GASTBEITRAG

Das steckt hinter dem jüngsten Renditeanstieg

Börsen-Zeitung, 21.2.2018 Vor kurzem haben die zehnjährigen US-Staatsanleiherenditen ihr höchstes Niveau seit 2014 erreicht. Die Rendite des zweijährigen Pendants stieg auf den höchsten Wert seit 2008. Nicht wenige Anleger bewegt daher die Frage,...

Das steckt hinter dem jüngsten Renditeanstieg

Vor kurzem haben die zehnjährigen US-Staatsanleiherenditen ihr höchstes Niveau seit 2014 erreicht. Die Rendite des zweijährigen Pendants stieg auf den höchsten Wert seit 2008. Nicht wenige Anleger bewegt daher die Frage, ob sich hier das Ende des jahrzehntelangen Bullenmarktes im Anleihensegment oder sogar ein kompletter Zusammenbruch abzeichnet. Beides hätte weitreichende Konsequenzen. Der Preis von US-Treasuries – der “Mutter aller Vermögenswerte” – gilt vielen als wichtigster Kursanker im globalen Finanzsystem, der grundlegende Informationen über die Märkte und die Wirtschaft reflektiert. Eine Umkehrung des jahrzehntelangen Abwärtstrends bei den Zinsen wäre ein Regimewechsel für die Märkte und die Wirtschaft, die nach Einschätzung einiger Beobachter bereits süchtig nach immer weiter fallenden Zinsen geworden sind. Sind wir schon so weit? Frontlastige EffekteAuch wenn die Volatilität an den Anleihenmärkten weiter steigen dürfte, sehen wir in den jüngsten Marktentwicklungen keine Anzeichen für eine wesentliche Trendumkehr. Die Auswirkungen der “Trumponomics” sowie die kurzfristige Talsohle der Inflation könnte die Renditen von Staatsanleihen in den nächsten Monaten weiter anheben. Mittelfristig jedoch sehen wir das niedrige Renditeumfeld nicht in Gefahr. Letztendlich dürfte sich der Renditeanstieg durch die frontlastigen Effekte der US-Steuersenkung, die in den meisten Regionen immer noch hohen Schuldenniveaus, die demografische Entwicklung und ausbleibende nachhaltige Lohnanstiege in gewissem Maße selbst korrigieren. Um den Anstieg bei den Renditen der als Basisanlage geltenden Staatsanleihen genauer zu verstehen, lohnt zunächst der Blick auf die Hintergründe der Entwicklung. Trump Dreh- und AngelpunktWas können wir anhand der Mutter aller Vermögenswerte ablesen? Erstens: Trumponomics sind der Dreh- und Angelpunkt. Die US-Staatsanleihenrenditen haben eine bemerkenswerte Korrelation mit dem Auf und Ab von Trumps politischer Agenda bewiesen. Anders ausgedrückt waren die Steuersenkungen wesentlich für den Renditeanstieg verantwortlich. Zum einen, weil der Markt sich hiervon einen kurzfristigen Wachstumsschub erwartet und weitere Zinserhöhungen seitens der Fed nach den Steuersenkungen wahrscheinlicher werden. Aber natürlich auch, weil das US-Defizit infolge der Steuersenkungen steigt und damit das Angebot von Staatsanleihen zunimmt.Zweitens schielen alle auf die Inflation. Mit einiger Verzögerung im Verhältnis zu der zyklischen Wachstumsverbesserung der letzten Quartale scheint die US-Inflation erst einmal ihren Tiefpunkt erreicht zu haben. Ganz anders noch vor zwölf Monaten, als unser Inflationsmodell einen weiteren Rückgang der US-Kerninflation signalisierte und wir entsprechend auf Duration gesetzt hatten. Auch der jüngste Ölpreisanstieg – der natürlich in gewisser Weise mit den oben genannten Effekten korreliert ist – hat sehr wahrscheinlich Anleiheverkäufe verstärkt.Drittens haben die restriktiveren Tendenzen der Notenbanken den jüngsten Anstieg der Anleiherenditen ohne Zweifel ebenfalls angeheizt. Die neue geldpolitische Marschrichtung beruht nicht ausschließlich auf den oben genannten Punkten, aber sowohl die Steuersenkungen als auch eine zyklisch steigende Inflation geben der Fed Argumente für Zinserhöhungen. Die Wahrscheinlichkeit weiterer Straffungen nimmt also