TECHNISCHE ANALYSE

Dax noch ohne Befreiungsschlag

Von Stephen Schneider *) Börsen-Zeitung, 20.3.2019 Die US-Börse hat einen sehr guten Jahresbeginn gezeigt. Seit 1988 - dem Startjahr des Dax - gehört der Auftakt zu den besten, die der S&P 500 je gezeigt hat. Der Dax zog ebenfalls kräftig an, auch...

Dax noch ohne Befreiungsschlag

Von Stephen Schneider *)Die US-Börse hat einen sehr guten Jahresbeginn gezeigt. Seit 1988 – dem Startjahr des Dax – gehört der Auftakt zu den besten, die der S&P 500 je gezeigt hat. Der Dax zog ebenfalls kräftig an, auch wenn die Performance mit etwa 12 % im Vergleich mit demselben Zeitraum nicht auf den ganz vorderen Rängen zu finden ist. In den ersten Monaten 1996 und 1997 fiel das Plus etwas, 2012 und 2015 deutlich höher aus. In all diesen Jahren hatte der Index aber keinen mittelfristigen Tiefpunkt zum Jahresende gezeigt. Nach Wendepunkten zu anderen Zeiten im Kalenderjahr waren die Gegenbewegungen oft wesentlich dynamischer. Damit relativieren sich die bisherigen Gewinne. Für die weitere Prognose ist diese Feststellung zwar nicht richtungsweisend, sie zeigt aber auf, dass sich Anleger von dem glänzend scheinenden Start in diesem Jahr nicht blenden lassen sollten. Bislang sehen wir in der positiven Entwicklung der zurückliegenden Wochen damit immer noch eine Reaktion auf die 2018 generierten Verluste. Gleichzeitig stellt sich aber auch die Frage, ab wann die Wahrscheinlichkeit einer Erholung ab- und die eines neuen aufwärtsgerichteten Trends zunimmt.Eine Antwort lässt sich meist unter Beachtung zweier Prämissen – die Dauer und die Dynamik einer Bewegung – geben. So wäre die aktuelle Aufwärtsbewegung unter zyklischen Aspekten fast erschöpft, denn nach einer Faustformel dauern Gegenbewegungen – eine Korrektur nach einem starken Anstieg bzw. eine Erholung nach einer Baisse – etwa ein Drittel der vorangegangenen Tendenz an. Die zurückliegende Schwäche startete Anfang 2018 und endete am Jahresende. Eine idealtypische Erholung sollte also bis zum Ende des ersten Quartals andauern. Wir werden den Dax in den nächsten Wochen daher genau beobachten und auf einen Dynamikverlust prüfen. Gleichzeitig liegt in dieser Faustformel aber auch die Krux für sehr langfristig orientierte Anleger: Der (sehr) langfristige Aufwärtstrend dauerte von 2009 bis Ende 2017 an. Eine entsprechende Korrektur dieser Bewegung sollte sich also über mehr als zwei Jahre erstrecken. Die Schwäche in 2018 erscheint unter diesem Blickwinkel also als zu kurz und dürfte damit noch nicht beendet sein. Nach dieser Maxime müsste der Dax in diesem Jahr also nochmals neue Tiefstkurse zeigen, im besten Fall zumindest aber eine Konsolidierung in Form einer schwankenden Seitwärtsbewegung.Andere Indizien, die auf ein Ende der aktuellen Bewegung deuten, wäre das Übertreffen bestimmter neuralgischer Marken. Meist bestehen sie aus Widerständen, doch auch bestimmte Relationen – etwa die Fibonacci-Retracements – bilden oft wichtige Hürden. Mit Blick auf die genannten Widerstände fällt die Marke bei 11 800 Punkten (auf Schlusskursbasis) auf, an der sich der Dax aktuell befindet. Sie diente in der Vergangenheit mehrfach als Unterstützung und wird nach der Lehre der klassischen Charttechnik nun zum signifikanten Widerstand. Hinzu kommt, dass die 200-Tage-Linie auf diesem Niveau rangiert. Kombiniert mit dem angesprochenen Widerstand erscheint dieses Niveau also schwer überwindbar. Sollte den Bullen dennoch ein signifikanter Ausbruch gelingen, scheint der Weg für weitere Gewinne frei zu sein.In diesem Zusammenhang wollen wir auf die Tatsache aufmerksam machen, dass die 200 Tage-Linie in der Tat sehr oft als Widerstand fungiert. Nicht selten wird sie aber zwischenzeitlich übertroffen, bevor die Kurse wieder sinken. Insofern konzentrieren wir uns darüber hinaus auf die Marke bei 12 350 Zählern. Sie ist als Widerstand zwar weniger offensichtlich, gewinnt aber durch eine andere Sichtweise an Aussagekraft: Auf diesem Niveau waren im Jahr 2018 die meisten Schlusskurse zu finden. Die Scharmützel zwischen Bullen und Bären waren hier also besonders intensiv. Zusammen mit der möglichen Verletzung der 200-Tage-Linie besitzt die Marke damit eine besondere Signifikanz als möglicher Wendepunkt. Kurzfristiges PotenzialDaneben lassen sich in der Indikatorenstruktur weitere Indizien dafür finden, dass die zu Anfang des Jahres gestartete Bewegung noch nicht ganz zu Ende ist. So rangiert der Stochastik-Oszillator im überkauften Bereich und deutet damit eine Überhitzung an. Bislang bestätigen seine Linien aber noch jeden neuen Hochpunkt, den der Dax ausgeprägt hat. Vorboten einer zyklischen Wende sind aber meist die sogenannten Divergenzen. Dabei ziehen die Kurse nochmals letztmalig an, während der Indikator bereits die Richtung gewechselt hat. Wir vermuten zwar, solche Divergenzen bald sichten zu können, noch sind sie aber nicht erkennbar. Damit dürfte der Dax zumindest noch einen neuen Hochpunkt nach der nächsten (sehr kurzen) Verschnaufpause ausbilden. Dann droht eine abwärts gerichtete Welle. Diese Prognosen beziehen sich aber nur auf den kurzfristigen Zeitraum. Im darunter abgetragenen MACD, der das mittel- bis langfristige Geschehen abgreifen soll, fehlt uns wiederum das gegenteilige Bild: Die positiven Divergenzen, die auf ein Ende der langfristigen Baisse deuten. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass den Bullen noch kein Befreiungsschlag gelungen ist und wir dementsprechend weiterhin skeptisch bleiben. Schafft der Dax aber den signifikanten Sprung über den Bereich von 12 350 bis 12 400 Punkten, müssen wir eine – vermutlich positive – Neueinschätzung vornehmen.—-*) Stephen Schneider ist technischer Analyst bei der DZ Bank.