DEVISENWOCHE

Das Rennen um die schwächste Währung

Von Thu Lan Nguyen *) Börsen-Zeitung, 30.7.2019 Zwar hat die Europäische Zentralbank (EZB) nicht wie von einigen erwartet - uns eingeschlossen - in ihrer Juli-Sitzung in der vergangenen Woche bereits weitere expansive Maßnahmen beschlossen....

Das Rennen um die schwächste Währung

Von Thu Lan Nguyen *)Zwar hat die Europäische Zentralbank (EZB) nicht wie von einigen erwartet – uns eingeschlossen – in ihrer Juli-Sitzung in der vergangenen Woche bereits weitere expansive Maßnahmen beschlossen. Allerdings hat sie klar ihre Bereitschaft signalisiert, aktiv zu werden, sollte sich der wirtschaftliche Ausblick – insbesondere der Inflationsausblick – nicht verbessern. Um dieser Aussage Nachdruck zu verleihen, listete sie sogar die ihr zur Verfügung stehenden Instrumente auf, die alle in Erwägung gezogen werden.Darunter sind eine Stärkung ihrer Forward Guidance (des Versprechens, ihre Zinsen auf aktuellem oder niedrigerem Niveau zu halten), Anleihekäufe als auch Maßnahmen, um die Belastung durch den Negativzins auf Bankeinlagen zu verringern, was ihr de facto erlauben würde, den Einlagensatz weiter zu senken. Nicht pessimistisch genugTrotz dieser Drohkulisse legte der Euro im Laufe der auf die Zinsentscheidung folgenden Pressekonferenz zu, was in erster Linie daran lag, dass EZB-Präsident Mario Draghi offenbar nicht so alarmierend klang, wie am Markt erwartet wurde. Zwar äußerte er seinen Missmut über die schwache Inflationsentwicklung. Doch insbesondere in Bezug auf den Konjunkturausblick schien er für den Geschmack der meisten Marktteilnehmer nicht pessimistisch genug zu klingen. So wies er zwar darauf hin, dass sich der Konjunkturausblick immer weiter verschlechtere.Doch die Wahrscheinlichkeit einer Rezession erachte die EZB als nach wie vor gering. Dabei hatten die neuesten Frühindikatoren im Euroraum gerade erst erneut bitter enttäuscht, so dass die Zweifel an einer wirtschaftlichen Erholung in der zweiten Jahreshälfte deutlich zugenommen haben sollten. EZB geht Munition ausMan könnte die zögerliche Art der EZB auch so interpretieren: Ihr geht die Munition aus, so dass sie sich absolut sicher sein will, dass weitere expansive Schritte notwendig sind, bevor sie auch ihr letztes Pulver verschießt. Angesichts eines Rekordtiefs von -0,40 % beim Einlagensatz und Anleihekäufen im Umfang von rund 3 Bill. Euro über einen Zeitraum von vier Jahren stellt sich tatsächlich die Frage, was und wie viel die EZB noch liefern kann.Wir erwarten zwar, dass sie in ihrer nächsten Sitzung im September ein umfangreiches Lockerungspaket vorstellen wird, welches eine deutlichere Zinssenkung als derzeit von den meisten erwartet sowie neue Anleihekäufe enthalten wird. Überraschung ist nötigDenn nur, wenn sie den Markt überrascht, können ihre Maßnahmen die maximale realwirtschaftliche Durchschlagskraft entfalten. Allerdings sollte spätestens danach klar sein: Das war’s. Ihre Zinsen kann sie nicht unendlich weit senken, da Banken, Unternehmen und private Haushalte irgendwann auf Bargeld ausweichen würden. Auch ihre Möglichkeiten für weitere Anleihekäufe sind endlich. Insbesondere wenn sie sich an die Regeln ihres bisherigen Programms hält, wonach sie maximal 33 % des ausstehenden Volumens einer Anleihe und nur nach EZB-Kapitalschlüssel kaufen kann. Selbst wenn sie diese Begrenzungen bis auf den letzten Euro ausreizt, würde das potenzielle Kaufvolumen vergleichsweise gering ausfallen, wodurch die Wirkung der Käufe geschmälert würde. Fed hat mehr SpielraumSie könnte zwar die Regeln ändern, wofür sie mittlerweile auch vom Europäischen Gerichtshof grünes Licht erhalten hat. Allerdings würde zweifelsohne der Widerstand einiger EZB-Ratsmitglieder irgendwann zu groß werden, so dass ihr auch hier Grenzen gesetzt sind.Diese Probleme hat die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) nicht – zumindest nicht in diesem Umfang. Ihr Leitzins ist zwar historisch gesehen ebenfalls auf einem niedrigen Niveau. Doch er befindet sich deutlich weiter weg von der Zinsuntergrenze, als es bei der EZB der Fall ist. Nicht zuletzt aus diesem Grund kann es sich die Fed erlauben, eine proaktivere Haltung einzunehmen und bereits diese Woche ihre Zinsen zu senken. Dabei hat sich die US-Wirtschaft jüngst eigentlich gar nicht so schlecht entwickelt. Dennoch haben einige ranghohe Mitglieder des Offenmarktausschusses betont, dass sie lieber mit einer frühen Zinssenkung einem möglichen Abschwung entgegenwirken wollen – auch wenn sie, wie die EZB, die Wahrscheinlichkeit für eine Rezession aktuell als gering erachten. Dollar vor AbschwächungNoch hat der Markt diese Unterschiede in der Geldpolitik nicht hinreichend erkannt. Aber ich kann nur betonen: Die aktivere Haltung der Fed als auch ihr größerer Spielraum für eine expansive Geldpolitik, von der wir ausgehen, dass sie sie ausnutzen wird, sprechen mittel- bis langfristig eher für höhere Euro-Dollar-Notierungen. *) Thu Lan Nguyen ist Senior-Devisenstrategin bei der Commerzbank.