DEVISENWOCHE

Das große US-Dollar-Risiko

Von Lars Edler und Alwin Schenk *) Börsen-Zeitung, 4.4.2017 Seit dem zweiten Halbjahr 2016 hat der US-Dollar gegenüber dem Euro fast 4 % gewonnen. Gemessen an einem breiten, handelsgewichteten Dollar-Index wie dem Bloomberg-Dollar-Index präsentiert...

Das große US-Dollar-Risiko

Von Lars Edler und Alwin Schenk *)Seit dem zweiten Halbjahr 2016 hat der US-Dollar gegenüber dem Euro fast 4 % gewonnen. Gemessen an einem breiten, handelsgewichteten Dollar-Index wie dem Bloomberg-Dollar-Index präsentiert er sich mit einem Plus von fast 4,3 % im gleichen Zeitraum auch im Vergleich zu anderen Währungen sehr stark. Diese Stärke dauert nun schon über ein halbes Jahr an. Sie setzte deutlich vor der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten im November vergangenen Jahres ein. Im Grunde ist dieser Trend schon seit über zweieinhalb Jahren zu beobachten: Seit Mitte 2014 hat der US-Dollar gegen einen breiten Währungskorb um über 25 % aufgewertet. Hält der Bullenmarkt an?In den kommenden Monaten wird eine der wichtigsten Fragen für Investoren sein, ob der langfristige Dollar-Bullenmarkt anhalten wird. Das gilt auch für Aktien- und Rentenanleger und Rohstoffinvestoren. Bisher wurde der Dollar zum einen von positiven Erwartungen der internationalen Finanzmärkte an die noch junge Trump-Administration gestützt, insbesondere die Hoffnung auf eine Reform des Unternehmenssteuergesetzes. Zum anderen haben geldpolitische Entscheidungen der großen Notenbanken den Dollar beflügelt und für einen größeren Renditevorsprung zwischen dem amerikanischen und vielen anderen Rentenmärkten gesorgt.Kritiker hingegen halten den Dollar für überbewertet und die Hoffnung darauf, dass der US-Präsident wichtige Punkte seiner Agenda liefert, für übersteigert. Zudem dürfe man nicht die sich verbessernden Konjunkturdaten übersehen – insbesondere in Europa.Zuletzt dürften die Dollar-Skeptiker wieder Oberwasser bekommen haben, da sich im Zusammenhang mit der Reform von Obamacare gezeigt hat, wie schwer sich Donald Trump damit tut, die nötigen politischen Mehrheiten für seine Inhalte hinter sich zu vereinen. Die geplante und von den Märkten erhoffte Steuerreform ist ein ungleich schwierigeres Projekt, bei dem sich noch tiefere philosophische und politische Gräben auftun – zwischen den Republikanern, aber auch überparteilich. Ein Erfolg Trumps bei diesem komplexen Thema ist daher eher unwahrscheinlich.Ob die Dollar-Bullen oder -Bären den Markt richtig einschätzen, lässt sich momentan nicht eindeutig absehen. Offensichtlich ist jedoch, wessen Szenario mit höherem Risiko verbunden wäre. Würde der Dollar korrigieren und einen Teil seiner Stärke einbüßen, so wäre dies eine erwartbare, geradezu willkommene Rückkehr zu einer “normalen Welt”. Die jüngsten Korrekturen der Währung weisen in diese Richtung. Sein hohes Bewertungsniveau ist ein starkes Argument für einen künftig schwächer tendierenden Dollar. Die allermeisten Devisenanalysten sehen derzeit den Euro, das britische Pfund und den japanischen Yen – gemessen an den Kaufkraftparitäten – als unterbewertet an. Der Dollar ist gemäß dieser Kennzahl erheblich überbewertet. Verwerfung bei AufwertungSollte es anders kommen und der US-Dollar gewinnt weiter hinzu, wäre dies sicherlich eine Gefahr für die internationalen Handels- und Kapitalströme sowie für die Finanzmärkte. Beispiel Schwellenländer: Diese sind zum Teil massiv in Dollar verschuldet. Eine weitere Aufwertung könnte starke Verwerfungen auslösen.Ausgeschlossen ist dieses Szenario keinesfalls. Obwohl der Dollar mit Blick auf die eigene Historie als überbewertet angesehen werden muss, besteht in einem Umfeld sich ausweitender Rendite-Unterschiede zwischen den USA und Europa oder auch Japan durchaus die Möglichkeit einer noch höheren Notierung. Sollte es Donald Trump tatsächlich gelingen, Importzölle bzw. die sogenannte “Border Tax” zugunsten von US-Produzenten durchzusetzen, könnte dies ein Einfallstor für eine weitere Aufwertung bedeuten. Laut Theorie lassen Importzölle die heimische Währung genau in dem Ausmaß aufwerten, bis alle aus dem neuen Zollregime entstandenen Wettbewerbsvorteile eliminiert sind. Faktor ImportzölleNun lässt sich diese Theorie nicht eins zu eins auf die Realität übertragen, weil dort zahlreiche Effekte parallel wirken, die ebenfalls zu Auf- und Abwertungen führen. Es gibt jedoch erste Indizien, die die Theorie stützen: Seit der Wahl von Donald Trump hat der Dollar gegenüber einem breiten Währungsindex 2,7 % gewonnen. Bis zur Korrektur des Kurses im Januar hatte er in der Spitze schon über 5,5 % zugelegt. Diese Stärke ist zumindest teilweise mit dem beschriebenen Zusammenhang zu erklären: Importzölle und “Border Tax” waren zentrale Elemente im Trump’schen US-Wahlkampf, und die Währungsmärkte haben nach seiner Wahl direkt begonnen, die wichtigsten erwarteten Politikänderungen einzupreisen.Darin schlummert ein heikles Timing-Problem: Solange der Dollar in Antizipation kommender Importzölle aufwertet, ohne dass diese Maßnahmen tatsächlich implementiert werden, besteht für die US-Produzenten ein erheblicher Wettbewerbsnachteil. Die Folge wäre ein noch größeres Handelsbilanzdefizit, welches zu noch drastischeren protektionistischen Maßnahmen der USA führen könnte. Dieses Szenario darf sich niemand wünschen.Nach dem republikanischen Debakel um die Gesundheitsreform ist allerdings eher davon auszugehen, dass die Märkte dazu übergehen, das tatsächliche Umsetzungspotenzial von Donald Trump einzupreisen. Der unmittelbare Druck weiterer Aufwertungen wäre damit aus dem Kessel.—-*) Lars Edler ist Co-Chief Investment Officer und Alwin Schenk Portfoliomanager bei Sal. Oppenheim.