SERIE: DIE REFORM DER DAX-INDEXREGELN (3)

Dax-Reglement wird internationaler

Deutscher Sonderweg eines Börsenumsatzkriteriums für die Indexaufnahme wird aufgegeben

Dax-Reglement wird internationaler

Mit der von der Deutschen Börse vorgeschlagenen Novelle der Indexregeln für die Dax-Familie wird es eine stärkere Angleichung an international übliche Regelwerke geben. Dies gilt insbesondere für den Verzicht auf den Börsenumsatz als eines der Kriterien für Aufstieg und Verbleib in Dax, MDax und SDax.Von Dieter Kuckelkorn, FrankfurtDie Deutsche Börse strebt eine umfassende Reform des Regelwerks ihrer Dax-Indexfamilie an. Neben einer möglichen Erweiterung der Zahl der Mitglieder im Dax von 30 auf 40, der Zulassung aller Kandidaten aus dem regulierten Markt und nicht wie bisher nur aus dem Prime Standard sowie härteren Anforderungen an die Corporate Governance der Indexmitglieder ist eine weitere Änderung von zentraler Bedeutung: Die Deutsche Börse will das Kriterium des Ranges von Aufnahmekandidaten gemäß ihrem Börsenumsatz streichen, so dass es künftig nur noch auf das Kriterium der Marktkapitalisierung ankommen soll. Allerdings soll zusätzlich das Kriterium einer erforderlichen Mindestliquidität eingeführt werden. Die Konsultationsfrist für die Vorschläge läuft noch bis Mittwoch, 20 Uhr.Künftig soll das Kriterium der Mindestliquidität bei der vierteljährlichen Überprüfung der Indizes ausgewertet werden. Zur Bewertung werde die Umschlagshäufigkeit als Quotient aus dem Börsenumsatz der vergangenen zwölf Monate und der Free-Float-Marktkapitalisierung berechnet. Für die Aufnahme in den Index soll dann eine Umschlagshäufigkeit von 0,2 oder ein absoluter Umsatz der vergangenen zwölf Monate von 1 Mrd. Euro erforderlich sein. Zum Verbleib in einem Index soll künftig eine Umschlagshäufigkeit von 0,1 oder 800 Mill. Euro verlangt werden.Nach den aktuell noch gültigen Regeln wird beim Selektionskriterium des Börsenumsatzes auf das Orderbuchvolumen auf Xetra sowie an der Frankfurter Wertpapierbörse abgestellt. Dabei kommt es auf die Summe der täglichen Umsätze über eine Zeitspanne von zwölf Monaten an. Sollten für eine Aktie noch nicht die Daten für die gesamten zwölf Monate vorliegen, so werden die ersten 20 Handelstage nach Aufnahme der Notierung ignoriert und die restlichen vorhandenen Daten auf volle zwölf Monate interpoliert. Dies wird allerdings nur angewendet auf Unternehmen, für die bereits Daten zu 30 Handelstagen vorliegen, bei denen dann mindestens zehn Tage berücksichtigt werden können. Die Position, die eine Aktiengattung dann in der Rangliste der deutschen börsennotierten Unternehmen erreicht, wird dann in den jeweiligen Regeln für den Austausch von Aktien in den Dax-Indizes verwendet. Sektoren beim Euro StoxxMit den vorgeschlagenen Änderungen nähert sich die Deutsche Börse den international üblichen Standards an, wie es sie mit der Stoxx-Indexfamilie auch bereits im eigenen Haus der Deutsche-Börse-Indextochter Qontigo gibt. Beim Euro Stoxx 50 gibt es – neben beispielsweise Governance-Regeln – vor allem das Kriterium der Free-Float-Marktkapitalisierung, wobei die Ranglisten aber zunächst jeweils hinsichtlich 20 Supersektoren geführt werden. Damit soll sichergestellt werden, dass sämtliche Sektoren im Blue-Chip-Index für die Eurozone vertreten sind und dass es kein zu starkes Übergewicht einzelner Sektoren gibt, die zum Zeitpunkt der Indexüberprüfung ein besonderes Interesse der Investoren finden. Beim Dax ist eine Sektorengewichtung nicht möglich, weil es in Deutschland nicht genügend große