Das Misstrauen der Anleger ist groß
Geld oder Brief
Das Misstrauen der Anleger ist groß
Von Heidi Rohde und Dieter Kuckelkorn, Frankfurt
Die drastische Kursreaktion auf eine aus Sicht der meisten Beobachter moderate Anpassung der Umsatz- und Gewinnziele im laufenden Jahr zeigt, wie angeschlagen die Stimmung der Anleger mit Blick auf die Aktie von United Internet ist. Das Papier war zu Wochenbeginn in der Spitze um fast ein Fünftel abgestürzt. Die Titel der Tochter 1&1, deren mehrtägiger Mobilfunknetzausfall Ende Mai zu der Prognosekorrektur geführt hatte, verloren fast 13%. Seither haben sich die Titel des von Gründer und CEO Ralph Dommermuth kontrollierten Internetkonzerns nur seitwärts bewegt, sie notieren mit knapp über 16 Euro weit unter ihrem 52-Wochen-Hoch von 25,26 Euro, das im Januar erreicht worden war.
Prognose nach unten korrigiert
Anfang August hatte der Konzern seine Prognose für das Gesamtjahr nach unten korrigiert. Das Management geht nun von Erlösen von 6,4 Mrd. Euro aus, vorher waren 6,5 Mrd. Euro erwartet worden. Das Ebitda-Ergebnis wird nun bei 1,38 Mrd. Euro prognostiziert, bisher wurden 1,42 Mrd. Euro erwartet. Dommermuth verwies bei der Vorlage der Halbjahresergebnisse am Donnerstag in einer Telefonkonferenz auf hohe Anlaufkosten für das Mobilfunknetz von 111 Mill. Euro, ohne die das Ebitda-Ergebnis in den ersten sechs Monaten um 9% gestiegen wäre. „Unser operatives Geschäft läuft also sehr gut“, betonte er.
Der Netzausfall hat durchaus weitreichende Folgen, wie Dommermuth einräumte: „Infolge des Ausfalls sind ungefähr 50.000 Kündigungen ausgesprochen worden.“ Im August sehe man aber nur noch ein leicht erhöhtes Niveau an Kündigungen, wobei aber gelte: „Wir sind noch nicht wieder dort, wo wir sein wollen.“ Auffällig ist auch, dass laut Halbjahresbericht die Zahl der Breitbandkabelanschlüsse für Privatkunden um 20.000 rückläufig war. Dies sei nicht schön, kommentiert Dommermuth, erläutert aber: „Wir waren im Markt nicht besonders aggressiv unterwegs. Wir hätten auf Ergebniswachstum verzichtet, wenn wir aggressiver vorgegangen wären.“ Man steuere gegenwärtig lieber in Richtung Ertrag.
Kursgewinn ausradiert
United-Internet-Aktien hatten am Montag den Kursgewinn von zwölf Monaten ausradiert, liegen damit allerdings immer noch deutlich vor dem MDax, der binnen Jahresfrist mehr als 20% verloren hat. Die Titel von United Internet notieren mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 11 (Basis 2024) und 8,3 mit Blick auf das kommende Jahr und haben damit nach Einschätzung der meisten bei Bloomberg erfassten Analysten Kurspotenzial. 13 Kaufempfehlungen steht dort keine einzige Verkaufsempfehlung gegenüber. Fünf Experten bewerten die Aktie mit „Halten“. Die größte Bewertungslücke wird bisher von Berenberg sowie von Warburg Research ausgemacht. Die Analysten nennen Kursziele von 43 Euro beziehungsweise 40 Euro und bleiben bei ihrer klaren Kaufempfehlung. Die DZ Bank nennt 31 Euro als Zielmarke, ansonsten bewegen sich die Experten bei einem Richtwert um die 28 Euro. Die aktuellen Probleme haben also bislang nicht zu einer grundlegenden Neubewertung der Aktien durch die Analysten geführt, während bei den Anlegern, wie die jüngsten Kursreaktionen zeigen, das Misstrauen groß ist.
Thomas Wissler von MWB Research, der mit 28 Euro Kursziel dem Mainstream folgt, ist für die Gewinnentwicklung mittelfristig optimistisch gestimmt. Er rechnet für 2025 mit einem Sprung beim Ergebnis je Aktie von 2,38 Euro nach 1,52 Euro im laufenden Jahr. Der Internetkonzern hatte kürzlich 185 Mill. Euro auf die Anteile an der Beteiligungsholding Kublai, die Tele Columbus kontrolliert, abgeschrieben, die das Ergebnis in diesem Jahr belasten werden.
Während diese Belastung nicht cashwirksam ist, stehen die Aufwendungen des Konzerns für den Aufbau eines eigenen 5G-Mobilfunknetzes seit längerem im Fokus der Anleger. Sie werden in diesem Jahr United Internet zufolge auch hochgefahren, weil der Konzern Komponenten, die bisher von den Zulieferern bevorratet wurden, nun selbst bereitstellt, so dass sich die Kapitalbindung ebenfalls erhöht. Der Netzaufbau verläuft schleppend, nachdem 1&1 zunächst von ihrem Hauptlieferanten Vantage Towers im Stich gelassen worden war und seither eine mühsame Aufholjagd zu den von der Bundesnetzagentur vorgegebenen Ausbauzielen gestartet hat. „Es gibt quasi einen Häuserkampf um Antennenstandorte“, räumt Dommermuth ein.
Beinharter Wettbewerb
Der Einstieg in die Liga der Netzbetreiber hat für die Aktionäre einen jahrelangen Dividendenausfall zur Folge. Umso nervöser reagieren sie auf Störungen im Tagesgeschäft. Gerade im deutschen Mobilfunkmarkt herrscht beinharter Wettbewerb, denn unter den Konkurrenten kämpfen sowohl Vodafone als auch Telefónica Deutschland darum, Boden gutzumachen. Vodafone steht vor der Herausforderung, eine längere Misere im eigenen Mobilfunkgeschäft nachhaltig zu wenden, der für die Marke O2 bekannte Münchner Konzern Telefónica Deutschland sieht mittelfristig erheblichen Umsatzeinbußen entgegen, wenn das Roaming-Abkommen mit 1&1 ausläuft, und muss sie kompensieren. In diesem schwierigen Umfeld wird Dommermuth das Vertrauen breiter Anlegerkreise zurückgewinnen müssen.