KREDITWÜRDIG

Das Jahr 2019 startet mit Neuemissionswelle

Von Carsten Lüdemann *) Börsen-Zeitung, 24.1.2019 Der Übergang ins neue Jahr ist an den Kapitalmärkten sehr holprig ausgefallen. Konjunktursorgen und Risikoaversion aufgrund diverser politischer Stolpersteine führten insbesondere am Aktienmarkt zu...

Das Jahr 2019 startet mit Neuemissionswelle

Von Carsten Lüdemann *)Der Übergang ins neue Jahr ist an den Kapitalmärkten sehr holprig ausgefallen. Konjunktursorgen und Risikoaversion aufgrund diverser politischer Stolpersteine führten insbesondere am Aktienmarkt zu kräftigen Kursbewegungen. Aber auch Unternehmensanleihen konnten sich der Nervosität nicht entziehen. Gleichzeitig wird gerade der Jahresauftakt traditionell besonders stark zur Auflage neuer Anleihen genutzt. Einerseits, da im Dezember die Aufnahmebereitschaft mit Blick auf das eher beschauliche Jahresende nur noch gering ist und daher Emissionsvorhaben ausgesetzt wurden. Andererseits, da viele große Investoren zu Jahresbeginn mit frischen Anlagekonzepten und neuem Geld in die Märkte einsteigen.In diesem Jahr hatten die Rentenmärkte jedoch eine besonders große Welle an Neuemissionen zu verkraften. Die Euro-Staaten haben gleich in der ersten vollständigen Handelswoche mit etwa 40 Mrd. Euro die vermutlich stärkste Emissionswoche des Jahres aufgestellt. Auch Sub-Sovereigns und Agenturen emittierten kräftig. Financials und vor allem Corporates schließlich haben mit gut 25 Mrd. Euro eine der stärksten Emissionswochen der vergangenen Jahre im Euro abgeliefert. Die meisten Bonds sind mit sehr großzügigen Prämien ausgestattet worden, um eine sichere Platzierung zu gewährleisten. Da das Zinsniveau insgesamt immer noch nahe den historischen Tiefständen liegt, ist dieser zusätzliche Renditeaufschlag für die meisten Unternehmen leicht zu verkraften. Attraktive AufschlägeFür viele Investoren sind die vergleichsweise hohen Risikoaufschläge jedoch sehr attraktiv, daher treffen die Neuemissionen auf eine sehr hohe Zeichnungsbereitschaft. Wenn auch der Rentenmarkt insgesamt diese Emissionswelle sehr gut aufgenommen hat, haben sich viele ausstehende Altanleihen am Sekundärmarkt zum Teil stark im Spread ausgeweitet. Denn Inhaber dieser älteren Anleihen sind nun natürlich bemüht, diese gegen die neuen, deutlich attraktiver ausgestatteten Anleihen zu tauschen. Die Aufnahmebereitschaft für die Sekundärmarktbonds war jedoch nicht sonderlich groß, was zu einer kräftigen Ausweitung der Spreads in diesen Anleihen führte, also zu starken Kursverlusten. Auf dem Derivatemarkt sind die Spread-Ausweitungen deutlich geringer ausgefallen, denn den Verkäufern geht es in erster Linie darum, die weniger attraktiven Altanleihen loszuwerden, nicht jedoch darum, das Risiko für die betreffende Industrieadresse zu eliminieren.Die deutliche Ausweitung der Risikoaufschläge von Kassa-Anleihen im Vergleich zu Kreditderivaten eröffnet eine besondere Möglichkeit, Erträge aus dem ansonsten margenarmen Markt zu ziehen: die sogenannte negative Basis. Dies ist eine Kombination aus dem Kauf einer Unternehmensanleihe und der gleichzeitigen Absicherung des Ausfallrisikos durch einen Credit Default Swap (CDS). Die Zinszahlungen werden per Swap in floatend gewandelt, um unempfindlich gegenüber einer Veränderung des allgemeinen Zinsniveaus zu sein. Der Ertrag in dieser Geschäftskombination liegt darin, vorübergehend unterschiedliche Bewertungen zwischen dem Kassa- und dem Derivatemarkt auszunutzen, ohne ein hohes Ausfall- oder Kursverlustrisiko einzugehen. Dies ist keine völlig risikofreie Arbitrage, da weiterhin durchaus die Möglichkeit besteht, dass im Falle eines