zu. Das gilt auch für andere Teile der Welt. So denkt die EZB über stärker straffungsorientiertes Erwartungsmanagement nach.In diesem Umfeld haben sich die Marktteilnehmer bei Staatsanleihen der Kernländer zunehmend negativ positioniert. Und tatsächlich könnten die genannten Faktoren die Zinsen auch in den nächsten Monaten weiter nach oben treiben. Die Inflation wird voraussichtlich noch etwas zulegen, auch wenn die Inflation der USA mittelfristig unter fallenden Mietkosten leiden dürfte. Angesichts der jüngsten Marktunruhen deutet aber einiges darauf hin, dass die Schmerzgrenze, was steigende Zinsen anbelangt, langsam erreicht ist und nur noch begrenzt Luft nach oben ist. Damit sind dem Zinsanstieg bei Staatsanleihen kurzfristig Grenzen gesteckt. Und längerfristig kann die Inflation nur nachhaltig steigen, wenn die Löhne wachsen. Selbst die sehr niedrigste Arbeitslosenquote seit dem Platzen der spekulativen Blase an den Technologiebörsen hat keine Lohninflation ausgelöst. So ist die Frage durchaus berechtigt: Wenn halt nicht jetzt, wann dann? Gehemmt wird das Lohnwachstum nicht zuletzt, weil die Babyboom-Generation noch einen großen Teil des US-Arbeitsmarktes stellt. Diese Gruppe bezieht hohe, aber relativ konstante Gehälter. Wenn diese Erwerbstätigen in den Ruhestand gegangen sind und die steileren Lohnkurven jüngere Leute dominieren, müsste die Inflation steigen. Allerdings ist das wohl eher eine längerfristige Entwicklung und dürfte die Inflation und die Zinsen in den nächsten sechs bis zwölf Monaten kaum tangieren. Anstieg reguliert sich selbstAm Anleihenmarkt teilen offenbar einige die Auffassung, dass der aktuelle Inflationsanstieg eher zyklisch als strukturell ist, denn anders als die kurzfristigen Inflationserwartungen bewegen sich die marktbasierten langfristigen Inflationserwartungen weniger. Das heißt der jetzige Anstieg der nominalen Renditen lässt die implizierten realen Renditen steigen – und die realen Renditen sind entscheidend für reales Wachstum. Der Anstieg der realen Renditen führt zu geldpolitischen Gegenbewegungen, die – wenn auch normalerweise zeitversetzt – wiederum das Wachstum verlangsamen. Infolgedessen sollte sich der Renditeanstieg zumindest in Teilen selbst regulieren – kurzfristig durch die jüngsten Schockwellen im Aktienbereich und langfristig durch eben diesen Regulierungsprozess. Die Wirtschaft kann angesichts der in den meisten Regionen hohen Schuldenniveaus einfach noch keine deutlich höheren Zinsen verkraften. Der Ausstieg der Fed aus der quantitativen Lockerung steht hierzu übrigens nicht im Widerspruch. Obwohl die Notenbank erste bilanzverkürzende Maßnahmen umgesetzt hat, sind die Laufzeitprämien auf längerfristige US-Instrumente gesunken. Anders als allgemein angenommen, haben die Zentralbanken die Preise von US-Staatsanleihen also offenbar doch nicht so sehr im Alleingang über niedrigere Laufzeitprämien nach oben katapultiert. Nach unserer Einschätzung sind die Laufzeitprämien niedrig, weil die Anleger das Risiko von Disinflation höher einschätzen als das Risiko einer hohen Inflation. Solange das so bleibt, verursacht ein Regimewechsel der Zentralbanken keine Katastrophe im Anleihensegment. Erst einmal wieder bergab Insgesamt erwarten wir nicht, dass für Staatsanleihen der Kernländer als Anlageklasse bald die Lichter ausgehen. Deutliche Schwächephasen sind zeitlich begrenzt und keine Umkehr der mehrjährigen Hausse. Trotz eventuell weiterer Zinsanstiege in den nächsten Monaten geht es vermutlich erst einmal wieder bergab – wahrscheinlich sogar bis hin zu einer US-Rezession -, bis sich ein nachhaltiger Aufwärtstrend etabliert.—-Witold Bahrke, Seniorstratege bei Nordea Asset Management