TECHNISCHE ANALYSE

Dax von starker Verunsicherung erfasst

Von Stefan Salomon *) Börsen-Zeitung, 1.6.2016 12 000 oder doch nur 10 000 Punkte im Dax zum Jahresende? Die Einschätzungen der Analysten in dieser Frage gehen weit auseinander. Und diese Unsicherheit über die weitere Entwicklung drückte sich in...

Dax von starker Verunsicherung erfasst

Von Stefan Salomon *)12 000 oder doch nur 10 000 Punkte im Dax zum Jahresende? Die Einschätzungen der Analysten in dieser Frage gehen weit auseinander. Und diese Unsicherheit über die weitere Entwicklung drückte sich in den vergangenen Wochen und Monaten im deutschen Leitindex mit schnellen Richtungswechseln seit Jahresanfang aus. So fiel der Dax zum Jahresauftakt aus einem langfristigen Aufwärtstrend heraus, der immerhin seit 2011 bestand, um im Februar sein bisheriges Jahrestief bei 8 699 Punkten zu generieren. Das bisherige Jahreshoch vom Januar bei 10 485 Punkten wurde zwar nochmals im April mit einem Hoch bei 10 474 Punkten in Angriff genommen, doch der Dax brachte hier nicht die Kraft auf, um nach oben durchzustarten. So pendelte der Markt hin und her und verläuft hierbei innerhalb eines seit April 2015 verlaufenden Abwärtstrendkanals. Klassische PattsituationDie vorherrschende Stimmung muss mit “hoffen und bangen” umschrieben werden. Die Unsicherheit der Marktteilnehmer über die weitere Richtung drückt auch sehr gut die April-Monatskerze der japanischen Charttechnik, den Candlesticks, aus. Im April bildete sich eine kleine weiße Monatskerze mit Docht und Lunte – eine klassische Pattsituation zwischen Bullen und Bären widerspiegelnd.Wie geht es nun aus charttechnischer Sicht für den Dax weiter? Eine klare Antwort oder eindeutige Richtungsprognose ist gegenwärtig nicht möglich. Denn eindeutige Formationen oder Indikatorenkonstellationen, die eine solche Richtungsprognose zulassen würden, sind nicht im Kursverlauf festzustellen. Entsprechend der Methodik der technischen Analyse gibt es einfach Marktphasen, die eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit für ein Szenario steigender oder fallender Kurse darbieten – und es gibt Marktphasen, die eher eine abwartende Haltung rechtfertigen. Derzeit ist aus der langfristigen Perspektive eine solche Marktphase vorhanden. Der Markt scheint nach oben gedeckelt und nach unten hingegen gut unterstützt. Kurzfristig besteht zwar aktuell die Chance, nochmals das Jahreshoch zu testen, um auch in Richtung des Abwärtstrends zu laufen. Denn die 200-Tage-Linie, die bei 10 106 Punkten notiert, wurde geknackt. Zudem konnte der Dax am 24. Mai aus einer mehrtägigen Range nach oben ausbrechen. Das hieraus ableitbare Kursziel darf mit 10 485 Punkten angegeben werden. Weiterhin positiv sind die ansteigenden Tiefs seit Februar 2016 zu verzeichnen und einige trendfolgende Indikatoren zeigen aufwärts. Ein klassischer Indikator, das Momentum, hätte noch “Platz nach oben”. Doch auf der anderen Seite zeigen sich die jüngsten Handelstage ohne ansteigendes Umsatzvolumen und die eher schwache Aufwärtsdynamik der vergangenen vier Handelstage lässt auf fehlende Anschlusskäufe schließen. Auf wackligen BeinenSomit steht die Erholung auf wackligen Beinen und ein Rücksetzer an die 200-Tage-Linie wäre einzuplanen. Zusätzlich wird die Kauflaune der Börsianer noch durch die anstehenden US-Arbeitsmarktdaten am Freitag, die bevorstehende Fed-Sitzung als auch das nahende britische EU-Referendum gedämpft. An Handlungsdirektiven ergeben sich aus dem Chartbild, vor allem der langfristigen Perspektive der Monatskerzen, die recht aussagekräftig die grundlegende Stimmung im Markt wiedergeben, folgende Anhaltspunkte: Die Monatskerzen zeigen ab einem Niveau von ca. 9 600 Punkten deutliche Kaufbereitschaft an. Ein deutlicher Rücksetzer in den kommenden Wochen dürfte daher ab ca. 9 600 Punkten bis 8 900 Punkte auf Unterstützung treffen. So wäre innerhalb dieser Zone auf mittel- und kurzfristige Kaufsignale zu achten. Eher negativ und einen solchen Rücksetzer anzeigend wäre ein Fall unter das gegenwärtige Mai-Monatstief bei 9 737 Punkten. Aus Sicht der Tageskerzen wäre hingegen schon ein Fall unter die 200-Tage-Linie per Tagesschlusskurs negativ, da dann die kurzfristig orientierten Anleger ihre Felle davonschwimmen sehen und gezwungen wären, Positionen glattzustellen. Eine erste Unterstützung bieten die Tageskerzen bei diesem Szenario bei ca. 9 940 Punkten. Im positiven Szenario eines Tests des Jahreshochs mit Break der 10 485 bestünde jedoch aus Sicht der Tageskerzen ein deutlicher Kreuzwiderstand im Bereich 10 740 Punkten. Da auch die langfristige Perspektive der Monatskerzen im Bereich 10 700 Punkten auf Verkaufsinteresse hinweist, wäre somit in diesem Bereich auf mittel- bis kurzfristige Verkaufssignale zu achten. Eine wider Erwarten deutliche Aufhellung ergibt sich aus charttechnischer Sicht im Dax erst bei einem gelungenen Break des Abwärtstrends und folgend auch eines Anstiegs über das Dezemberhoch 2015 bei 11 430 Punkten. Zwischenschritt zum RekordDie 12 000er-Marke wäre sodann ein Zwischenschritt auf dem Weg nach oben in Richtung des bisherigen Allzeithochs bei 12 390 Punkten. Da allerdings der Abwärtstrend noch intakt ist, darf auch ein Blick auf ein Worst-Case-Szenario nicht fehlen: Ein Rückgang unter 8 900 Punkte und folgend auch ein neues Jahrestief würden zu einem Test der runden 8 000er-Marke führen. Aus Sicht der Monatskerzen ein derzeit aber unwahrscheinliches Szenario.—-*) Stefan Salomon ist technischer Analyst bei wallstreet-online.de.