiskalpolitik, die Bankenregulierung, aber auch Erleichterungen bei Insolvenzanträgen haben doch für viele Unternehmen den größten Druck genommen. Hinzu kommt eine sehr aktive Geldpolitik, die gezielt auch die Finanzierungskanäle für Unternehmen offen halten will. Seit Jahresanfang 2020 hat die Europäische Zentralbank (EZB) Unternehmensanleihen am Primär- und Sekundärmarkt im Bruttovolumen von ca. 100 Mrd. Euro gekauft – inklusive der Wiederanlage von Fälligkeiten – und damit deutlich mehr als im bisherigen Rekordjahr 2017 (82 Mrd. Euro).Zu den Käufen im Rahmen des CSPP (Corporate Sector Purchase Programme) kam im März 2020 als Reaktion auf die Coronakrise noch das PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme) neu hinzu. Die EZB erwarb 2020 ca. ein Drittel des Volumens am Primärmarkt. Insgesamt hält die EZB über 270 Mrd. Euro an Euro Corporate Bonds im Bestand – das entspricht ca. 15 % des Indexvolumens an Investment-Grade-Corporates. Die hohe Kaufaktivität der EZB sollte sich auch 2021 fortsetzen, wir gehen dabei von einer Verlängerung und Aufstockung des PEPP aus. Im Gegensatz zur Finanzkrise 2008/09 ist der Zinsaufwand der Unternehmen nicht dramatisch angestiegen.Die Unternehmen profitieren vom weiterhin bestehenden Niedrigzinsniveau und von der Erholung der Risikospreads. Zudem fiel der Ertragseinbruch nicht so stark aus wie ursprünglich befürchtet. Beim Vergleich der Medianwerte blieb selbst im ertragsseitig schwächsten Quartal Q2/2020 noch Spielraum für die Abdeckung der Zinsausgaben. Dies gilt jedoch nicht für schwächere Unternehmen, die teilweise auch negative Ebit-Beiträge verzeichneten. Falls Covenants bei Banklinien dadurch nicht eingehalten werden können, müssen vorübergehende Lockerungen der Kennzahlen vereinbart werden. Mehr InsolvenzenSeit Oktober 2020 gilt wieder die zwischenzeitlich ausgesetzte Pflicht, bei Zahlungsunfähigkeit Insolvenz zu beantragen (nur für überschuldete Unternehmen gilt die Lockerung des Insolvenzrechts weiter). Beispiele für größere Insolvenzen im Jahr 2020: Galeria Karstadt Kaufhof, Hallhuber, Esprit, Vapiano, Maredo sowie der Betrugsfall Wirecard. Vom aktuell extrem niedrigen Niveau aus ist es keine gewagte Prognose, dass 2021 ein deutlicher Anstieg folgen wird. Insolvenzen insbesondere bei kleineren Unternehmen aus den besonders betroffenen Sektoren wie Gastronomie und Touristik sind leider sehr plausibel. Allerdings wird der Effekt durch die umfangreichen staatlichen Stützungsmaßnahmen wie das verlängerte Kurzarbeitergeld und die Überbrückungskredite abgemildert. Eine breite Schuldenkrise im Unternehmenssektor erwarten wir daher nicht. Aufgrund niedriger Vorjahreswerte ist allein basisbedingt bis März 2021 mit einem weiteren Anstieg der Zwölfmonatsausfallrate zu rechnen.Während die Ratingagentur Moody’s im Mai 2020 den erwarteten Hochpunkt der Ausfallraten für die USA noch auf 13,5 % schätzte und für Europa auf 8 %, geht sie in ihrem aktuellen Forecast nur noch von 10,4 % für die USA und 5,7 % für Europa aus. Europa dürfte sich weiterhin deutlich besser entwickeln als die USA. Vorteile gegenüber US-Firmen sind eine konservativere Finanzpolitik und ein niedrigeres Zinsniveau. Hinzu kommen die umfangreichen staatlichen Stützungsmaßnahmen.Der Spread-Anteil, der notwendig ist, um die historisch durchschnittlichen Ausfälle (gemäß Ausfallmatrizen von Moody’s) abzugelten, liegt zum Teil