"Das ,G` spielt eine tragende Rolle"
Seit Jahresanfang leisteten ESG-Portfolios einen positiven Ergebnisbeitrag. Berechnungen von Invesco zeigen, dass insbesondere zum Höhepunkt der Covid-19-Krise ein ESG-Portfolio Verluste reduzieren konnte. Ziel der Betrachtung war es auch herauszufinden, wie sich die einzelnen Faktoren E, S und G in Stresssituationen an den Märkten verhalten haben.Von Wolf Brandes, FrankfurtDie Investmentgesellschaft Invesco hat eine Untersuchung durchgeführt, wie ESG-Investments sich in der aktuellen Krisenzeit entwickelt haben. Der ESG-Ansatz steht für Environmental, Social und Governance (zu Deutsch: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) und beschriebt die Anwendung entsprechender Kriterien im Portfoliomanagement.Der im S&P 500 gelistete, global tätige Assetmanager Invesco mit einem verwalteten Vermögen von 1,2 Bill. Dollar wollte herausfinden, ob das “vermeintlich eingeschränkte Anlageuniversum, also der Ausschluss oder das Untergewichten von Aktien, in solch einer turbulenten Marktphase möglicherweise doch Nachteile mit sich bringt”, erläutert Manuela von Ditfurth, Spezialistin für Nachhaltigkeit im Frankfurter Team Invesco Quantitative Strategies, das seit 1983 quantitativ gemanagte Aktienportfolios betreut. Invesco hat eine lange Erfahrung mit ESG-Produkten. Das zeigen der Fonds für Stiftungen, den Ditfurth seit dem Start 2003 managt, und der schon 1990 aufgelegte Umwelt- und Nachhaltigkeitsfonds. Negative Stimmung erwartet”Auf mittlere und längere Sicht, das belegen inzwischen etliche Studien, gibt es allen Unkenrufen zum Trotz keine Nachteile durch einen ESG-Ansatz. Es war jedoch zu befürchten, dass in dieser Krise eine negative Stimmung gegen ESG-Investment aufkommen könnte. Daher wollten wir die empirische Datenlage seit Anfang 2020 analysieren”, so Ditfurth. Sie hat anhand einer rein quantitativen Analyse mehrere ESG-Portfolios für den Zeitraum Januar bis Juni 2020 simuliert. Dabei ging es auch darum, die Komponenten E, S und G sowie einzelne Themen isoliert zu betrachten.Für die Umsetzung wurden Zielportfolios konstruiert, die in den 20 % der Aktien mit dem besten ESG-Wert übergewichtet und in den 20 % mit dem schlechtesten ESG-Wert untergewichtet waren. Neben der isolierten Betrachtung von E, S und G hat Invesco Unternehmen auch nach den dezidierten ESG-Aspekten wie CO2-Intensität, Humankapital, Steuertransparenz und Corporate Governance gefiltert und entsprechende Portfolios konstruiert. Verwendet wurden Daten für 11 000 Unternehmen von MSCI ESG Research, einem global führenden Anbieter von Nachhaltigkeitsanalysen und ESG-Ratings, sowie beim Kriterium CO2-Intensität Daten von ISS. Verluste abgefedert”Die Berechnungen zeigen, dass insbesondere zum Höhepunkt der Covid-19-Krise, also in einem Umfeld von hoher Volatilität, das ESG-Portfolio sowie die zugrunde liegenden Komponentenportfolios eine positive Rendite generiert haben”, sagt Ditfurth und beschreibt, dass im Zuge der Ausweitung der Krise und der Kursrückgänge an den Aktienmärkten sich Wertpapiere mit guten ESG-Werten überdurchschnittlich entwickelten und halfen, die Verluste abzufedern.”Auch wenn einzelne Teilportfolios in jüngster Zeit etwas an positiver Dynamik verloren haben, deuten die Ergebnisse unserer Untersuchung darauf hin, dass die Integration von ESG-Kriterien das Verlustrisiko eines Portfolios mindern kann”, sagt Ditfurth mit Blick auf die rückläufigen Rendite-Spreads (siehe Grafik).”Die isolierte Analyse der drei Aspekte E, S und G zeigt, dass das aggregierte ESG-Portfolio die beste Chance hatte, eine Outperformance zu erzielen.”Bei den einzelnen ESG-Faktoren gibt es Unterschiede. Schon frühere Untersuchungen zeigen, dass sich Governance am stärksten auf die Renditen auswirkt, vor Umweltschutz und der Einbeziehung sozialer Aspekte. “Wenn man einen Punkt heraus heben will, dann am ehesten das G. Governance spielt auch eine tragende Rolle innerhalb unseres Investmentprozesses; wenn eine Firma das G lebt, sind meistens die Bereiche E und S gut aufgestellt”, bestätigt Ditfurth diesen Trend auch für die Untersuchung in der Krisenphase.In der aktuellen Krise waren zudem insbesondere Branchenaspekte für die Performance verantwortlich. So war der Einbruch bei Ölwerten einer der Hauptfaktoren – Aktien, die in ESG-Fonds untergewichtet sind. Auch das zum Teil höhere Gewicht von Technologiewerten in ESG-Fonds kann einen positiven Beitrag geleistet haben.Ditfurth weist zudem auf einen weiteren Einflussfaktor hin: “Die jüngste Rally der sogenannten ,Zombie’-Unternehmen nahm dem Faktor Qualität, der bei ESG-Unternehmen besonders wichtig ist, Wind aus den Segeln.” Invesco wendet zusätzlich zu ESG-Kriterien ein quantitatives Multifaktormodell mit den Faktoren Momentum, Qualität und Bewertung an. Große Mittelzuflüsse Die Betrachtung über sechs Monaten dürfe man laut Ditfurth aber nicht überbewerten. Das Ergebnis sei noch kein Beweis, dass sich ESG-Portfolios in Krisen überlegen verhalten. “Für aussagekräftige Studien braucht man eine längere Historie von fünf bis zehn Jahren. Aber die Ergebnisse dieser kurzfristigen Analyse bestätigen intuitiv bisherige Erkenntnisse.” Der branchenweite Absatz der ESG-Fonds zeigt sich von der Performance-Debatte unbeeindruckt.Der Vertrieb von Nachhaltigkeitsfonds lief trotz der Coronakrise gut: Während Anleger aus dem Segment der klassischen Publikumsfonds im ersten Quartal netto viel Geld abgezogen haben, stehen an Nachhaltigkeitskriterien ausgerichtete Produkte einem Plus gegenüber, berichtete die Analysefirma Morningstar.Auch Invesco registriert seit Jahresanfang Zuflüsse von 850 Mill. Euro in ESG-Publikumsfonds und einen Strategiewechsel von bestehenden Kunden in Richtung ESG.