Zahlungsausfalls des gewählten Emittenten Zahlungsansprüche nur unter erhöhtem Aufwand einzubringen sind. Auch besteht ein Kontrahentenrisiko auf der Derivateseite.Doch in den allermeisten Fällen kann die negative Basis für die gesamte Laufzeit problemlos kassiert werden. Aktuell sind so Margen von um die 50 Basispunkte (BP) jährlich möglich, in Einzelfällen auch deutlich mehr. Die Schwierigkeit liegt darin, gleichzeitig eine attraktive Kassa-Anleihe zu kaufen und zum selben Zeitpunkt ein entgegengesetztes Derivategeschäft abzuschließen. Für gewöhnlich ist das Fenster für einen besonders attraktiven Abschluss nur sehr klein, wobei zumeist der Kauf der Anleihe der schwierigere Teil ist. Vorteile der negativen BasisDer Vorteil einer negativen Basis ist, dass Marktpreisschwankungen der unterliegenden Instrumente den Ertrag aus dem Geschäft nicht mehr beeinflussen. Selbst für den Fall, dass der Emittent der gekauften Anleihe in Default geht und die Anleihe nicht mehr bedient, würde der abgeschlossene CDS den Ausfall der Anleihe ausgleichen, so dass der Investor ohne Verlust aus dieser Transaktion austritt. Andererseits profitiert der Investor aber auch nicht von einer positiven Entwicklung der Anleihe, da der CDS im Gegenzug einen entsprechenden Verlust aufbauen würde. Sollten sich hingegen die Risikoaufschläge der beiden Instrument wieder annähern, die negative Basis also geringer werden oder gar ins Positive drehen, kann der Investor das Geschäft vorzeitig wieder auflösen und die Spread-Anpassung als Kursgewinn vereinnahmen.Die stärksten Verwerfungen am Sekundärmarkt durch die kräftige Emissionswelle sind in der Zwischenzeit schon wieder ausgeglichen worden. Nachdem in den vorigen Tagen die Emissionsflut spürbar nachgelassen hat, wurden die zuvor vernachlässigten Anleihen wieder zunehmend gesucht. In der Folge schrumpften auch die zu erzielenden negativen Basen wieder. Diese Entwicklung dürfte sich beschleunigen, sobald die gerade begonnene Quartalsberichtssaison an Fahrt aufnimmt. Kurz vor dem jeweiligen Veröffentlichungstermin beginnt die sogenannte “Black-out Period”. Dies bezeichnet den Zeitraum, in dem die Unternehmen keine neuen Kapitalmaßnahmen ergreifen dürfen, da es durch überraschende Geschäftsergebnisse zu Verwerfungen kommen könnte. Anleger sollen so vor unliebsamen Überraschungen geschützt werden.Die Aussicht auf eine weiter nachlassende Emissionstätigkeit könnte der Erholungsbewegung von Unternehmensanleihen also etwas Schub verleihen. Vor diesem Hintergrund erscheint es aktuell verlockend, zunächst attraktive Kassa-Anleihen zu kaufen und mit dem zweiten Teil der negativen Basis, der Absicherung über den Derivatemarkt, noch ein wenig abzuwarten. Dies birgt freilich das Risiko, dass die Geschäftsberichte die Markterwartungen enttäuschen könnten.In den vorigen Wochen gab es bereits einige überraschende Gewinnwarnungen großer Unternehmen, die an den Aktienmärkten starke Kursverluste ausgelöst haben. Bei den Unternehmensanleihen sind entsprechende Kurskorrekturen dagegen deutlich geringer ausgefallen. Erst wenn sich ein nachhaltiger Abwärtstrend, der auch Rating-Herabstufungen auslöst, abzeichnet, werden die Spread-Ausweitungen deutlicher. Sofern dagegen die Geschäftsergebnisse und vor allem der weitere Ausblick des Unternehmens in etwa in Höhe der vorherigen Analystenschätzungen eintreffen, könnten sich die zuletzt deutlich ausgeweiteten Spreads noch ein Stück weit verringern. Das wäre dann ein guter Zeitpunkt, das Gegengeschäft am Derivatemarkt einzugehen, um eine attraktive negative Basis vereinnahmen zu können.—-*) Carsten Lüdemann ist im Makro-Research der DekaBank tätig.