deutlich unter dem aktuell am Markt gehandelten Spread. Daher haben wir durchaus bemerkbare Spread-Anteile, die als Zusatzprämie bleiben. Die einfache Formel lautet: Spread – Default Premium = Zusatzprämie, dargestellt mit nachfolgendem Beispiel für eine BB-Unternehmensanleihe: 270 Basispunkte (BP) – 75 BP = 195 BP. Damit wird das Ausfallrisiko durch den am Markt erzielbaren Spread deutlich überkompensiert und deckt damit auch eine eventuelle Liquiditätsprämie ab. Deutlicher PufferIn der Vergangenheit lagen die Risikoprämien im Tief sogar unter ihren für das Ausfallrisiko adäquaten Werten (v. a. bei Single-B-Anleihen). Aktuell ist in allen Ratingkategorien ein deutlicher Puffer vorhanden. Im Zuge der drastischen Spread-Ausweitung hat sich die in den Spreads enthaltene implizite Ausfallwahrscheinlichkeit kurzfristig massiv erhöht. Zwar haben sich die Spreads inzwischen wieder deutlich eingeengt, dessen ungeachtet liegt die aktuell eingepreiste Ausfallrate bei lnvestment-Grade-Unternehmen aber nach wie vor deutlich höher als der historisch verzeichnete Worst Case (4 % kumuliert über fünf Jahre).Im High-Yield-Bereich liegt die eingepreiste Ausfallrate aktuell bei 25,7 % (kumuliert in den kommenden fünf Jahren) und noch deutlich über den tatsächlich im Nachgang der Finanzkrise verzeichneten Ausfälle (maximal 20 % kumuliert über einen Fünfjahreszeitraum). Aufgrund der gewaltigen fiskal- und geldpolitischen Rettungspakete erwarten wir in den kommenden fünf Jahren geringere Ausfallraten als in der Finanzkrise. Für Buy-and-Hold-Investoren ist das aktuelle Spread-Niveau damit auch nach der jüngsten Einengung noch attraktiv. Rekordhohe Neuemissionen haben auch im vergangenen Jahr wieder zu einem deutlichen Anstieg des Nominalvolumens von Euro Corporate Bonds geführt.Innerhalb der Segmente kam es allerdings zu deutlichen Verschiebungen: Die hohe Zahl an Downgrades und die damit verbundenen “Fallen Angels” haben das High-Yield-Volumen drastisch erhöht. Bei den von S&P benoteten Unternehmen aus Europa rutschten über 75 Mrd. Euro in das High-Yield-Segment. Bei Ausbruch der Krise gab es große Befürchtungen, inwieweit der Markt ein hohes Volumen von Fallen Angels überhaupt absorbieren könne. Umso beachtlicher ist es, dass die Euro-High-Yields das Jahr mit einem positiven Total Return abschließen konnten. Der Ausbruch der Pandemie in Europa hatte im Frühjahr zu deutlichen Einbrüchen bei den Corporates geführt.Der Euro-High-Yield-Index lag aus Sorge vor drastisch steigenden Ausfällen phasenweise fast 20 % im Minus. Im weiteren Jahresverlauf fand allerdings eine Aufholbewegung statt: Die Investment-Grade-Non-Financials erreichten bereits im Juli wieder positives Terrain. Im November gelang nun auch den High Yields wieder der Sprung über die Nulllinie. Die Suche nach Rendite stellt im Fixed-Income-Bereich mehr denn je eine Herausforderung dar. Mehr und mehr Anlageformen liegen im negativen Renditebereich. Selbst für fünf- bis siebenjährige italienische Staatsanleihen erhält man im Moment nur eine schwarze Null. Die Renditen in den Credit-Segmenten bewegen sich zwar auch auf historisch niedrigem Niveau. Gemessen an den Alternativen stellen sie unseres Erachtens aber das kleinere Übel dar. Ohne ein gewisses Maß an Risiko dürfte es 2021 schwer werden, einen positiven Total Return zu erzielen. *) Uwe Burkert ist Chefvolkswirt der Landesbank Baden-Württemberg.