Daimler-Bonds werden zunehmend interessant
Von Frank Biller *)Im zweiten Quartal 2020 haben die Einschränkungen durch die Covid-19-Pandemie zu hohen Produktionsausfällen in der Automobilindustrie und einer einbrechenden Fahrzeugnachfrage geführt. Weltweit fielen die Verkäufe um rund ein Drittel. Einzig China zeigte schon wieder Anzeichen einer Erholung mit einem Absatzplus von rund 6 % nach einem Einbruch um 46 % im ersten Quartal. Daimler überraschte in diesem negativen Umfeld mit einem positiven operativen Free Cash-flow im Industriegeschäft sowie einer verbesserten Liquiditätsposition zum Quartalsende. Für das Gesamtjahr wird mit einem hohen dreistelligen Free Cash-flow gerechnet, was ein Volumen von über 2 Mrd. Euro im zweiten Halbjahr bedeutet. Auch das operative Ergebnis soll sich mit einer erwarteten Normalisierung des Geschäftes nach den regionalen Lockerungen und der vollständigen Wiederaufnahme der Produktion auf mehr als 1 Mrd. Euro im Gesamtjahr verbessern nach einem Verlust von 1,1 Mrd. Euro zum Halbjahr. Damit dürfte der Ratingdruck auf das Unternehmen nachlassen, und die ausstehenden Daimler-Bonds werden zunehmend interessanter. Dabei lohnt sich ein Blick auf die Bonds mit mittleren Laufzeiten von drei bis sieben Jahren. Hier liegen die Renditen bei 0,4 bis 0,9 % bzw. die Spreads bei ca. 90-120 Basispunkten (BP). Spreads weiten sich ausMit dem Ausbruch von Corona weiteten sich die Bond-Spreads von Ende Februar bis Anfang April massiv aus. Der Asset Swap (ASW) des i-Boxx EUR Non Financials stieg in diesem Zeitraum von 70 auf 190 BP. Noch stärker weitete sich der ASW i-Boxx EUR Automobiles & Parts von 100 auf 320 BP aus. Damit stieg die Spread-Differenz von 30 auf 130 BP und zeigt die große Verunsicherung der Märkte in diesem Zeitraum. Zwischenzeitlich fiel der ASW des Gesamtmarktes auf etwa 100 BP und der i-Boxx EUR Automobiles & Parts auf rund 150 BP. Die Differenz liegt mit 50 BP noch immer deutlich über dem Vorkrisenniveau in Höhe von 30 BP. Die Bonds von Daimler vollzogen im betrachteten Zeitraum eine ähnliche Entwicklung. So weitete sich beispielsweise der Spread des Bonds mit Fälligkeit 02/25 von 55 auf 235 BP aus. Nach der Marktberuhigung und verbesserten Geschäftsaussichten liegt er aktuell bei 105 BP.Die Entwicklung des Fünf-Jahres-CDS geht einher mit der Spread-Entwicklung. Nach dem bisherigen Höchstwert im April 2020 bei 215 BP hat sich der CDS zwischenzeitlich wieder auf rund 80 BP eingeengt. Im Vergleich zu Volkswagen, welche in derselben Ratingklasse eingestuft sind, ist bei Daimler seit Anfang Juli ein geringerer Rückgang der Differenz zwischen CDS und Bond-Spread von rund 10 BP festzustellen. Dies könnte auf höhere Risiken bei Daimler gegenüber Volkswagen hinweisen, zumal die marktseitigen Herausforderungen vergleichbar sind. Margen unter DruckDie gesamte Automobilbranche befindet sich in einem Transformationsprozess vom reinen Automobilhersteller zum Mobilitätsdienstleister mit einer steigenden Elektrifizierung der Fahrzeugflotte. Die Entwicklung neuer Fahrzeuge und Antriebe drückt auf die Margen, ist jedoch zwingend notwendig, um Strafzahlungen wegen einer möglichen Verfehlung der CO2-Flottenziele zu vermeiden. Schon vor der Covid-19-Pandemie drückten die hieraus resultierenden Belastungen auf die Ergebnisse der Automobilhersteller und deren Spreads. Im Juni 2018 überholte der ASW-Spread des iBoxx EUR Automobile & Parts den iBoxx EUR