IM INTERVIEW: SVEIN AAGE AANES, DNB ASSET MANAGEMENT

"Da kommt noch viel Kaufkraft in den Markt hinein"

Fixed-Income-Experte erwartet mehrere Zinssenkungen der Fed und weitere EZB-Maßnahmen - Investoren schichten immer mehr Kapital in Credits um

"Da kommt noch viel Kaufkraft in den Markt hinein"

DBN Asset Management geht davon aus, dass die Fed wegen der Konjunkturentwicklung die Zinsen weiter senkt. Bei der EZB stünden die Zeichen auf QE. Svein Aage Aanes, der bei DNB AM den Fixed-Income-Bereich leitet, sieht die Investoren wegen der dadurch fallenden Staatsanleiherenditen immer mehr in Credits umschichten. Herr Aanes, der US-Handelskonflikt eskaliert immer weiter. Das hält die Unsicherheit an den Finanzmärkten hoch. Marktteilnehmer befürchten, dass die US-Wirtschaft und andere Volkswirtschaften dadurch in einem heute nicht abschätzbaren Ausmaß beeinträchtigt werden. Die Fed hat vor diesem Hintergrund schon angefangen, den Leitzins zu senken. Sehen Sie darin den Beginn eines neuen Zyklus?Wir haben erwartet, dass die Fed auf diesen Handelskrieg und den damit verbundenen konjunkturschwächenden Einfluss mit Zinssenkungen reagiert. Das ist nun im Juli eingetreten. Das zeichnete sich ab, denn durch die immer neuen Eskalationsstufen nahm verständlicherweise auch die Wahrscheinlichkeit zu, dass die Fed auf den Plan tritt. Es wird immer mal wieder Atempausen geben und auch Ankündigungen von Einigungsansätzen, so dass sich auch die Märkte mal beruhigen, aber das wird nicht lange anhalten. Dieser Handelskonflikt wird uns mehrere Jahre begleiten. Und von daher sehe ich gute Chancen, dass wir in einen neuen Zinszyklus der Fed, also eine Runde von Zinssenkungen, eingetreten sind. Wie viele Zinsschritte der Fed erwarten Sie in diesem Jahr und 2020?Wenn sich die Situation nicht dramatisch verschlechtert hätte, hätte ich mit zwei Zinsschritten insgesamt in diesem Jahr gerechnet. Jetzt sind durchaus drei möglich oder bei einer weiteren Eskalation sogar vier Zinssenkungen. Ich glaube, dass wir weitere Zinssenkungen sehen werden, die den größten Teil der Zinserhöhungen, die seit Dezember 2015 stattgefunden haben, ausgleichen. Vor diesem Hintergrund bleibt die Unsicherheit in den europäischen Staatsanleihemärkten, insbesondere bei Bundesanleihen, hoch. Die Bundrenditen bewegen sich entlang der Kurve auf oder nahe Rekordtiefs. Erwarten Sie, dass neuerliche Tiefs in den nächsten Monaten markiert werden, und wie tief kann es noch gehen?Normalerweise würde man sagen, dass die Erwartungen hinsichtlich der Entwicklung der EZB-Leitzinsen das Ausmaß des Renditerückgangs der zehnjährigen Bundesanleihe vorgeben. Ein gutes Beispiel dafür ist Japan. Dort bewegte sich die zehnjährige Staatsanleiherendite einige Jahre lang um den Nullpunkt, was zum damaligen Leitzins der Bank von Japan von minus 10 Basispunkten passte. Angesichts des Einlagensatzes der EZB von minus 40 Basispunkten und der zehnjährigen Bundrendite von fast minus 70 Basispunkten erwarten die Märkte bereits eindeutig eine expansivere Geldpolitik der EZB, sowohl in Form von Zinssenkungen als auch wahrscheinlich mehr Quantitative Easing. Vor dem Hintergrund der Entwicklung des US-Marktes, das heißt der Inversion der US-Zinskurve, und der immer stärkeren Flucht in die Sicherheit ist es sehr unwahrscheinlich, dass die EZB die erwarteten Zinssenkungen nicht durchführen wird. Ich vermute, dass wir in den kommenden zwölf Monaten noch mehr Maßnahmen der EZB als erwartet sehen könnten, was bedeutet, dass die Talsohle für längerfristige Renditen noch nicht erreicht ist. Wie wird die EZB reagieren? Welche Schritte erwarten Sie?Ich vertrete sei Jahren die Meinung, dass die EZB trotz dieses starken wirtschaftlichen Zyklus vergangener Jahre mit deutlich