TECHNISCHE ANALYSE

Dax im Schatten der Wall Street

Von Stephen Schneider *) Börsen-Zeitung, 15.3.2017 Nach dem markanten Anstieg im Dezember zeigte der Dax auch mit Beginn des neuen Jahres ansteigende zyklische Hochpunkte. Dabei ließ die Dynamik aber deutlich nach, denn nach einem Gewinn von rund 8...

Dax im Schatten der Wall Street

Von Stephen Schneider *)Nach dem markanten Anstieg im Dezember zeigte der Dax auch mit Beginn des neuen Jahres ansteigende zyklische Hochpunkte. Dabei ließ die Dynamik aber deutlich nach, denn nach einem Gewinn von rund 8 % im Dezember legte der Index nur gut 4 % seit Jahresultimo zu. Sicherlich ist eine solche Rendite dafür geeignet, die Mehrheit der Anleger zufriedenzustellen. Gemessen an der Euphorie, die sich nach der Trump-Wahl teilweise beobachten ließ, fiel sie aber zu gering aus. Diese auf den ersten Blick ernüchternde Feststellung relativiert sich dennoch bei einem Blick in die Vergangenheit: In der Historie wurden die ersten Wochen eines neuen Jahres oft durch nachgebende Kurse geprägt, die in 2017 aber ausblieben.Die Pessimisten bekamen jüngst trotz dieses zyklischen Rückenwinds keinen Zugriff auf den Markt; aktuell scheinen sich beide Lager lauernd gegenüberzustehen: Die Bullen sehen noch keine Gründe für Gewinnmitnahmen, und die Bären wollen sich nicht gegen die leicht aufwärtsgerichtete Tendenz des Marktes stellen. Sie und haben Angst auf dem falschen Fuß erwischt zu werden. Zu Recht, wie sich zuletzt zeigte, denn kleinere Verluste wurden in diesem Jahr dankbar aufgenommen, um sich zu engagieren. Die Konsequenz ist eine Kursstruktur, wie sie in den letzten Wochen zu beobachten war: Nachrichten sorgten für einen kurzen Anstieg der Kurse, anschließend erlahmte das Geschehen wieder, und die Marktteilnehmer warteten auf den nächsten Impuls. Die anstehenden Wahlen in den Niederlanden, die Fed-Entscheidung und auch der Hexensabbat am Freitag lähmen das Geschehen zusätzlich. Ausgebliebene KorrekturDennoch können Anleger mit der momentanen Entwicklung sehr zufrieden sein, denn das Ausbleiben des genannten, möglichen Rücksetzers ist leicht positiv für den weiteren Verlauf zu interpretieren. Dies gilt umso mehr, als dass die Indikatoren im Januar ein hohes Rückschlagsrisiko anzeigten. Wie erwähnt, wurden kleinste Rücksetzer jedoch sofort genutzt, um Positionen aufzubauen und den – vermutlich – strategischen Bedarf damit zu decken. Letztendlich hat der Dax damit eine Konsolidierung der zuvor erwirtschafteten Gewinne gezeigt, die auf hohem Niveau verblieb. In diesen Phasen spielen die zyklischen Indikatoren wie der Stochastik-Oszillator grundsätzlich eine untergeordnete Rolle. Erst voll ausgebildete Divergenzen, die derzeit noch nicht erkennbar sind, würden auf einen Rücksetzer deuten. Damit gilt unser Hauptaugenmerk der charttechnischen Betrachtung und dem dargestellten Trendkanal. Auf einem Blick wird hier sichtbar, dass sich der Kursverlauf seit mehreren Tagen am oberen Rand dieser Bandbreite bewegt, die zurzeit bei 12 200 Punkten rangiert. Ende des Monats trifft diese Linie auf das Allzeithoch von 12 390 Zählern und bildet dort einen signifikanten Kreuzwiderstand. Vermutlich werden diese Hürden Auswirkungen auf die Dax-Entwicklung haben, die Frage ist aber, wie nachhaltig diese Auswirkungen sein werden. Leicht überhitztFeststellen lässt sich zumindest, dass sich der Aktienmarkt in einer leicht überhitzten Phase befindet. Diese Überhitzung macht das Aus-bilden eines zwischenzeitlichen Hochpunkts wahrscheinlich, lässt aber die Frage offen, ob es sich nur um einen kurzen Rücksetzer handelt oder um eine mittelfristige Korrektur. Zudem ist das exakte Ende einer Übertreibungsphase aktuell nicht bestimmbar. Mit Blick auf das langfristige Geschehen spielt das Lesen der Stimmung eine große Rolle, denn solange Anleger Angst vor einer Schwäche haben und sich nicht vollends engagieren, wird der oben erwähnte strategische Bedarf nicht gedeckt. Eine Phase, in der die Kurse “mit Angst nach oben” gehen, ist also meist positiv zu interpretieren. Rücksetzer sind zwar jederzeit möglich, meist bleiben sie aber im Rahmen, stellen das “normale Atmen” des Marktes dar und gefährden den Aufwärtstrend nicht. Erst eine (zu) euphorische Stimmung würde eine nachhaltige Schwäche auslösen und dabei nochmals den Blick für den genannten Trendkanal schärfen: Solange die untere Gerade, die bei gut 11 000 Punkten verläuft, nicht gebrochen wird, bleibt das mittel- bis langfristige Bild intakt. Als kurzfristiger Schwächebeweis würde allerdings das Unterschreiten der Marke bei 11 700 Punkten dienen.Indizien für eine solche Bewegung lassen sich mehrfach finden. In erster Linie hilft hier der Blick auf die USA, denn der angesprochene, anstehende Rücksetzer im Dax wurde besonders durch kräftige Gewinne an der Wall Street vereitelt. Aktuell schwächeln S & P 500 und Nasdaq allerdings etwas, besonders der Tech-Index zeigt ein mögliches Ende der Anfang November gestarteten Aufwärtsbewegung an, in deren Rahmen er um etwa 17 % zulegte. Bei einem Rücksetzer bliebe vermutlich auch der Dax nicht verschont. Fraglich ist aber auch hier, ob es sich nur um eine kurze Schwäche handelt oder ob ein übergeordnetes Verkaufssignal generiert wird. Als Fazit lässt sich festhalten, dass sich das Marktgeschehen überhitzt präsentiert. Handlungsbedarf besteht aber erst, wenn ein eindeutiges Schwächesignal angezeigt wird, das momentan noch fehlt. Dax-Kurse unter 11 700 Punkten zeigen einen kurzfristigen Rücksetzer an, das langfristige Geschehen trübt sich aber erst ein, wenn der Trendkanal nach unten gebrochen wird.—-*) Stephen Schneider ist technischer Analyst bei der DZ Bank.