börsennotierte Unternehmen gibt.Beim Euro Stoxx 50 gibt es wie künftig beim Dax auch ein Kriterium der Mindestliquidität, das aber ebenfalls so ausgestaltet ist, dass nur extreme Fälle sehr niedriger Liquidität im Handel betroffen sind, so dass es in der Praxis keine Rolle spielt. Beim Stoxx Europe 50 entspricht die Regelung derjenigen des Euro Stoxx 50.Während sich Regeln wie bei den großen Stoxx-Indizes oder bald wohl auch beim Dax als internationaler Standard durchgesetzt haben, wird am amerikanischen Aktienmarkt teilweise ein anderer Weg beschritten. Für den wichtigsten amerikanischen Benchmark-Index, den S&P 500, gibt es wie früher im Dax ein Indexkomitee, das anhand von Empfehlungen frei entscheidet, welche Unternehmen in den Index aufgenommen werden. So heißt es von Seiten der Betreibergesellschaft S&P Dow Jones Indexes, bei den Kandidaten für den Index soll es sich um US-Unternehmen handeln, die eine Marktkapitalisierung von mindestens 8,2 Mrd. Dollar haben sollen, hochliquide sind und bei denen mindestens 50 % der Aktien im Free Float sind. Darüber hinaus wird verlangt, dass das neueste Quartalsergebnis und die Summe der Ergebnisse der vergangenen vier Quartale positiv sind. Beim Dow Jones alles andersFür den Traditionsindex Dow Jones Industrial Average gibt es ebenfalls ein Indexkomitee, für das es nur Empfehlungen gibt, beispielsweise dass Indexkandidaten über eine exzellente Reputation und ein nachhaltiges Wachstum verfügen müssen und für eine große Zahl von Investoren von Interesse sein sollen.Beim britischen FTSE 100 stellt der Indexbetreiber FTSE Russell auf britische Unternehmen mit einer britischen Börsennotierung ab, die Premium Listed Equity Shares sind. In der Rangliste der Unternehmen wird allerdings nicht auf die Free-Float-Marktkapitalisierung abgestellt, sondern auf die gesamte Marktkapitalisierung. Gibt es mehrere Aktiengattungen, so werden diejenigen berücksichtigt, deren Marktkapitalisierung mindestens 20 % der Hauptaktiengattung ausmacht. Allerdings spielt der Free Float doch eine Rolle: Er muss mindestens 25 % der Marktkapitalisierung betragen.Die für den Dax vorgeschlagene Streichung des Kriteriums des Ranges hinsichtlich des Börsenumsatzes hat auf die aktuelle Besetzung keine Auswirkungen. Wie die Deutsche Börse mitteilt, erfüllen auf der aktuellen Rangliste börsennotierter Unternehmen mit den gegenwärtig 281 vertretenen Aktien 20 Unternehmen die Kriterien für eine Indexaufnahme – also eine Zwölf-Monats-Umschlagshäufigkeit von mindestens 0,2 und ein absoluter Monatsumsatz von mindestens 1 Mrd. Euro – nicht. Von diesen betroffenen Gesellschaften ist bislang keine in einem Auswahlindex vertreten. Die Kriterien bei der Überprüfung der Indexzugehörigkeit – also eine Umschlagshäufigkeit von mindestens 0,1 und wenigstens 800 Mill. Euro Börsenumsatz – erfüllen gegenwärtig acht Unternehmen der Rangliste nicht, von denen sich keines in einem Auswahlindex befindet.Interessant ist, dass für den Dax 30 laut einer Musterrechnung bei Aufgabe des Umsatzkriteriums die Rendite sinkt. So geht beispielsweise die Ein-Jahres-Rendite zumindest in der Rückrechnung von 6,3 % auf 3,4 % zurück. Für den betrachteten Gesamtzeitraum ab dem September 2015 ist der Unterschied aber mit 5,7 % gegenüber 6,1 % nicht so ausgeprägt. Gleichzeitig steigt die Ein-Jahres-Volatilität leicht von 31,9 % auf 32,5 %. Stärker gewichtet wären die Branchen Industrie und Software auf Kosten von Konsum, Pharma, Versicherern und Chemie. Bisher erschienen: Wirecard löst Indexreform aus (1) Aufstockung spaltet Gemüter (2)