rückläufigen Arbeitslosenraten in der Eurozone nicht in der Lage sein wird, die Zinsen anzuheben. Und man kann wohl auch heute sagen, dass sie das nicht mehr schaffen wird. Bei der Geldpolitik stehen die Zeichen nun unzweifelhaft auf Lockerung. Zinssenkungen sind dabei eine sehr wahrscheinliche Option, das hat Draghi ja sehr deutlich gemacht. Die EZB wird im ersten Schritt eher zu Zinssenkungen greifen als zu QE. Aber QE-Maßnahmen und damit eine Wiederaufnahme der Neuankäufe von Bonds sind schon sehr wahrscheinlich geworden. Erwarten Sie Ausweitungen im Rahmen von QE wegen der Konjunktureintrübung?Ich befürchte, dass es bei der EZB dazu kommen wird. Diese enormen Ausweitungen von QE-Maßnahmen sehe ich aber nicht mehr dieses Jahr, sondern im Verlauf der kommenden Jahre. Die Pause in den Brexit-Verhandlungen führte zunächst zu Erleichterung und dann wiederum zu erhöhter Unsicherheit und ist auch jetzt ein erhöhter Unsicherheitsfaktor. Wie beurteilen Sie den Risikofaktor Brexit aktuell?Der Brexit ist ein sehr zentraler Faktor in der allgemeinen Unsicherheitslage, die derzeit an den Märkten vorherrscht. Aber es ist ein im Vergleich zum US-Handelskonflikt kleinerer Risikofaktor für die Märkte. Und es gibt auch immer noch das Risiko, auch wenn es mit einer kleineren Wahrscheinlichkeit verbunden ist, dass Europa mit in den Handelskrieg hineingezogen wird. Das ist nicht komplett vom Tisch. Der Brexit bleibt ein wichtiger Faktor für die europäischen Märkte und natürlich auch für die europäische Wirtschaft, ist aber nicht so bedeutsam wie der Handelskonflikt und wird das wohl auch nicht werden. Aber der Brexit wird die Märkte noch eine Zeit lang beschäftigen. Ich befürchte, dass wir keine schnelle Lösung bekommen und dass sich die Angelegenheit noch weiter hinziehen wird. Aber der Handelskonflikt wie gesagt beunruhigt mich mehr. Die Flucht der Anleger in Sicherheit hält den Abwärtsdruck bei den Renditen in Europa intakt. Sehen Sie ähnliche Safe-Haven-Käufe auch in den skandinavischen Rentenmärkten?Ich würde nicht sagen, dass wir derartige Safe-Haven-Käufe in den skandinavischen Märkten haben. Aber es gibt einen klaren Link zwischen den Renditen in den nordischen Ländern und den großen globalen Bondmärkten, insbesondere am langen Laufzeitenende. Man kann die Käufe, die wir in den skandinavischen Bondmärkten gesehen haben, nicht als Safe-Haven-Käufe einstufen, sondern es ist mehr eine Suche nach einer akzeptablen, das heißt auskömmlichen Rendite der Anleihen. Sehen Sie einen Einfluss des US-Handelskonflikts auf die skandinavischen Wirtschaften – nicht zuletzt auch durch die Unsicherheit, die von diesem Handelskonflikt ausgeht?Der Einfluss ist bis jetzt eher begrenzt gewesen. In Norwegen haben wir eine sehr robuste Verfassung der Wirtschaft, teilweise bedingt durch das starke Wachstum der Ölinvestitionen. Vor diesem Hintergrund ist die norwegische Zentralbank schon dreimal in der Lage gewesen, den Leitzins anzuheben. In einem großen Ausmaß sind wir in Norwegen also nicht von dem Handelskonflikt beeinflusst worden. In Schweden sieht es ein wenig anders aus aufgrund der Struktur der Unternehmen. Schweden verfügt ähnlich wie Deutschland über einen großen Industriesektor, das heißt viele produzierende Unternehmen. Es werden Maschinen und Maschinenteile sowie Zwischenerzeugnisse hergestellt. Hier gab es leichte Einflüsse aus dem Handelskonflikt zu verzeichnen, aber wir müssen konstatieren, dass der Einfluss insgesamt auf diese Wirtschaft doch recht überschaubar ist. Wie sah denn die konjunkturelle Entwicklung in Norwegen und Schweden in diesem Jahr bislang aus?Sie fiel in den beiden Ländern ein wenig unterschiedlich aus. Schweden hatte eine sehr solide Entwicklung der Wirtschaft bis zum zweiten Halbjahr 2018. 