Geld oder BriefRedcare Pharmacy

Das Schicksal hängt am E-Rezept

Redcare Pharmacy ist gemessen an Umsatz- und Kundenzahlen an Marktpionier Doc Morris vorbeigezogen. Doch im Aktienkurs ist bereits viel Hoffnung, die mit dem E-Rezept verbunden ist, eingepreist. Dennoch machen Analysten weiteres Kurspotenzial aus.

Das Schicksal hängt am E-Rezept

GELD ODER BRIEF

Redcare Pharmacy am Tropf des E-Rezepts

Von Annette Becker, Köln

Keine Frage, unter den Versandapotheken in Europa hat Redcare Pharmacy (ehemals: Shop Apotheke) inzwischen die Nase vorn vor dem Marktpionier Doc Morris. Erst in der vorigen Woche musste Doc Morris empfindliche Kurseinbußen hinnehmen, da sie die Wachstumserwartungen an das zweite Quartal deutlich verfehlt hat. Am Tag der Bekanntgabe der Umsatzzahlen für den Zeitraum April bis Juni gab die in der Schweiz gelistete Aktie in der Spitze um ein Fünftel nach.

Zwar konnte sich auch die im MDax notierte Redcare Pharmacy dem Abwärtsstrudel nicht gänzlich entziehen. Doch hatte Redcare die Markterwartungen mit den am 4. Juli veröffentlichten Umsatzzahlen mehr als erfüllt. Die Kursentwicklung im bisherigen Jahresverlauf spricht zudem eine klare Sprache: Die Aktie von Redcare Pharmacy bewegt sich mit einem Zuwachs um 4% in positivem Terrain.

Der Kurs der Schweizer, die bis zum Verkauf des Geschäfts im Heimatmarkt unter Zur Rose firmierten, weist zeitgleich einen Verlust von mehr als einem Drittel aus. Dabei gilt es auch zu berücksichtigen, dass beide Papiere im vorigen Jahr mit Blick auf die nahende flächendeckende Einführung des elektronischen Rezepts (E-Rezept) in Deutschland kräftige Kursgewinne verzeichnet hatten.

Wettbewerbsentscheidend

Für beide Versandapotheken sind die verpflichtende Einführung des E-Rezepts in Deutschland und die Fähigkeit, sich in diesem Segment möglichst schnell Marktanteile zu sichern, zum wettbewerbsentscheidenden Faktor geworden. Die Aussicht, dass sich die Versandapotheken hierzulande künftig ein größeres Stück von dem mehr als 40 Mrd. Euro schweren Markt für verschreibungspflichtige Medikamente (Rx) herausschneiden, hatte beide Titel in der Vergangenheit beflügelt. Entfiel bislang bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nur ein Anteil von weniger als 1% auf die Medikamentenversender, soll sich dieser Anteil nach gängigen Schätzungen binnen weniger Jahre nach der Einführung des E-Rezepts auf 10% belaufen.

Sattes Wachstum

Um vom elektronischen Rezept zu profitieren, mussten sich die Versandapotheken Anfang des Jahres zunächst mit der Gematik, der Telematikgesellschaft für das deutsche Gesundheitswesen, auf einen digitalen Einlöseweg verständigen. Inzwischen verfügen beide über eine funktionstüchtige App-Lösung. Doc Morris ging im April mit ihrer CardLink-Lösung an den Start, Redcare Pharmacy folgte einen Monat später.

Gemessen am Marktpotenzial nimmt sich der Umsatz mit verschreibungspflichtigen Medikamenten von 50 Mill. Euro, den Redcare Pharmacy im zweiten Quartal erwirtschaftete, verschwindend gering aus. Allerdings war das gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum schon ein Plus von fast 37%, nachdem im ersten Quartal – und damit vor Einführung der CardLink-Lösung – nur ein Zuwachs um knapp 7% zu verzeichnen war.

Doc Morris musste dagegen im zweiten Quartal einen Umsatzrückgang im Rx-Geschäft um 3,7% in lokaler Währung hinnehmen. Grund dafür ist, dass viele Kunden von der bislang üblichen Einsendung ihrer Papierrezepte auf dem Postweg auf die elektronische Lösung umschwenkten. Der Anteil der eingereichten Papierrezepte am gesamten Rx-Geschäft verringerte sich nach den Angaben von 90% auf 20%, derweil der Umsatz mit elektronischen Rezepten im Vergleich zum Vorquartal um mehr als 50% wuchs.

Große Hoffnung

Doch auch wenn die nackten Umsatzzahlen der Schweizer enttäuschten, sind die Hoffnungen, die Analysten ganz grundsätzlich mit dem elektronischen Rezept verbinden, groß. Für Redcare Pharmacy sprechen in jüngsten Einschätzungen sechs von acht Analysten eine Kauf-Empfehlung aus. Einzig UBS senkt den Daumen. MWB Research empfiehlt, die Aktie zu halten. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 146 Euro, wobei sich die Spanne zwischen 86 Euro (UBS) und 190 Euro (Berenberg) bewegt.

Für Doc Morris ergibt sich ein ähnliches Bild. Auch hier steht sechs gehobenen Daumen eine Verkaufsempfehlung von UBS gegenüber. Das durchschnittliche Kursziel beläuft sich auf gut 85 sfr, die Bandbreite bewegt sich zwischen 29 sfr (UBS) und 125 sfr (Berenberg).

Break-even in Sicht

Mit aktuell 142 Euro ist bei Redcare Pharmacy allerdings schon viel Hoffnung eingepreist. Die Versandapotheke bringt stolze 2,8 Mrd. Euro auf die Börsenwaage. Basierend auf dem bereinigten operativen Ergebnis (bereinigtes Ebitda) aus dem Vorjahr von 53 Mill. Euro errechnet sich ein Multiple von 34. Zum Vergleich: Doc Morris hat die Gewinnschwelle auf Ebitda-Basis bis heute nicht erreicht und kalkuliert auch für 2024 mit operativ roten Zahlen auf Vorjahresniveau. Noch wichtiger ist allerdings, dass die Analysten dem MDax-Wert zutrauen, 2025 erstmals auch unter dem Strich schwarze Zahlen zu schreiben.

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