TECHNISCHE ANALYSE

Dax in der Überhitzungszone

Von Stephen Schneider *) Börsen-Zeitung, 22.4.2015 Anfang der zurückliegenden Woche markierte der Dax ein neues historisches Hoch. Die Tatsache, dass er seine alten Höchstkurse von Mitte März nur mühsam übertreffen konnte, wurde dabei aber...

Dax in der Überhitzungszone

Von Stephen Schneider *)Anfang der zurückliegenden Woche markierte der Dax ein neues historisches Hoch. Die Tatsache, dass er seine alten Höchstkurse von Mitte März nur mühsam übertreffen konnte, wurde dabei aber ignoriert und tat der euphorischen Stimmung keinen Abbruch. Dabei hätte ein gezielter Blick auf den Chart bereits genügt, um einen markanten Dynamikverlust zu erkennen, denn schließlich benötigte das Aktienbarometer über drei Wochen für diesen Ausbruch. Erste Anzeichen einer Konsolidierung wurden damit sichtbar. Eine pessimistische Sichtweise wurde in den letzten Tagen im kurzfristigen Bild durch eine Divergenz im RSI unterstützt. So wurde das neue Hoch des Index durch den Oszillator nicht bestätigt.Problematisch war zudem auch, dass die Marktbreite fehlte. Die Mehrheit der im Dax notierten Titel waren bereits auf dem Rückzug, während der Index nur noch durch einige wenige, schwere Aktien getrieben wurde. Dieses Phänomen tritt nicht selten vor dem Ende einer mittelfristigen Trendbewegung auf und wird durch eine divergent fallende Kurve, die sogenannte A/D-Line begleitet. Die Dynamik, mit der das Aktienbarometer gegen Ende der letzten Woche fiel, überraschte dann aber doch und lässt die zuletzt registrierte Erholung in einem anderen Licht erscheinen: Vermutlich stellt sie nur eine Reaktion auf die zuvor generierten Verluste dar.Mit dem Beginn einer neuen, mehrwöchigen Aufwärtswelle rechnen wir daher nicht. Gleichzeitig dokumentieren die kräftigen Verluste der letzten Woche aber auch die Tatsache, dass Anleger auf dem falschen Fuß erwischt wurden und auf Verluste nicht vorbereitet waren. Die Unterstützung bei 11 600 Punkten konnte Schlimmeres noch verhindern, denn knapp oberhalb dieser Marke drehten die Kurse wieder nach oben. Kanal steht zur DispositionOb dieser Stützpunkt aber Bestand haben wird, ist zweifelhaft, denn auf Schlussbasis wurde ein neues zyklisches Verlaufstief markiert. Ein Verkaufsignal wird aber erst generiert, wenn diese Support-Marke nach unten gebrochen wird. Sollte der Dax bis zum Ende der Woche keine starken Verluste mehr zeigen, wird dieses Schicksal vermutlich auch auf Dauer nochmals abgewendet werden. Sollten die Bären das Heft in der zweiten Wochenhälfte aber wieder in die Hand bekommen, steht gleichzeitig der im Chart dargestellte Trendkanal zur Disposition, der seit Spätherbst des letzten Jahres Gültigkeit besitzt. Zurzeit rangiert die untere Gerade noch knapp unter der angesprochenen Unterstützung und bildet erst zu Beginn der nächsten Woche bei 11 600 Zählern eine Kreuzunterstützung und damit eine doppelte Absicherung. Wird diese Absicherung unterboten, hätte das daraus resultierende Verkaufsignal eine besondere Signifikanz.Hinzu kommen saisonale Einflüsse. Die alte Börsenweisheit “sell in May and go away” trifft zwar nicht immer zu, doch tatsächlich schnitt der Mai in der Vergangenheit lediglich zu 50 % negativ ab. Nach einem deutlichen Aufwärtstrend stellte er aber sehr oft eine günstige Gelegenheit dar, Kasse zu machen. Bei Betrachtung der Branchen zeigt sich dann auch eine wachsende Nachfrage bei den defensiven Werten. Zykliker – vor allem die, die deutliche Gewinne aufzuweisen haben, wie beispielsweise die Automobile – werden momentan hingegen verkauft und zeigen damit eine unterdurchschnittliche Entwicklung. Zuletzt konnten sogar die Versorger im relativen Vergleich wieder zulegen. Ein Blick auf das strategische Bild unterstützt die Bären momentan zusätzlich: Grundsätzlich ist der langfristige Trend, der im März 2009 startete, intakt. Überkaufter RSIProblematisch ist aber, dass die Kursstruktur ein fünfteiliges Muster zeigt. Noch ist nicht klar, ob dieses Muster abgeschlossen ist, nach den Regeln der Elliott-Wellen-Theorie folgt nach einer solchen Struktur aber eine Korrektur.Zudem lässt sich auch im Wochenchart ein Trendkanal konstruieren, dessen obere Begrenzung nahezu erreicht wurde. Diese Struktur impliziert nun zwar nicht eine direkte Kursumkehr, der Weg nach oben wird für den Dax aber schwerer. Hinzu kommt eine auch auf strategischer Basis überhitzte Marktsituation, die durch einen überkauften RSI im Monatschart angezeigt wird. Trotz all dieser Widrigkeiten bedarf es vermutlich eines Auslösers, der für eine Korrektur sorgt. Momentan bergen zwei Charts dieses Risikopotenzial in sich. Zum einen wurde der Dax seit Mai des letzten Jahres durch einen nachgebenden Euro unterstützt. Dieser scheint sich in Relation zum US-Dollar aber in einer Bodenbildungsphase zu befinden. Der Wechselkurs kann zwar nochmals unter das letzte Tief bei 1,04 Dollar fallen, mit Blick auf mehrere Monate gehen wir aber von anziehenden Kursen bis in einem Bereich von 1,11 bis 1,16 Dollar aus. Daneben scheint auch der Ölpreis der Marke Brent wieder zuzulegen. Ein Anstieg um 12 bis 14 Dollar pro Barrel vom aktuellen Niveau würde uns nicht überraschen.Fazit: Der weitere Weg nach oben scheint für den Dax zwar verbaut zu sein, definitive Verkaufsignale sind aber noch nicht erkennbar. Bis solche Signale generiert werden, gehen wir daher nur von einer oszillierenden Seitwärtsbewegung aus. Schwankungen von 10 % in der Spitze müssen dabei aber eingeplant werden.—-*) Stephen Schneider ist Analyst bei der WGZ Bank.