TECHNISCHE ANALYSE

Dax mit einem Alleinstellungsmerkmal

Von Stephen Schneider *) Börsen-Zeitung, 26.10.2016 Der Dax tendierte in den vergangenen Wochen nahezu seitwärts und zeigte dabei - auch wenn es paradox klingen mag - eine deutliche Stärke. Unter idealtypischen Aspekten hätte eine Kombination aus...

Dax mit einem Alleinstellungsmerkmal

Von Stephen Schneider *)Der Dax tendierte in den vergangenen Wochen nahezu seitwärts und zeigte dabei – auch wenn es paradox klingen mag – eine deutliche Stärke. Unter idealtypischen Aspekten hätte eine Kombination aus saisonalen und Elliott-technischen Einflüssen kurzfristig negativ auf den Index wirken müssen. Die Tatsache, dass die Notierungen jedoch lediglich seitwärts tendierten, lässt auf eine deutlich erhöhte, übergeordnete Nachfrage schließen. Eine mögliche Begründung für dieses Phänomen ist vermutlich in einer vorweggenommenen Jahresendrally zu finden. Der Blick der Anleger richtet sich jetzt auf die Entwicklung 2017 und lässt auf eine positive Erwartungshaltung schließen.Nachdem seit Mitte des Jahres einige wichtige Indizes in Euroland – besonders in Österreich, Spanien und Italien – deutlich zulegen konnten, scheint der Dax zudem einen gewissen Nachholbedarf zu besitzen. Dabei sollte die Entwicklung an den Börsen unserer europäischen Nachbarn allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die jeweiligen Indizes meist noch unter markanten Widerständen rangieren. Gleichzeitig konnten die langfristigen Abwärtstrends in den meisten Charts noch nicht übertroffen werden. Hier besitzt der Dax, dem ein solcher langfristiger Ausbruch Mitte des Jahres gelang, ein Alleinstellungsmerkmal, das allerdings auch der Konstruktion als Performanceindex geschuldet ist. Kurzfristig weiter freundlichAus dem genannten Nachholbedarf lässt sich kurzfristig jedoch ein positives Bild ableiten. Gleichzeitig steigen sowohl der RSI als auch der MACD weiter an und lassen damit weiteres Potenzial zu. Als letzte Bestätigung fehlt allerdings noch der signifikante Ausbruch über die Hürde bei etwa 10 800 Punkten, welche die obere Begrenzung der genannten Seitwärtsbewegung darstellte. Sollte diese Bestätigung in den kommenden Handelstagen nachgereicht werden, lassen sich zwei Kursziele berechnen: Ein möglicher Wendepunkt kann bei gut 11 100 Punkten konstruiert werden, doch auch das Erreichen von gut 11 400 ist durchaus möglich. Hier findet sich ein Widerstand, der durch ein zyklisches Hoch gegen Ende des letzten Jahres abgeleitet werden kann. Gleichzeitig lässt sich dieses Niveau aber auch durch den sog. “measured move” als Ziel berechnen. Wegen dieser Hinweise messen wir dem Erreichen der Marke eine etwas höhere Wahrscheinlichkeit zu.Ob diese kurzfristige Dynamik aber ausreichen wird, um den Dax nachhaltig positiv zu beeinflussen, ist fraglich. Der bereits genannte, aktuell noch freundliche Einfluss benachbarter Börsen dürfte in den kommenden Wochen wegen der jeweiligen angesprochenen intakten Abwärtstrends nachlassen. Aus Übersee ist auch keine Hilfestellung zu erwarten, denn der Dow Jones Index zeigt sich momentan wenig reagibel und konnte in den letzten Wochen trotz bester charttechnischer Chancen nicht zulegen. Das amerikanische Aktienbarometer rangiert vielmehr in Schlagdistanz zu einer wichtigen Unterstützung bei etwa 18 000 Punkten und offenbart damit eher Risiko als eine Chance. Übergeordnete Trendwenden gingen in der Vergangenheit zudem oftmals mit Divergenzen einher, bei denen der amerikanische Index bereits seit- oder leicht abwärts tendierte, während der Dax in einer Übertreibungsphase letztmalig deutlich anstieg. Ein zeitnaher Anstieg des Index über die im August ausgeprägten historischen Höchstkurse bei knapp 18 700 Punkten könnte die prekäre Konstellation entspannen. 11 400 Punkte möglichSicherlich reicht eine solche Divergenz zudem nicht aus, um dem Dax mit Blick auf das Geschehen zu Beginn des nächsten Jahres eine negative Entwicklung zu attestieren. Dennoch steuert auch die zyklische Betrachtung einen weiteren negativen Mosaikstein zu dem Gesamtbild bei: Mitte Dezember wird die im Februar gestartete Erholung – sofern sie dann noch intakt ist – ebenso lange andauern wie die vorangegangene Abwärtsbewegung, die im April 2015 startete. Somit muss ein sog. Zick-Zack befürchtet werden. In der Vergangenheit wurden die strengen Elliott-technischen Vorgaben, die eine zeitlich kürzere Erholung fordern, zumindest nicht immer erfüllt. Wird dieses Bild hingegen bestätigt, könnte der deutsche Leitindex nochmals für mehrere Monate auf Tauchstation gehen.Momentan besteht aber lediglich das Risiko einer solchen Entwicklung, so dass bis zu einer Bestätigung dieses Szenarios kein Handlungsbedarf besteht. Das aktuelle Stimmungsbild nährt allerdings unsere defensive Haltung. Die eingangs genannte hohe Nachfrage lässt auf einen mittel- bis langfristigen positiven Enthusiasmus schließen, den auch einschlägige Sentimentindikatoren bestätigen. Auch kurzfristig steigt das Stimmungsbild überdurchschnittlich an, zeigt aber noch keinen ausgeprägten und übersteigerten Optimismus. Dieser dürfte aber wiederum entstehen, wenn die erwarteten kurzfristigen Gewinne in den kommenden Wochen realisiert werden. Gute ChancenZusammenfassend lässt sich konstatieren, dass der Dax durchaus gute Chancen besitzt, in den kommenden Wochen bis etwa 11 400 Punkte anzuziehen. Aus heutiger Sicht steigen die Risiken eines deutlichen Rücksetzers anschließend allerdings signifikant an.—-*) Stephen Schneider ist technischer Analyst bei der DZ Bank.