Dax noch ohne Signal für Trendwende
Von Christian Henke *)Über Wochen herrschte an der Frankfurter Präsenzbörse optimistische, man kann sogar sagen, euphorische Stimmung. Belastungsfaktoren hatten zuletzt keine Rolle gespielt. Doch plötzlich ist die gute Laune verflogen. Und erneut hat US-Präsident Donald Trump den Anlegern einen gehörigen Strich durch die Rechnung gemacht. Der Handelskonflikt zwischen den USA und China ist nun wieder ein zentrales Thema an den Finanzmärkten. Der Konflikt dauert nun schon über ein Jahr an, eine Lösung ist nicht absehbar. Ganz im Gegenteil. In den vergangenen Tagen wurde die nächste Eskalationsstufe erreicht. Mit negativen Folgen für den Dax. Charttechnisch betrachtet zeigt sich der deutsche Leitindex angeschlagen. Das Ende der jüngsten Korrektur ist noch nicht in trockenen Tüchern.Neuneinhalb Jahre hat der im März 2009 begonnene Aufwärtstrend gehalten. Mehrmals musste sich die genannte Chartmarke einem Test unterziehen. Und jedes Mal wurde dieser mit Bravour bestanden. Bis September 2018. Zu diesem Zeitpunkt schloss der Dax unterhalb des besagten Trends. Im Anschluss ging es für die deutschen Dividendenpapiere deutlich abwärts. Im katastrophalen Dezember des vergangenen Jahres war die psychologische Marke bei 10 000 Punkten greifbar nahe. Es bestand die Gefahr, in den vierstelligen Kursbereich zurückzufallen. Doch der deutsche Leitindex hat gen Norden gedreht. An Dynamik verlorenAnschließend konnte der Dax eine Aufholjagd starten. Doch diese hat zuletzt spürbar an Dynamik verloren. Spielverderber ist der eingangs erwähnte Handelsstreit. Im April konnte der seit Januar 2018 vorherrschende Aufwärtstrend zurückerobert werden. Zurzeit notiert der deutsche Leitindex jedoch darunter. Neben dem Allzeithoch von Januar wurde das Zwischenhoch von Mai berücksichtigt. Unter Zuhilfenahme des Hochs von Juni des gleichen Jahres liegt die äußere Abwärtstrendlinie bei aktuell 12 330 Zählern. Diese Hürde gilt es auf Monatsschlusskursbasis zu nehmen. Erst wenn dieses Unterfangen gelingt, könnte es weiter aufwärtsgehen. Bevor dann die “runde” Zahl bei 13 000 Punkten angesteuert wird, sollte die waagerechte Widerstandslinie bei 12 870 Zählern niedergerungen werden.Endet der Wonnemonat Mai dagegen im Minus und können die beschriebenen Abwärtstrends nicht niedergerungen werden, drohen Kursverluste bis zur Unterstützung bei rund 11 800 Punkten. Darunter müsste dann sogar mit einem erneuten Test der 10 000-Zähler-Marke gerechnet werden. Zuvor liegt im Langfristchart das markante Verlaufstief bei 10 279 Zählern von Dezember 2018.Ende April haben sich einige technische Indikatoren auf die Seite der Bullen geschlagen. Wir werfen einen Blick auf die Bollinger Bänder, den Envelopes, dem Parabolic SAR, dem Relative-Stärke-Index (RSI), dem Momentum, den gewichteten gleitenden Durchschnitten sowie dem alt bekannten Moving Average Convergence/Divergence (MACD). Die Mehrheit davon haben im April auf Monatsbasis neue Kaufsignale generiert. Im Big Picture sind die Bollinger Bänder zu sehen, die mit der Einstellung zwölf Monate und einer Standardabweichung als Trendfolgeindikator verwendet werden. Bei einem Schlusskurs oberhalb des oberen Bandes springt die mittelfristige Ampel auf Grün. Notiert der Dax unterhalb des unteren Bandes liegt entsprechend ein Verkaufssignal vor. Zuletzt hat sich das heimische Börsenbarometer dem oberen Band genähert. Dieses liegt zurzeit bei 12 433 Punkten. Gelingt bis Ende Mai der Sprung darüber, würde ein weiterer wichtiger Indikator ein neues Einstiegssignal liefern. Bei der Betrachtung der Bollinger Bänder mit den genannten Parametern konnte in den vergangenen sechsundzwanzig Jahren eine Trefferquote von 87 % erzielt werden. Noch keine TrendwendeDie 200-Tage-Linie gehört zum Rüstzeug eines jeden Anlegers. In den Medien findet der gleitende Durchschnitt zunehmend Beachtung. Die sogenannte Glättungslinie zeigt uns die grobe Marschrichtung an. Anfang April wurde die 200-Tage-Linie auf Schlusskursbasis überwunden. War dies nun das Signal für eine Trendwende? Die Antwort lautet: noch nicht. Die einfache Durchschnittslinie zeigt unverändert gen Süden. Die Gefahr, dass der Trendfolgeindikator den Dax in tiefere Kursregionen zieht, ist noch nicht gebannt. Aber auch bei einem Blick auf den gewichteten 200-Tage-Durchschnitt – hier werden die jüngsten Indexstände stärker gewichtet – besteht noch kein Grund, die Sektkorken knallen zu lassen. Zwar liegt der deutsche Leitindex deutlich über der gewichteten Glättungslinie, diese hat aber noch nicht signifikant gen Norden gedreht. Erst dann würde eine Trendumkehr vorliegen. Im VorwahljahrTreibstoff für die Finanzmärkte könnte die Tatsache sein, dass 2019 ein sogenanntes Vorwahljahr ist. Das Jahr vor der nächsten Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten ist zweigeteilt. In den ersten sechs Monaten legen die Notierungen deutlich zu, nicht nur an der Wall Street, sondern auch hierzulande. Anschließend kommt es dann zu einer Korrektur. Danach sind ab Oktober bis zum Jahresende wieder steigende Kurse zu beobachten.—-*) Christian Henke ist Senior Market Analyst bei IG.