„Das Enttäuschungspotenzial für die Magnificient 7 ist riesengroß“
Im Gespräch: Markus Zeiß
„Enttäuschungspotenzial riesengroß“
Der Leiter Aktien von LBBW Asset Management erwartet einen Regimewechsel am Aktienmarkt
Im Gespräch mit der Börsen-Zeitung sagt Markus Zeiß von LBBW AM, dass das Enttäuschungspotential für die Magnificient 7 in den nächsten Wochen riesengroß ist. Am Aktienmarkt finde derzeit ein Regimewechsel statt. Er empfiehlt Investoren, jetzt auf die Marktbreite zu setzen. Auch für deutsche Titel sieht er gute Chancen.
Von Werner Rüppel, Frankfurt
Am Mittwoch ist der US-Technologieindex Nasdaq 100 um 3,7% eingebrochen. Dabei hat mit Tesla ein Titel der Magnificent 7, der sieben Aktien, die sich zuletzt als Überflieger entpuppt hatten, um 12% nachgegeben. Und auch die Aktien der Google-Mutter Alphabet haben 5% eingebüßt. Dass es zu solchen deutlichen Korrekturen bei den Mag7 kommt, ist für etliche Kapitalmarktprofis nicht überraschend. Viele erwarten, dass sich der breite Aktienmarkt in den kommenden Monaten deutlich besser entwickeln wird als die Mag7, deren Kurse in den vergangenen Monaten deutlich gestiegen sind und die inzwischen als extrem teuer, sprich extrem hoch bewertet gelten. Einer der Profis, der Anlegern jetzt dazu rät, auf die Marktbreite zu setzen, ist Markus Zeiß, der bei der LBBW Asset Management (AM) den Bereich Equity leitet und der mehrere Aktienfonds steuert.
Enorme Konzentration
„Die Übertreibungen der großen Titel haben den Markt nach oben getrieben“, erläutert Zeiß im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. „Nur 19% aller Werte des MSCI USA haben es im Juni geschafft, den Index zu schlagen.“ Insofern liege eine enorme Konzentration des Aktienmarktes auf wenige Top-Performer vor, die, das lehre die Kapitalmarktgeschichte, nicht langfristig anhalte werde. Zeiß empfiehlt insbesondere, jetzt auf einen gleichgewichteten S&P 500 Index oder ein marktbreites Portfolio als Alternative zum traditionellen S&P 500 zu setzen. Beim traditionellen Index werden die Einzelwerte mit ihrer Marktkapitalisierung gewichtet. Für seine Empfehlung führt Zeiß denn auch mehrere Gründe an.
„Historisch ist der Abstand zwischen dem gleichgewichtetem Index und dem Market Cap Index ähnlich groß wie zu Zeiten der Finanzkrise, 2008 war das dann ein Wendepunkt", sagt Zeiß. „Damals hat der gleichgewichtete Index begonnen, gegenüber dem herkömmlichen nach Marktkapitalisierung berechneten Index deutlich outzuperformen.“ Man muss also nicht zum Jahr 2000 mit dem Platzen der Dotcom-Blase zurückgehen, um Wendepunkte hin zu mehr Marktbreite am Aktienmarkt, die dann für gleichgewichtete Indizes sprechen, auszumachen.
Zinssenkungen helfen Mid Caps
„Zweitens spricht die fundamentale Betrachtung für den gleichgewichteten Index, da sich die Bewertung des Market-Cap-Index im Vergleich zur gleichgewichteten Variante deutlich erhöht hat“, erklärt Zeiß. „Drittens findet derzeit ein Regimewechsel statt. So ist die US-Inflation zuletzt deutlich niedriger ausgefallen als erwartet. Leitzinssenkungen werden im zweiten Halbjahr zu einer größeren Marktbreite führen.“
Aktuelle makroökonomische Entwicklungen, wie die sich beschleunigte nationale und globale Wirtschaft, signalisierten eine robuste Wachstumsphase. Dies führe zu einem „Risk-on“-Sentiment, bei dem Investoren vermehrt in risikoreiche Anlageklassen investierten. Gleichzeitig nehme die Aktivität im Bereich Fusionen und Übernahmen (M&A) zu, was zusätzliche Dynamik in den Markt bringe. Nicht zuletzt profitierten Titel der zweiten Reihe auch von den bereits erfolgten oder erwarteten Leitzinssenkungen. „Investoren haben begonnen, Mid- und Small Caps wieder zu entdecken“, bemerkt der Aktienprofi. Fraglich sei auch, ob Big Tech die hoch gesteckten Erwartungen weiterhin werde erfüllen können. „Viertens glauben wir nicht, dass es die großen Werte, die Magnificent Seven, schaffen ihre Guidance noch zu erhöhen", sagt Zeiß. „Vielmehr wird das Momentum abflachen.“
Versorger interessant
Für Anleger sei es gerade jetzt ratsam, sich breiter aufzustellen. Denn „das Enttäuschungspotenzial für die Magnificent 7 ist in den nächsten Wochen riesengroß", meint der Head of Equity des LBBW Asset Managements. „Ein Sektorwechsel raus aus Technologie und hinein in andere Sektoren ist wahrscheinlich.“ So seien insbesondere ausgewählte Versorger jetzt interessant. Aber auch im Healthcare-Sektor gebe es viele Titel, die man sich jetzt genauer anschaue.
Eine andere Möglichkeit sei es, jetzt ein breites Aktienportfolio zum Beispiel mit dem S&P Future abzusichern. Dabei sei die Erwartung, dass sich ein solches marktbreites Portfolio besser entwickeln werde als der Future, bei dem die Gewichtung nach Marktkapitalisierung durchschlage.
Gute Chancen für deutsche Titel
Auch regional empfiehlt Zeiß eine breitere Aufstellung. „Gerade der europäische Markt zeigt ein gutes Sentiment", sagt der Aktienexperte. „Die EZB hat schon recht früh die Zinsen gesenkt und bei den Konjunkturzahlen haben wir zuletzt positive Überraschungen in Europa gesehen.“
Dies werde auch heimischen Titeln zugute kommen. Zeiß: „Entsprechend besteht eine gute Chance, dass die unterbewerten europäischen und deutschen Titel besser als US-Werte abschneiden.“