TECHNISCHE ANALYSE

Dax in der Range gefangen

Von Stefan Salomon *) Börsen-Zeitung, 5.2.2020 Liquidität ist bekanntlich ein scheues Reh. Unsicherheit an den Märkten wird in der Regel mit fallenden Kursen quittiert. Kaufzurückhaltung greift in Phasen der Unsicherheit um sich. So fiel der...

Dax in der Range gefangen

Von Stefan Salomon *)Liquidität ist bekanntlich ein scheues Reh. Unsicherheit an den Märkten wird in der Regel mit fallenden Kursen quittiert. Kaufzurückhaltung greift in Phasen der Unsicherheit um sich. So fiel der deutsche Leitindex, der Dax, in der vergangenen Woche deutlich im Zuge der Epidemie des Wuhan-Virus in China, da die wirtschaftlichen Auswirkungen der chinesischen Maßnahmen zur Eindämmung der Virus-Epidemie auf die globale Konjunktur nicht absehbar sind. Charttechnisch stand der Dax allerdings schon in den vorherigen zwei Wochen auf der Kippe. Denn nachdem erst zum Jahresanfang die bis dahin gültige Seitwärtsbewegung des Dax zwischen ca. 12 882 bis 13 425 Punkten mit einer langen weißen Wochenkerze knapp verlassen werden konnte, fehlten nachfolgend Anschlusskäufe.Die nach dem Ausbruch auftretenden zwei kleineren Wochenkerzen von Mitte bis Ende Januar dieses Jahres spiegelten eine abwartende Haltung der Marktteilnehmer wider. Der Auslöser der jüngsten Kursverluste, die Coronavirus-Epidemie, traf also auf einen Markt, der schon zuvor geprägt war von Kaufzurückhaltung und auch Unsicherheit auf hohem Niveau. Denn die abwartende Haltung, die sowohl der Doji als auch die zweite kleine Wochenkerze im Januar mit Docht und Lunte anzeigten, kann auch als Phase der Unsicherheit im kurzfristigen Bild interpretiert werden. Die Marktteilnehmer waren anscheinend nicht bereit, nach Ausbruch aus der Range und bei neuen Tops im Dax, kräftig zuzugreifen. Dieser Umstand ist durchaus relevant, lässt er doch auf Verkaufsneigung im Bereich zwischen ca. 13 400 bis 13 600 Punkten schließen. Kräftige UnterstützungszoneAuf der anderen Seite spiegeln die jüngsten Wochenkerzen seit Mitte November 2019 mit teils langen Lunten im Bereich zwischen ca. 13 100 bis 12 900 Punkten eine kräftige Unterstützungszone wider. Aus Sicht der Wochenkerzen gilt daher, dass Erholungen in den Bereich 13 400 bis 13 600 Punkten eher auf kurzfristige Verkaufssignale und Rücksetzer unter 13 100 bis maximal 12 900 Punkten wiederum auf Kaufsignale beobachtet werden sollten. Für den kurzfristig orientierten Anleger besteht somit die Chance, dass sich das klassische “Range Trading” seit Mitte November 2019 in den kommenden Wochen weiter fortsetzt. Für den eher längerfristig orientierten Anleger hingegen ist der Trendgedanke zusätzlich entscheidend. Da der Dax jedoch in der vergangenen Woche einen mittelfristigen, seit August 2019 bestehenden Aufwärtstrendkanal verlassen hat, wäre unter Chance-Risiko-Gesichtspunkten eher eine abwartende Haltung zu favorisieren. Im kurz- bis mittelfristigen Bild ist der Dax trendlos.Interessant ist wiederum, dass der Dax noch innerhalb eines breiten, seit Dezember 2018 bestehenden Aufwärtstrendkanals verläuft. Grundsätzlich besteht aus Sicht dieses langfristigen Trends zwar die Chance, an die Oberkante des Trendkanals heranzulaufen und somit ein Ziel von ca. 13 900 bis 14 000 Punkten vom aktuellen Bild zu erreichen. Doch je länger der Dax seitwärts läuft, desto größer wird auch das Aufwärtspotenzial, da die obere Begrenzung des Trendkanals kein nominales Kursziel darstellt. Würde der Dax zum Beispiel erst im April/Mai 2020 nach oben aus der gegenwärtigen Range ausbrechen, so würde sich ein Ziel von ca. 14 500 Punkten ableiten lassen. Als Fazit darf festgehalten werden: Kurz- bis mittelfristig ist mit einer anhaltenden Seitwärtsbewegung zu rechnen. Diese Interpretation stützen auch diverse Indikatoren, die noch Mitte November 2019 und Anfang 2020 eine leichte überkaufte Chartsituation darstellten, so auch der prozentuale Abstand des Dax-Close zur 200-Tage-Linie, die gegenwärtig bei 12 535 Punkten verläuft. Die leicht überkaufte Chartsituation wird in der Seitwärtsbewegung abgebaut. Rücksetzer dürften aus charttechnischer Sicht vorerst auf Kaufinteresse treffen. Ein Ausbruch über die jüngsten Tops und somit über 13 640 Punkten würde grundsätzlich als Kursziel die obere Begrenzung, die Rückkehrlinie des langfristigen Trendkanals als Kursziel offerieren. Ausbruchsbewegung möglich Unter Chance-Risiko-Aspekten bieten sich somit für den langfristigen Investor Rücksetzer in den Bereich 13 100 bis 12 900 Punkten als Chance, nach einer Seitwärtsbewegung des Dax in den kommenden Wochen, an einer Ausbruchbewegung nach oben zu partizipieren, die aus dem Gesamtbild der noch überwiegend weißen Wochenkerzen und einem intakten langfristigen Aufwärtstrend am wahrscheinlichsten ist.Eher negativ hingegen wären weitere schwarze Wochenkerzen sowie ein dynamischer Break der 12 900er-Marke mit Ziel 200-Tage-Linie. Gestützt wird diese Interpretation mit einem Blick auf die amerikanischen Indizes. Auch diese zeigten sich in den vergangenen Wochen mit teils überkauften Strukturen im Chart. Die jüngsten deutlichen Rücksetzer in Verbindung mit kräftigen Unterstützungen lassen eher eine kurz- bis mittelfristige Seitwärtsbewegung annehmen, in der die Rally der zurückliegenden Wochen sich abbaut und die Indikatoren – zum Beispiel ein hoher prozentualer Abstand von gleitenden Durchschnitten zum Nasdaq 100 – wieder ein Normalmaß annehmen.*) Stefan Salomon ist freiberuflicher Chartanalyst (www.candlestick.de).