TECHNISCHE ANALYSE

Dax steht noch vor der Bodenbildung

Von Stephen Schneider *) Börsen-Zeitung, 16.3.2016 Nach seinem Tiefpunkt Mitte Februar konnte der Dax - begleitet von teilweise deutlichen zwischenzeitlichen Tagesverlusten - Boden gutmachen. Die Tatsache, dass die Bären die dargebotenen Chancen...

Dax steht noch vor der Bodenbildung

Von Stephen Schneider *)Nach seinem Tiefpunkt Mitte Februar konnte der Dax – begleitet von teilweise deutlichen zwischenzeitlichen Tagesverlusten – Boden gutmachen. Die Tatsache, dass die Bären die dargebotenen Chancen während der Rücksetzer nicht nutzen konnten, sollte grundsätzlich als positives Zeichen gewertet werden. In der aktuellen Konstellation lassen sich auf den ersten Blick auch keine Hinweise finden, dass die Aufwärtsbewegung der letzten Wochen ein Ende findet. Es stellt sich aber die Frage, ob der deutsche Leitindex in diesem Jahr nochmals unter sein bisheriges Jahrestief bei etwa 8 700 Punkten fallen wird. Um diese Frage zu beantworten, muss der Dax in drei zeitliche Trendkomponenten untergliedert werden: kurzfristig (bis etwa vier Wochen), mittelfristig (zwischen vier Wochen bis sechs Monate) und langfristig (über sechs Monate). Langfristiger AbwärtstrendBei Betrachtung des langfristigen Bildes fällt auf, dass die Gewinne der letzten Wochen noch nicht ausreichen, um den etablierten, im April 2015 gestarteten Abwärtstrend zu beenden. Erst ein Anstieg über mehrere Monate und Notierungen deutlich über 10 800 Punkten würden das Bild wieder deutlich aufhellen. Mit Erreichen des bisherigen Jahrestiefs bei 8 700 Punkten im Februar wurde aber ein mögliches idealtypisches Kursziel erreicht. Dabei diente die sogenannte 38,2 %-Rückkehrmarke (Retracement) der vorangegangenen Aufwärtsbewegung vom September 2009 bis April 2015 als zumindest zwischenzeitliches Ziel. Dieses prozentuale Verhältnis, das auch außerhalb der Finanzwelt eine besondere Bedeutung als “goldener Schnitt” besitzt, diente in der Historie des Dax in vergleichbaren Konstellationen sehr oft als Boden.Problematisch ist, dass die Korrektur mit Blick auf das Indexniveau zwar beendet sein könnte, die zeitliche Komponente hier aber Zweifel aufkommen lässt. Unter idealtypischen Aspekten sollte die Korrekturphase mindestens bis Ende Mai anhalten. Auch eine spätere Wende im Herbst würde nicht überraschen. Daneben fehlt zur Komplettierung des idealtypischen Elliott-technischen Musters noch eine weitere, abwärts gerichtete Welle über mindestens vier Wochen.Unter mittelfristigen Aspekten dürfte es damit zu einer Pattsituation kommen, denn die Gewinne der letzten Wochen dürften in diesem Szenario bis Mai wieder eliminiert werden. Nach der erwarteten Abwärtswelle stehen aber vermutlich erneut Gewinne an, so dass mit Blick auf den Spätsommer mit einer stark oszillierenden, seitwärts gerichteten Tendenz zu rechnen ist. Kräftige Abweichungen von bis zu 15 % in der Spitze sollten nicht überraschen.Die Konstellation der Indikatoren unterstützt diese Prognose. So konnten die Linien des MACD (Moving Average Convergence/Divergence) zwar wieder anziehen, für eine langfristige Wende, die in einen neuen Aufwärtstrend gipfelt, vermissen wir aber noch die typischen positiven Divergenzen des Trendfolgers zum Kursverlauf. Kurzfristig positivDieses verhaltene Szenario könnte sich aber weiter aufhellen, wenn es den Bullen auch in den kommenden Sitzungen gelingen sollte, das Heft in der Hand zu behalten. Der Anstieg seit Februar ist für eine übliche, zwischenzeitliche Erholung bereits etwas zu lang. Mit Blick auf den am Freitag anstehenden Hexensabbat relativiert sich diese Bewegung. Sollten die Notierungen aber auch nach dem dreifachen Verfall weiter zulegen, deutet sich ein mittelfristiger Aufwärtstrend an. Das momentan gültige Szenario eines neuen Jahrestiefs würde dann vermutlich falsifiziert werden.Die Wahrscheinlichkeit für eine solche Bewegung halten wir momentan aber noch für gering, denn an den negativen Einflüssen der Intermarkt-Analyse hat sich noch nichts geändert. Hier fallen besonders die Börsen in Fernost negativ auf: Der chinesische CSI 300 verdaute den vorangegangenen Rückschlag im Rahmen einer Seitwärtsbewegung statt in einer Erholung. Meist deutet dies darauf hin, dass zumindest noch eine Abwärtswelle aussteht. Etwas freundlicher präsentiert sich zwar der Nikkei-Index, jedoch zeigt sich hier eine gefährliche Indikatorenkonstellation, die auf eine weitere Abwärtswelle deutet. Ähnliche Gefahren zeigen sich im Dow Jones Industrial, dessen Erholungspotenzial erschöpft ist und der in den nächsten Tagen in eine weitere Abwärtswelle einschwenken dürfte. Schwäche in EinzelwertenSchließlich lässt uns auch die Konstellation der meisten Einzelwerte skeptisch werden. In den meisten Charts deutet sich eine letzte Abwärtswelle an, die nochmals für Druck auf den Gesamtmarkt sorgen könnte. Gleichzeitig lässt sich aber eine bald anstehende Wende bei einigen Einzelwerten interpretieren, die über Jahre unterdurchschnittlich tendiert haben.Als Fazit lässt sich festhalten, dass die Wahrscheinlichkeit einer letzten Abwärtswelle sehr hoch ist. Gleichzeitig sollte der Dax nach dieser Schwäche aber einen übergeordneten Boden bilden können, der als Fundament eines langen und neuen Aufwärtstrends dienen könnte. Sollte der Blue-Chip-Index aber auch nach dem anstehenden Hexensabbat weiter anziehen können, hellt sich das Bild deutlich auf. Dann könnte die langfristige Wende bereits im Februar eingeleitet worden sein.—-*) Stephen Schneider ist technischer Analyst bei der WGZ Bank.