Cucinelli gilt als Perle der Luxusbranche
Von Thesy Kness-Bastaroli, MailandDer Luxusmodehersteller Brunello Cucinelli aus Mittelitalien (Solomeo in Umbrien) hat die Analysten mit seiner Halbjahresbilanz überrascht. Mit einem zweistelligen Umsatz-, Bruttoergebnis- und Nettogewinnwachstum schnitt Cucinelli nicht nur besser ab als Italiens Luxusbranche im Durchschnitt, sondern übertraf auch die Erwartungen der Analysten. In der von Absatzproblemen betroffenen Luxusgüterindustrie sehen die Perspektiven für Cucinelli vergleichsweise gut aus.So raten die Analysten von Kepler Cheuvreux und von Merrill Lynch zum Kaufen. Die Kaufempfehlungen werden mit einem erwarteten zweistelligen Wachstum in den Jahren 2015/2016, mit den kräftigen IT-Investitionen im laufenden Jahr und mit einem mittelfristigen Wachstumspotenzial für Kaschmir-Luxusprodukte begründet. Mediobanca stuft Brunello Cucinelli aber nur mit “Neutral” ein, da der Kaschmir-Luxushersteller mehr als andere Modehäuser vom Russlandgeschäft abhängig sei. Übereinstimmung herrscht bei den Analysten hinsichtlich des relativ hohen Volatilitätsrisikos. Filialnetz erweitertDer Unternehmensgründer, Namensgeber und Präsident der Gesellschaft, Brunello Cucinelli, hat den Erlös von 170 Mill. Euro aus dem vor rund zwei Jahren erfolgten Börsengang in die Erweiterung der ausschließlich in Italien errichteten Produktionsanlagen und in die Ausweitung des Filialnetzes investiert. Die Anzahl der Beschäftigten soll innerhalb von zwei Jahren von 700 auf 1 000 Mitarbeiter steigen. Die Anzahl der eigenen Boutiquen hat sich in den letzten zwölf Monaten um zehn auf 102 weltweit erhöht. In letzter Zeit wurde das Schwergewicht auf den Direktverkauf in eigenen Geschäften gelegt, deren Anteil am gesamten Verkauf innerhalb eines Jahres von 33 auf 35 % zugenommen hat. Die Ertragslage des Unternehmens ist erfreulich: Der Umsatz nahm im ersten Halbjahr um 12 % auf 175,8 Mill. Euro zu, das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) um 13 % auf 30,6 Mill. Euro und der Nettogewinn um 18 % auf 15,6 Mill. Euro. Der Anteil des Gewinns am Umsatz wuchs innerhalb eines Jahres von 8,4 auf 8,8 %.Gemäß den Erwartungen des Managements soll sich die Entwicklung fortsetzen: “Wir erwarten für 2014 eine zweistellige Umsatz-und Gewinnzunahme”, teilte Cucinelli mit. Der Nettogewinn wird im laufenden Jahr auf 33,6 Mill. Euro steigen, das wären 10 % mehr als im Vorjahr, und für 2015 auf 37 Mill Euro 2015 (+ 11 %) geschätzt. Die Dividendenrendite soll von derzeit 0,7 % bis 2016 auf 0,8 % zunehmen.Seit der Erstnotierung im April 2012 zum Ausgabepreis von 7,75 Euro je Aktie hat sich der Kurs mehr als verdoppelt. Cucinelli notiert derzeit mit 17,64 Euro. Die Kursziele der Analysten schwanken aktuell zwischen 19 Euro und 23 Euro. Zwar mussten die Kurse der Luxus-Aktien in Mailand im laufenden Jahr nach der Börsen-Rally im Vorjahr zurückstecken. Die Cucinelli-Notierung gab innerhalb eines Jahres um 27 % nach, konnte aber innerhalb der vergangenen vier Wochen – nicht zuletzt dank der Halbjahresergebnisse – bereits wieder 6,5 % aufholen. Fokus auf die NischeMit einer Marktkapitalisierung von derzeit 1,2 Mrd. Euro zählt der Kaschmir-Modehersteller zweifellos zu den Small Caps im europäischen Luxusbereich. Das rein auf Kaschmirmode fokussierte Unternehmen dürfte sich aber mit seiner Marktnischen-Politik richtig positioniert haben. “In Zukunft ist Einzigartigkeit wieder gefragt”, heißt es beim Verband der Luxushersteller Altagamma in Mailand. Die Marken müssten wachsen, aber gleichzeitig ihre Nische behalten, die Premiumpreise rechtfertige. Genau diese Strategie verfolgt der Kaschmir-Modehersteller, der auf jegliche Art von Produktdiversifikation verzichtet und nur reinen Luxus anbieten will. Er hält nichts von im oberen, aber nicht im obersten Preissegment angesiedelten erschwinglicheren Luxusprodukten. Cucinelli setzt bei seiner Absatzstrategie zudem auf “Made in Italy”, um den hohen Anspruch zu untermauern.Mehrere italienische Luxushäuser, allen voran Nobelschneider Ermenegildo Zegna, der Modekonzern Benetton Group, aber auch der Gründer des Online-Modeunternehmens Yoox, Federico Marchetti, und der Gründer des ebenfalls an der Börse notierten Lederwarenherstellers Piquard, Marco Palmieri, sind bei Cucinelli eingestiegen und haben zum Teil ihre Beteiligung in den letzten Monaten aufgestockt. Luxus kauft Luxus, heißt es daher in Mailand. Wichtiges RusslandgeschäftSchwachstelle des Unternehmens ist zweifellos der relativ hohe Anteil des Russlandgeschäftes am gesamten Umsatz. Laut Analystenberechnungen macht das Russlandgeschäft – sowohl die Touristeneinkäufe in Italien wie auch die Exporte nach Russland – knapp 14 % des Umsatzes aus. Das Unternehmen selbst bestätigt, dass sich die geopolitische Situation in Osteuropa im zweiten Halbjahr auf die Geschäftsergebnisse auswirken werde.Rund 80 % der Produktion geht ins Ausland. Im ersten Halbjahr haben die Kaschmir-Exporte in die USA (+ 18 %) und nach Asien (+ 43 %) stärker zugenommen als das Europageschäft. Analysten erwarten vom derzeit schwachen Euro eine weitere Belebung der Exporte in die USA. Das Chinageschäft, das derzeit 35 % des Umsatzes ausmacht, soll weiter ausgebaut werden. Im September hat Cucinelli zudem die Eröffnung von drei Franchising-Läden in Japan angekündigt.Cucinelli verfolgt für sein Unternehmen eine nachhaltige Wachstumsstrategie, lehnt kurzfristige Gewinnmaximierung ab und bestätigt, dass er nicht im Geringsten an den Verkauf seines Unternehmens denkt. Konkurrenten wie etwa Loro Piano (LVMH) oder Malo haben in letzter Zeit den Besitzer gewechselt. Angebote für Cucinelli liegen zweifellos auch vor.