ANSICHTSSACHE

Dax-Reform - viel Licht, ein wenig Schatten

Börsen-Zeitung, 4.11.2020 Modern, international, zukunftsgerichtet, investierbar, verlässlich, den deutschen Kapitalmarkt abbildend - all dies sind Eigenschaften, die den Leitindex Dax, wie die ganze Dax-Familie von MDax, SDax und TecDax auszeichnen...

Dax-Reform - viel Licht, ein wenig Schatten

Modern, international, zukunftsgerichtet, investierbar, verlässlich, den deutschen Kapitalmarkt abbildend – all dies sind Eigenschaften, die den Leitindex Dax, wie die ganze Dax-Familie von MDax, SDax und TecDax auszeichnen sollen. Um all diesen Ansprüchen auch zukünftig zu genügen, hat der Indexanbieter Stoxx, der Teil der Gruppe Deutsche Börse ist, eine breit angelegte Marktkonsultation zur Reform der Indexregeln durchgeführt. Diese geht heute zu Ende. Schon jetzt steht fest: Die Konsultation war transparent, die Entscheidungsträger beim Indexanbieter für Fragen und Belange der Marktteilnehmer offen und der Dialog intensiv. Sonderlocken abgeschnittenDoch was ist von den verschiedenen Vorschlägen, die konsultiert wurden, zu halten? Einige werden wesentlich dazu beitragen, dass das Regelwerk für internationale Investoren verständlicher wird. Deutsche Sonderlocken werden abgeschnitten. So sollen der Börsenumsatz und das Listing im Prime Standard für die Zugehörigkeit im Dax keine Rolle mehr spielen. Stattdessen soll – wie international üblich – eine Mindestliquidität als Voraussetzung für die Indexaufnahme eingeführt werden.Auch die Vorschläge, verschiedene Corporate-Governance-Aspekte zum Maßstab für die Indexzugehörigkeit zu machen, werden dazu beitragen, die ganze Dax-Familie stärker zu machen. Dazu gehört die Einführung von Veröffentlichungsfristen beim testierten Jahresabschlusses und bei Quartalsberichten beziehungsweise -mitteilungen. Werden diese Fristen nicht eingehalten, erfolgt der Ausschluss aus dem Index innerhalb von zwei Handelstagen. Prüfungsausschuss PflichtDarüber hinaus wird das Kriterium, dass der Aufsichtsrat von Indexmitgliedern einen Prüfungsausschuss besitzen muss, den Index stärken. Wird dieses Kriterium in das neue Regelwerk übernommen, muss allerdings die Umsetzung rechtsformneutral erfolgen. So darf die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) nicht benachteiligt werden, wenn dort aufgrund gesellschaftsrechtlicher Besonderheiten ein anderer Ausschuss die Aufgaben des Prüfungsausschusses übernimmt. Wird ein entsprechender Nachweis seitens der KGaA erbracht, muss das Aufnahmekriterium “Bestehen eines Prüfungsausschusses” als erfüllt gelten. ESG-Kriterien in ESG-Indizes!Problematisch ist hingegen der Vorschlag des Indexanbieters, dass Unternehmen künftig aus der Dax-Indexfamilie ausgeschlossen werden, die an der Herstellung oder Verbreitung von “Controversial Weapons” beteiligt sind. Unter diesen versteht man vor allem ABC-Waffen, Streumunition oder Personenminen. Doch was genau dazu zählt und was nicht, ist umstritten. Angesichts des fortschreitenden technologischen Wandels in der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie ist die Definition fließend. Auch stellt sich die Frage, warum Unternehmen, die diese Waffen im Rahmen der Verteidigungsstrategie von EU und Nato aufgrund von öffentlichen Aufträgen produzieren, von der Index-Mitgliedschaft ausgeschlossen sein sollen.Nicht überraschend ist deshalb, dass etablierte Indexanbieter wie CAC 40, FTSE 100, Nasdaq 100, S & P 500 kein entsprechendes Indexkriterium haben. Mit den “umstrittenen Waffen” würde ein deutscher Sonderweg eingeschlagen, der doch eigentlich vermieden werden soll. Stattdessen gehört dieses Kriterium in Indizes wie den Dax 50 ESG, bei dem explizit ökologische, soziale und Governance-Aspekte bei der Auswahl der Unternehmen beachtet werden. Als Aufnahmekriterium für die Dax-Familie ist es jedoch ungeeignet. Dialog notwendigBleibt die Gretchenfrage: Dax 30 oder Dax 40? Die mögliche Ausweitung des Dax von 30 auf 40 Unternehmen ist ein Vorschlag des Indexanbieters, der ebenso zentral für die geplante Reform ist, wie er kontrovers diskutiert wird. Die Argumente für einen Dax 40 sind bekannt. So ließe sich durch einen vielfältigeren, breiteren Index die deutsche Unternehmenslandschaft noch besser abbilden. Auch würde ein größerer Dax dem Vorbild anderer europäischer Leitindizes folgen, die sich aus einer größeren Zahl von Unternehmen zusammensetzen. So besteht der französische CAC aus 40, Großbritanniens FTSE aus 100, Italiens MIB aus 40 und der spanische Leitindex Ibex aus 35 Unternehmen. 30 oder 40?Allerdings ginge ein Dax 40 deutlich zu Lasten des MDax, der einen erheblichen Aderlass hinnehmen müsste. Mit dem Aufrücken der zehn größten Unternehmen verlöre er fast ein Drittel der gesamten (Free-Float-)Marktkapitalisierung und damit erheblich an Bedeutung. Daher muss eine Vergrößerung des Dax 30 zu einem Dax 40 in ein Gesamtkonzept eingebunden werden. Der MDax könnte deutlich vergrößert und damit der Schwund an Marktkapitalisierung zumindest zum Teil kompensiert werden. Alternativ könnte der Dax 40 von der Einführung eines breiteren Index à la FTSE 100 begleitet werden, was einer Aufwertung des HDax als Index der 100 größten deutschen Unternehmen entsprechen würde. Weiterer DiskussionsbedarfOb sich mit der Reform der Indexregeln all die angestrebten Eigenschaften der Dax-Familie vollständig realisieren lassen, hängt letztlich von ihrer finalen Ausgestaltung ab. Hier gibt es vor allem mit Blick auf die Größe des Dax und das Zusammenspiel der einzelnen Mitglieder der Dax-Familie noch Diskussionsbedarf. Der Dialog um die Frage nach der künftigen Ausgestaltung der Indexlandschaft muss daher weitergeführt werden. Dr. Christine Bortenlänger ist Geschäftsführende Vorständin des Deutschen Aktieninstituts. In dieser Rubrik veröffentlichen wir Kommentare von führenden Vertretern aus der Wirtschafts- und Finanzwelt, aus Politik und Wissenschaft.—-Von Christine BortenlängerDie Reformvorschläge für das Dax-Regelwerk tragen zu Transparenz und internationaler Akzeptanz bei. Manche Ideen bedürfen des weiteren Dialogs.