TECHNISCHE ANALYSE

Dax geht auf Entscheidung zu

Von Christian Henke *) Börsen-Zeitung, 26.11.2014 Das Börsenjahr 2014 hatte bislang einiges zu bieten. Vor allem an geopolitischen Krisen mangelte es wahrhaftig nicht. Auch von der Konjunkturseite gab es oft Störfeuer. Nach einem Höhenflug bis zum...

Dax geht auf Entscheidung zu

Von Christian Henke *)Das Börsenjahr 2014 hatte bislang einiges zu bieten. Vor allem an geopolitischen Krisen mangelte es wahrhaftig nicht. Auch von der Konjunkturseite gab es oft Störfeuer. Nach einem Höhenflug bis zum Sommer folgte im Anschluss eine rasante Talfahrt. Zeitweise zeigte sich der deutsche Leitindex technisch betrachtet angeschlagen. Zuletzt konnten die Bullen aber wieder die Oberhand gewinnen. Bullen und Bären streiten sich nun um einen wichtigen Widerstand. Oberhalb dieser Barriere könnte der Dax wieder in den fünfstelligen Kursbereich vorstoßen. Krisen gut verdautZuerst werfen wir einen Blick auf den Langfristchart auf Monatsbasis, dem sogenannten “Big Picture”. Ganz ohne Blessuren ging es nicht. Nach dem kurzzeitigen Sprung über die fünfstellige Indexmarke im Sommer fiel den Bären die aus dem Jahr 2011 stammende Aufwärtstrendlinie in die Hände. Dies war der erste Warnschuss für eine bevorstehende Korrektur. Im weiteren Verlauf musste sich die Unterseite der seit Oktober 2013 andauernden Seitwärtsphase bei 8 982 / 8 952 Punkten mehrmals einem Test unterziehen. Im Oktober dieses Jahres war der Abgabedruck letztendlich zu groß. Die Angebotsseite drückte die Nachfrageseite bis in den Preisbereich bei 8 350 Zählern zurück. Damit lag der deutsche Leitindex nicht mehr weit von der altbekannten Trendgerade bei 8 152 / 8 132 Punkten entfernt. Diese ehemalige Widerstandslinie, bestehend aus den damaligen Höchstständen der Jahre 2000 und 2007, stand dem Dax bis September 2013 im Weg. Wenngleich die Bullen im Oktober 2014 mit dem Rücken zur Wand standen, rettete sich das heimische Börsenbarometer fast im letzten Moment im besagten Monat über die Trendlinie bei 8 982 / 8 952 Zählern. Im Anschluss folgte eine beachtliche Aufholjagd. InitialzündungAber kommen wir nun zur aktuellen Situation des Dax. Infolge der zuletzt beobachteten starken Aufwärtsbewegung wurde nun die obere Begrenzung der trendlosen Marktphase bei 9 794 / 9 795 Punkten erreicht. Der seit Anfang Juli bestehende kurzfristige Abwärtstrend im Wochenchart konnte gen Norden verlassen werden, wenngleich bislang noch nicht signifikant. Damit es letztendlich weiter aufwärtsgeht, sollte vor allem die horizontale Trendlinie bei rund 9 800 Zählern überwunden werden. Dies wäre für den Dax ein wichtiger Schritt. Als Belohnung würde dann das im Sommer markierte Jahreshoch bei etwa 10 050 Punkten winken. Ein Schlusskurs oberhalb der genannten Rekordmarke käme einer Initialzündung gleich. Die bereits erwähnte unterschrittene Aufwärtstrendlinie bei aktuell 10 420 Zählern wäre das nächste Ziel der Bullen. Damit wäre aus technischer Sicht das Aufwärtspotenzial jedoch noch nicht ausgereizt. Aus der Höhe der genannten Schiebezone errechnet sich ein Kursziel von 10 600 Punkten. Anschließend könnte die psychologisch wichtige Marke bei 11 000 Zählern in den Fokus der Investoren geraten. Unter Berücksichtigung der letzten markanten Korrekturphase von Juli bis August dieses Jahres lässt sich nach der Fibonacci-Methode (Extensions) ein weiteres Etappenziel von 11 085 Punkten ableiten.Die genannten Zielmarken könnten im Fall einer Jahresendrally erreicht werden. Der Dax verfügt in den vergangenen Jahrzehnten über eine äußerst aussagekräftige Saisonalität. Gerade der Zeitraum von Oktober bis Jahresultimo konnte in den zurückliegenden dreißig Jahren überzeugen. Mit Ausnahme des Jahres 2008 hat der Dax zwischen 2004 und 2013 vom 1. Oktober bis Ende Dezember in 90 % der Fälle mitunter deutlich zulegen können. Äußerst interessant ist aber auch der Zeitraum vom 19. Dezember bis zum 6. Januar des Folgejahres. Diese Periode wird von den Marktakteuren auch gerne zum Einstieg genutzt. Indikatoren überzeugenRückendeckung erhalten die Bullen derzeit auch von den Indikatoren. Sehr wichtig war zuletzt die Zurückeroberung der gewichteten 200-Tage-Durchschnittslinie bei aktuell 9 429 Punkten. Vor allem aus dem Grund, dass die Glättungslinie nicht mehr fällt, sondern sogar wieder leicht steigt. Damit hat der Dax die mittelfristige Aufwärtsbewegung wieder aufgenommen. Aber auch die oft zu Unrecht als “Dinosaurier” verspotteten Indikatoren bzw. Oszillatoren wie der Moving Average Convergence/Divergence (MACD), das Momentum, der Relative-Stärke-Index (RSI) und der Williams %R signalisieren auf Monatsbasis weiter steigende Notierungen. Bei der Anwendung dieses Mixes sollten mindestens drei der vier genannten Indikatoren gültige Kaufsignale aufweisen. Diese liegen vor, wenn der MACD und das Momentum oberhalb der Nulllinie und RSI und Williams %R oberhalb der Marke von 50 notieren. In den vergangenen Monaten war eine Pattsituation zu beobachten. Zwischen August und Oktober lagen zwei Kauf- und zwei Verkaufssignale vor. Zurzeit sieht es nach vier von vier Einstiegssignalen aus. Ein Ende der im Sommer 2012 begonnenen Hausse ist momentan nicht in Sicht. In Anbetracht des hierzulande noch immer anhaltenden Anlagenotstands (Niedrigzinsphase) könnten deutsche Aktien gegenüber anderen Asset-Klassen weiterhin die Nummer 1 bleiben.—-*) Christian Henke ist Senior Market Analyst bei IG und Mitglied der Vereinigung Technischer Analysten (VTAD e.V.).