Telecom und liegt seither mit einem Abstand von mehr als 40 BP mit Abstand am höchsten unter allen Branchen.Im Rahmen der Elektrifizierungsstrategie konzentriert sich Daimler voll auf Luxusfahrzeuge. Diese Fokussierung und die eigene Markenstärke erleichtern unseres Erachtens ein profitables Geschäft selbst mit deutlich geringeren Stückzahlen als beispielsweise bei Volkswagen mit seinem Massengeschäft. Der Kunde ist hier weniger preissensibel und dürfte Innovationen früher vergüten.Bereits Ende 2019 stuften die Ratingagenturen S&P und Moody’s Daimler von “A2” auf “A3” bzw. von “A” auf “A-“. Zur Begründung wurden die Herausforderungen der Branche durch die Transformation genannt. Zusätzlich wurde ein rückläufiger Fahrzeugmarkt sowie sinkende Margen und Cash-flows angeführt. Mit dem Aufkommen der Covid-19-Pandemie verschärfte sich die Situation, und die Geschäftslage wurde zunehmend kritischer eingestuft. S&P stufte Daimler bereits Ende März von “A-” auf “BBB+” mit negativem Ausblick zurück. Fitch folgte mit diesem Schritt Mitte April, allerdings bei stabilem Ausblick. Bei Moody’s ist der Ausblick seit März negativ, das Rating “A3” wurde jedoch zuletzt im Juni bestätigt und ist damit am höchsten unter den betrachteten Ratingagenturen.Insgesamt liegt Daimler bei den Ratingeinstufungen gleichauf mit Volkswagen, gegenüber BMW jedoch bei S&P (“A”/Negative) zwei Stufen und bei Moody’s (“A2″/Negative) eine Stufe niedriger. Gründe hierfür sind schlechtere Kreditkennzahlen und eine höhere Ergebnisvolatilität durch das Nutzfahrzeuggeschäft. Mit der Erwartung eines positiven Free Cash-flows des Industriegeschäftes im Gesamtjahr sowie einer soliden Nettoliquidität im Automobilgeschäft von 9,5 Mrd. Euro per Ende Q2/20 sehen wir derzeit einen nachlassenden Ratingdruck und ein solides Investment Grade bei Daimler. Selbst eine Rücknahme des negativen Ausblicks bei S&P und Moody’s könnte bereits mit den Q3-Zahlen Ende Oktober erfolgen. Voraussetzung ist dabei, dass eine zweite Infektionswelle ausbleibt und sich das Geschäft wie derzeit erwartet normalisiert. Die Chancen stehen unseres Erachtens hierfür aus heutiger Sicht gut. Regelmäßiger EmittentFür die Finanzierung nutzt Daimler regelmäßig den Euro-Bondmarkt über Neuemissionen, welche meist fest verzinst sind, aber auch zu rund 10 % als Floater. Aktuell stehen 200 Bonds mit einem Gesamtvolumen von rund 81 Mrd. Euro und einer durchschnittlichen Laufzeit von 3,4 Jahren aus. Davon entfällt mit rund 39 Mrd. Euro etwa die Hälfte auf den Euro-Bondmarkt. Weitere wichtige Emissionswährungen sind Dollar (Volumen rund 24 Mrd. Euro), CNY (rund 4 Mrd. Euro), GBP (rund 5 Mrd. Euro) und CAD (Volumen rund 2 Mrd. Euro). Die Laufzeiten sind breit gestreut von 2020 bis 2037.In den Jahren 2020 und 2021 werden Bonds im Volumen von rund 3 Mrd. Euro bzw. rund 18 Mrd. Euro fällig. Diese dürften weitgehend über Neuemissionen refinanziert werden. In den ersten sieben Monaten 2020 wurden bereits rund 38 Mrd. Euro in Eurobonds platziert und die Refinanzierung damit frühzeitig gesichert. Die neuen Bonds sind dabei meist attraktiv gepreist, was Zeichnungsgewinne in den ersten Wochen verspricht. Wegen der hohen Refinanzierungsquote im bisherigen Jahresverlauf erwarten wir dieses Jahr nur noch kleinere Volumina. Der Fokus des Anlegers sollte sich daher auch auf die ausstehenden Bonds konzentrieren. *) Frank Biller ist Senior Analyst bei der Landesbank Baden-Württemberg.