2016 bis 2018 waren sehr gute Jahre für die schwedische Wirtschaft. Derzeit kühlt die schwedische Konjunktur etwas ab. Schwedens Wirtschaft hatte sehr hohe Wachstumsraten und niedrige Arbeitslosenquoten. Jetzt steigt die Arbeitslosenquote leicht an. Das Wachstum ist nun in Schweden leicht unter Potenzial gefallen. In Norwegen haben wir zumeist das gegenteilige Bild. Wir hatten ölpreisbedingt in den Jahren 2015 und 2016 ein schwaches Wachstum. 2017, 2018 und auch noch dieses Jahr sind Jahre mit sehr viel stärkeren Wachstumsraten. Wir liegen dieses Jahr voraussichtlich bei einem BIP-Wachstum zwischen 2,5 % und 3 %. Ein wichtiger Treiber sind dabei die Investitionen in der Ölindustrie, die bei einem Plus von nahezu 15 % liegen. Norwegen ist somit eher ein Sonderfall bezüglich der wirtschaftlichen Entwicklung im Jahr 2019. 2020 gehe ich davon aus, dass wir eine leichte Abkühlung der wirtschaftlichen Aktivitäten sehen werden. Aber die Wachstumsraten werden auch dann durchaus in einem akzeptablen Rahmen liegen. Was erwarten Sie beim Wachstum und bei der Inflationsentwicklung nun im zweiten Halbjahr für Schweden und Norwegen?In Norwegen sollten wir gegenüber 2018 auf Gesamtjahressicht beim Wachstum bei einem Plus von 2,5 % bis 3 % liegen, in Schweden werden wir voraussichtlich auf knapp unter 2 % Wachstum rutschen. Es wird aber nicht sehr weit darunter fallen, vielleicht auf 1,8 %. Die Inflationsrate erwarte ich in Norwegen bei 2 % bis 2,5 % für dieses Jahr. In Schweden sehe ich die Teuerung bei 1,5 % bis 2 % für dieses Jahr. Was erwarten Sie von der Norges Bank und der Riksbank in diesem Umfeld in der zweiten Jahreshälfte?Norges Bank hat in diesem Jahr bereits im März und Juni die Zinsen angehoben und hat die klare Intention, diesen Prozess fortzusetzen. Leider sind die internationalen Entwicklungen aber dergestalt, dass Zinsanhebungen nun eher schwieriger werden. Wenn wir keine kräftige globale Abschwächung der Konjunktur sehen, gehe ich von einem weiteren Zinsschritt im Dezember aus. Dann wird Norges Bank aber auch am Ende der Fahnenstange angekommen sein, das heißt, danach sehen wir keine weiteren Zinsanhebungen mehr in diesem Zyklus. 2020 werden wir also keine Zinsanhebungen mehr sehen. Wenn sich das globale Wachstumsbild weiter verschlechtert, dann ist es recht wahrscheinlich, dass wir 2020 sogar Zinssenkungen in Norwegen sehen. Auch wenn ich also auf kurze Sicht noch dazu tendiere, von einer weiteren Zinserhöhung auszugehen, denke ich, dass auf längere Sicht in Norwegen die Zeichen auf Zinssenkungen stehen. Und in Schweden?In Schweden wird es keine Zinsanhebungen der Riksbank mehr geben. Dort gab es im Dezember vorigen Jahres eine Zinsanhebung. Mancher war davon ausgegangen, dass es im zweiten Halbjahr 2019 noch zu einem Zinsschritt kommen könnte, aber das ist nun vom Tisch. Stattdessen sind wir näher an eine mögliche Zinssenkung herangekommen. In Schweden ist der Zinsanhebungszyklus also am Ende angekommen angesichts der etwas schwächer laufenden Wirtschaft und auch der Tatsache, dass die EZB jetzt auf Lockerung eingestellt ist. Wie sind die skandinavischen Staatsanleihemärkte in diesem Jahr gelaufen, und was erwarten Sie noch im zweiten Halbjahr?Am norwegischen Staatsanleihemarkt hat sich die Kurve in diesem Jahr enorm verflacht. Das lange Laufzeitenende hat sich im Einklang mit den US-Langläufern und auch den europäischen langlaufenden Staatsanleihen nach unten bewegt. Das kurze Ende ging in Erwartung von Zentralbankmaßnahmen nach oben. In Schweden sah die Entwicklung zu Beginn des Jahres nach dem Zinsschritt im Dezember recht ähnlich aus. Aber die Erwartungen weiterer Zinsanhebungen in Schweden haben sich dann immer mehr verflüchtigt. Die Renditen sind dann im Einklang