GASTBEITRAG

Dax im Höhenrausch

Börsen-Zeitung, 31.10.2017 In wenigen Wochen endet das Jahr 2017. Und in den gut zurückliegenden zehn Monaten gab es zahlreiche Ereignisse, die die Kurse an den internationalen Finanzmärkten beeinflusst haben. Die Wahlergebnisse in Deutschland,...

Dax im Höhenrausch

In wenigen Wochen endet das Jahr 2017. Und in den gut zurückliegenden zehn Monaten gab es zahlreiche Ereignisse, die die Kurse an den internationalen Finanzmärkten beeinflusst haben. Die Wahlergebnisse in Deutschland, Österreich, Frankreich und Großbritannien, mit den zum Teil starken Zugewinnen rechtspopulistischer und eurokritischer Parteien, Terrorangriffe in einigen Hauptstädten Europas, die Dieselaffäre hierzulande, die Krise in Nordkorea und jüngst das Bestreben der spanischen Region Katalonien auf eine Unabhängigkeit sorgten für Verunsicherung. Trotz der genannten Belastungsfaktoren kannte der deutsche Leitindex bislang überwiegend nur eine Richtung, nämlich die gen Norden. Im Augenblick weist der Dax ein Kursplus von mehr als 15 % auf. Wir nehmen dies zum Anlass, den hiesigen Aktienmarkt unter die charttechnische Lupe zu nehmen. Lupenreines Chart-BildAn dem Chartbild des Dax gibt es nichts zu bemängeln. In den zurückliegenden Wochen konnten einige wichtige und historische Widerstände aus dem Weg geräumt werden. Die erste Hürde, die übersprungen wurde, war das markante Zwischenhoch bei 12 390 Punkten von April 2015. Anschließend galt es, das nächste Rekordhoch bei 12 951 Zählern von Juni dieses Jahres hinter sich zu lassen. Aber auch diese Bastion fiel letztendlich in die Hände der Bullen. Zuvor kam es jedoch zu einer Korrektur. Vor allem der steigende exponentielle 40-Wochen-Durchschnitt konnte Schlimmeres verhindern. Aber auch die seit Ende Juni 2016 intakte Aufwärtstrendlinie musste rettend in das Kursgeschehen eingreifen. Anfang Oktober war es dann so weit. Die besagte Bestmarke bei 12 951 Punkten konnte überwunden werden. Das jüngste Highlight war der Sprung über die in den Medien oft genannte Marke bei 13 000 Zählern. Ein Bonbon bekamen die Anleger zuletzt von Mario Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank. Die EZB wird ab Januar kommenden Jahres wie erwartet die Anleihekäufe reduzieren, die durch den Verkauf der Wertpapiere resultierenden liquiden Mittel aber wieder in den Erwerb neuer Staatsanleihen investieren. Diese Ankündigung hat den Dax zuletzt auf ein neues Allzeithoch gehievt. Die Reise gen Norden könnte noch nicht zu Ende sein. Mit der altbekannten Fibonacci-Methode errechnet sich unter Berücksichtigung der letzten Korrekturphase von Anfang bis Ende August ein Kursziel von 13 620 Punkten. Anschließend wäre die nächste psychologische Marke bei 14 000 Zählern die Anlaufstelle. Saisonale RückendeckungDie derzeit freundliche Stimmung könnte durchaus noch andauern. Grund ist der saisonale Verlauf des deutschen Leitindex in den letzten drei Monaten des Jahres. Statistisch betrachtet konnten die heimischen Aktien aus der ersten Börsenliga in den vergangenen zwanzig Jahren in 90 % der Fälle mitunter deutlich zulegen. Insgesamt betrug das Plus im Schlussquartal 7,2 %. In den beiden Krisenjahren 2000 und 2008 mussten die Marktteilnehmer hierzulande ein durchschnittliches Minus von rund 14 % in Kauf nehmen. Das größte Plus fiel 1999 an. Der heimische Aktienmarkt konnte in dieser Zeit um mehr als 35 % an Wert gewinnen. Bislang kann durchaus von einer Herbst-Rally gesprochen werden. Der Dax weist im Oktober Kurssteigerungen von rund 3 % auf und liegt damit zurzeit deutlich über dem Durchschnitt von 0,78 % in den zurückliegenden Jahrzehnten. Der Mittelwert beträgt im November und Dezember 1,35 % bzw. 1,13 %.Freundlich geht es aber auch ins neue Börsenjahr. Zwischen Januar und März verzeichnete das Börsenbarometer in der Vergangenheit einen durchschnittlichen Zuwachs von 2,4 % (Median). Somit könnte die Party auf dem Frankfurter Handelsparkett auch in den ersten drei Monaten 2018 noch weitergehen.Trotz des bilderbuchartigen Wochencharts finden wir bei der Analyse des Dax ein Haar in der Suppe. Nach der jüngsten Rekordjagd ist der deutsche Leitindex überkauft. Der Relative-Stärke-Index (RSI), der Stochstic-Oszillator und die Bollinger-Bänder signalisieren auf den drei Zeitebenen Tages-, Wochen- und Monatschart Überhitzungserscheinungen. Das Problem hierbei ist jedoch, dass solche Extrembereiche nicht von jetzt auf gleich verlassen werden. Eine Korrektur kann durchaus Tage oder Wochen auf sich warten lassen. Allerdings bestünde für die Anleger in diesem Fall keine Notwendigkeit, die charttechnische Flinte überhastet ins Korn zu werfen. Der Dax verfügt über einige solide Unterstützungen. Zuerst sichern die “runde” Zahl bei 13 000 Punkten und das einstige Verlaufshoch bei 12 951 Zählern nach unten ab. Weitere Rückzugsgebiete sind die waagerechte Trendlinie bei 12 840 Punkten, das ehemalige Hoch aus dem Jahr 2015 bei 12 390 Zählern, der exponentielle 40-Wochen-Durchschnitt bei aktuell 12 272 Punkten und zu guter Letzt die seit Ende Juni des vergangenen Jahres vorherrschende Aufwärtstrendlinie bei momentan 12 254 Zählern. Eine Konsolidierung wäre aus technischer Sicht kein Problem. Der Dax würde dann lediglich Luft holen für die nächste Rekordjagd.—-Christian Henke, Senior Market Analyst bei IG und Mitglied der Vereinigung Technischer Analysten (VTAD e.V.)