Das Pfund im Brexit-Strudel
Von Axel Rudolph *)Nachdem in den vergangenen Wochen an den internationalen Devisenmärkten die US-Dollar-Schwäche im Vordergrund gestanden hat und auch zu einem etwas festeren britischen Pfund (GBP) geführt hat, gewinnen jetzt die Unsicherheiten u. a. aufgrund der neuen britischen Verhandlungsstrategie bezüglich der Gespräche über die künftigen Handelsbeziehungen zwischen der EU und Großbritannien an Markteinfluss. Dies gilt sowohl für das britische Pfund im Allgemeinen als auch speziell für den Wechselkurs GBP/USD. Diese zusätzliche Unsicherheit brachte vor kurzem bereits das britische Pfund zum “technischen Stolpern”, interessanterweise genau an deutlichen technischen Resistance-Zonen, wobei der GBP/USD-Wechselkurs wieder im Mittelpunkt des Marktgeschehens stand. Negative StimmungDie technische Gesamtlage beim britischen Pfund ist seit ein paar Wochen negativ gestimmt. Am 1. September schien noch alles rosig für die GBP/USD-Bullen auszusehen, obwohl die technische Analyse bereits gute Hinweise auf eine Veränderung der Lage andeutete. Da das Anfang-September-Hoch bei knapp 1,3500 seit einem Monat von negativen technischen Divergenzen z. B. bei Oszillatoren wie dem Relative Strength Index (RSI) auf den Tagescharts begleitet wurde, war davon auszugehen, dass zumindest eine technische Korrektur oder eine Trading- Trendumkehr anstehen würde. Der technische Hauptgrund für eine solche Gegenbewegung des GBP/USD findet sich bis Anfang September z. B. in der gegenläufigen Tendenz zwischen dem steigenden Wechselkurs und dem gleichzeitigen Fallen des RSI. Die dann einsetzende Abschwächung des (kurzfristigen) Aufwärtsmomentums, ist ebenfalls ein guter technischer Hinweis, der im Regelfall zu einer “zeitnahen technischen Kapitulation” der Bullen in einem Aufwärtstrend führt. Ausgeprägter WiderstandGenau dies ist beim Scheitern des GBP/USD-Kurses Anfang September bei rund 1,3500 eingetreten und deutet auf eine Umkehr (Trendwechsel bzw. “technisches Reversal”) hin. Weitere technische Aspekte belegen diese Analyse. Erstens ist der Kurs sowohl nahe dem langfristigen charttechnischen Low von 2009 als auch am Top von 2019, beide bei rund 1,3500 (ausgeprägte Resistance-Zone), gescheitert. Zweitens ist die Marktreaktion (Trading-Trendumkehr im September 2020 beim GBP/USD) im Umfeld der langfristigen, übergeordneten Abwärtstrendlinie (Start im Jahr 2007), die ebenfalls im Bereich um 1,3500 liegt, eingetreten.Drittens würde für den Fall eines Kursrückgangs bis Ende September unter das Trading Low bei 1,2983 (stammt aus August 2020) noch ein “Key Month Reversal” hinzukommen. Solch eine technische Umkehr entsteht, wenn der Monatseröffnungskurs über dem Schlusskurs des Vormonats liegt; danach innerhalb der noch intakten Hausse-Bewegung zunächst ein neues Kurshoch erzielt wird und am Ende – aufgrund einer deutlich schwächeren Kursentwicklung – ein Monatsschlusskurs unterhalb des Vormonatseröffnungskurses herauskommt. Test des SupportDa GBP/USD bereits rund 7 Cent in den vergangenen zwei Handelswochen verloren hat, sollte einkalkuliert werden, dass Ende September mit einem Schlusskurs unter dem Augusttief bei 1,2983 ein “Key Month Reversal” vorliegt. Dies wäre aus technischer Sicht ein Hinweis auf eine Korrekturausweitung bis mindestens zum Januar-2019-Tief bei rund 1,2450. Damit rückt – bis zum Jahresende 2020 – auch ein Test der wesentlich wichtigeren Support-Zone um 1,2000, die sich aus der Kursentwicklung im Oktober 2016, dem Januar 2017 und September 2019 ergeben hat, in den Fokus.Trotz der aktuellen Unsicherheit hinsichtlich der Brexit-Verhandlungen sind die Auswirkungen auf den EUR/GBP-Wechselkurs bisher gering. Einerseits ist hier auch eine Trading-Umkehr (“technisches Reversal”) seit dem Kursniveau um 0,8900 (bisheriges Kurstief im September 2020) festzustellen. Andererseits ist die technische Gesamtausprägung dieser Umkehr etwas schwächer als beim GBP/USD, so dass zunächst nur Tests der Kurs-Trading-Tops bei 0,9300 (stammt aus August 2017 und August 2019) anstehen sollten. Deshalb sollte es nicht überraschen, wenn es an diesen Kursniveaus – wie in der Vergangenheit auch – bereits wieder zur Konsolidierung und Trading-Gegenbewegungen kommt. Barriere sollte haltenSollten sich die Verhandlungen zwischen der EU und dem Königreich in einer Sackgasse festfahren, ist davon auszugehen, dass EUR/GBP die Zone 0,9400/0,9500 ins Visier nimmt. Hierbei handelt es sich um eine sehr langfristige, ausgeprägte technische Resistance-Zone und Barriere (stammt aus März und Oktober 2009 sowie Oktober 2016 und März 2020), die erneut halten sollte. Nur für den Fall eines “harten Brexits” sollte ein “technisches Durchrutschen” des Sterlings in Richtung des Allzeithochs bei rund 0,9800 (Dezember 2008) sowie der psychologischen 1,0000-Marke in Betracht kommen. Wollen wir für alle Beteiligten hoffen, dass es nicht zu so einer derart hohen Volatilität an den Devisenmärkten kommt! *) Axel Rudolph ist bei der Commerzbank im Bereich der technischen Analyse tätig.