mit den Bundrenditen nach unten gegangen. Wir haben in Schweden weitgehend eine Parallelbewegung zu den Bundesanleihen gesehen. Wie ist die Performance der nordischen Investment-Grade- und High-Yield-Märkte ausgefallen?Wir haben eine moderate und akzeptable Entwicklung an diesen Märkten gesehen. Ein typischer High-Yield-Fonds in Norwegen hat sehr kurze Kapitalbindungsdauern. In diesem Jahr haben wir im High-Yield-Bereich im Schnitt eine Performance von um die 5,5 % gesehen. Investment-Grade-Fonds in Norwegen haben im Vergleich zu anderen europäischen Regionen wie etwa Deutschland auch eine eher kurze Duration von zwei bis drei Jahren. Hier lag die Performance in diesem Jahr bei bislang rund 3,5 %. Das bezieht sich auf Bonds in lokaler Währung. Es gab Spread-Einengungen nach dem Kursrutsch im vierten Quartal vorigen Jahres. Der Investment-Grade-Markt im skandinavischen Raum hat eine etwas schlechtere Performance im Vergleich zum Rest von Europa oder den USA gesehen. Das ist auf den Effekt der kurzen Duration zurückzuführen. Was erwarten Sie für den Rest des Jahres in diesen Märkten?Ich erwarte eine Fortsetzung dieser eher moderaten Entwicklung. Angesichts der erwarteten Zinssenkungen der Fed, der lockeren Geldpolitik der EZB und de in vielen Segmenten sehr niedrigen Renditen, die seit Jahren zu einer Suche der Anleger nach auskömmlichen Erträgen führt, werden die Credit-Märkte eine akzeptable Entwicklung und damit Performance erfahren. Ich erwarte in diesem von Unsicherheit gekennzeichneten Umfeld keine kräftigen Spread-Einengungen. Aber ich kann mir auch nicht vorstellen, dass es umgekehrt zu massiven Spread-Ausweitungen kommen wird. Da immer mehr Staatsanleiherenditen rund um den Globus ins Minus gefallen sind und noch fallen werden, sehe ich schon, dass mehr und mehr Investoren in Credits umschichten. Da kommt noch viel Kaufkraft in den Markt hinein. Dass so viele Anleger auf der Suche nach Rendite sind, bedeutet, dass wir es mit einer sehr starken Kraft zu tun haben, die auf diese Märkte wirkt. Wenn der Handelskonflikt natürlich völlig außer Kontrolle gerät, dann haben wir es natürlich auch mit einem Risiko bei Credits zu tun, und es kann dann zu kräftigen Spread-Ausweitungen kommen, wenn Risikoassets insgesamt unter Druck geraten sollten. Aber so eine Entwicklung wird vermutlich nicht von langer Dauer sein. Wie hat sich die Neuemissionstätigkeit in den skandinavischen Märkten entwickelt?Dieses Jahr hat jetzt keine spektakuläre Entwicklung gesehen. Wir hatten es mit einer mehr oder weniger durchschnittlichen Entwicklung der Emissionstätigkeit zu tun. Im High-Yield-Bereich liegen wir etwas über den Volumina von 2018. Im Investment-Grade-Bereich liegt die Entwicklung ein wenig unter den Vorjahreswerten. Das war alles sehr unaufgeregt bislang dieses Jahr. Es gab keine besonders rege Emissionsaktivität. Man könnte in diesem Jahr eher von business as usual sprechen. Haben sich die Strukturen im nordischen High-Yield-Markt in den vergangenen zwei Jahren verändert?Ja, in einem bestimmten Ausmaß hat es Veränderungen gegeben. Der Anteil des Marktes, der eine Verbindung zur Ölbranche hat, gleichgültig in welchem Bereich, hat sich enorm verändert seit 2014. Von 2014 an hat es hier einen klaren Trend gegeben. Es gibt in der Ölindustrie keinen Bedarf an neuen Ölbohrinseln oder Hochseeschiffen. Das Offshore-Ölservice-Exposure am Bondmarkt ist von mehr als 20 % auf einen Marktanteil von derzeit 8 % gefallen. Und wir gehen davon aus, dass er unter 5 % fallen wird in den kommenden 12 bis 24 Monaten. Es hat damit zu tun, dass die Bedeutung von Öl im Energiebereich der nordischen Region in den vergangenen Jahren abgenommen hat und noch weiter abnehmen wird. Das Interview führte Kai Johannsen.