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Dem Bitcoin-Hype den Stecker ziehen

Börsen-Zeitung, 17.2.2018 Das hat Friedrich August von Hayek nicht verdient. Die Bitcoin-Zocker werden nicht müde, sich auf den Wirtschaftsnobelpreisträger als Kronzeugen für die Berechtigung und ökonomische Sinnhaftigkeit ihrer Kryptowährungen zu...

Dem Bitcoin-Hype den Stecker ziehen

Das hat Friedrich August von Hayek nicht verdient. Die Bitcoin-Zocker werden nicht müde, sich auf den Wirtschaftsnobelpreisträger als Kronzeugen für die Berechtigung und ökonomische Sinnhaftigkeit ihrer Kryptowährungen zu berufen, obwohl es gerade die Währungsblasen waren, die den liberalen Ökonomen zur Forderung nach Entstaatlichung der Währungen bewegt haben. Hayek ging es um die nutzenbringende Wettbewerbsordnung und die Abschaffung von Monopolen, wozu eben auch das staatliche Geldmonopol gehört. Denn Monopole, so Hayeks tiefe Überzeugung, schränken immer Freiheitsrechte ein, hier konkret die Konsumenten- und Produzentenfreiheit. Keine WährungHayeks Thesen zur Entnationalisierung der Geldes waren freilich geprägt von einer Wirtschaftswelt, in der freier Handel und insbesondere Kapitalverkehrsfreiheit die Ausnahme war und es für Konsumenten wie auch Produzenten kaum Alternativen zur nationalen staatlichen Währung gab. Hayek publizierte seine Forderung vom Wettbewerb privatwirtschaftlicher Währungen wenige Jahre nach dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems fester Wechselkurse. Heute dagegen würden wohl Hayeks Analyse und damit auch die Schlussfolgerungen anders ausfallen. Denn es gibt inzwischen sehr wohl einen intensiven Wettbewerb zwischen den großen international gebräuchlichen Währungen, wie er sich unter anderem in schwankenden Wechselkursen ausdrückt. Wer heute den Euro oder den Dollar wegen der ultraexpansiven Geldpolitik der jeweiligen Notenbanken für “schlechtes” Geld im Hayek’schen Sinne hält, kann zur Wertaufbewahrung jederzeit auf andere Währungen ausweichen, vom australischen Dollar über den chinesischen Yuan bis zum Schweizer Franken. Außerdem wird – anders als im Bretton-Woods-System – die Ausgabe “schlechten” Papiergeldes durch nationale Notenbanken von den Märkten umgehend abgestraft.Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die Anhänger der Kryptowährungen mit ihrer Berufung auf den liberalen Ökonomen Hayek nur ihre Zockerinteressen verbrämen wollen. Angesichts der Volatilität der Kryptogelder fehlt diesen Token jegliche Währungseigenschaft. Weder als Recheneinheit noch als Zahlungsmittel noch zur Wertaufbewahrung taugen Bitcoin & Co. Insofern brauchen die Notenbanker die Konkurrenz durch Kryptowährungen nicht zu fürchten. Und Risiken für die Finanzstabilität können sich allein aus den in Umlauf befindlichen 16,8 Millionen Bitcoins ohnehin nicht ergeben. Das daraus resultierende tägliche Bitcoin-Handelsvolumen ist ein Mückenschiss im Vergleich zum durchschnittlichen täglichen Devisenhandelsvolumen von mehr als 5 Bill. Dollar. Und selbst der gesamte Wert aller bisher geschürften Kryptowährungen von etwa 750 Mrd. Dollar, davon ein Drittel Bitcoin, ist für die Finanzstabilität so lange kein Risiko, solange nicht Banken oder andere Finanzinstitute in großem Stil ohne entsprechende Eigenkapitalunterlegung in dieser neuen Anlageklasse zocken. Der Erfolg der Kryptowährungen als neue hochspekulative Assetklasse lockt nicht nur jene, die mit ihren Investments auf den schnellen Dollar aus sind, sondern auch jene, die am Handel mit diesen Token und den Derivaten darauf verdienen wollen – und natürlich Cyberkriminelle jeglicher Art. Anleger deshalb vor solchen Investitionen zu warnen und auf die Möglichkeit des Totalverlustes hinzuweisen, wie es dieser Tage Bundesbankpräsident Jens Weidmann abermals getan hat (vgl. BZ vom 15. Februar), ist deshalb angebracht. Aber verbieten muss man solche Spekulationen ebenso wenig wie Casinobesuche oder Lotterien, wo sich der Staat als Betreiber dieser Zockereien ja mit dem Warnhinweis “Glücksspiel kann süchtig machen” begnügt.Die Propagandisten der Kryptowährungen und insbesondere des Bitcoin argumentieren mit der Stabilität durch Limitierung der “Geldmenge”. Der Algorithmus der Bitcoin-Software verhindere die Inflationierung. Das stimmt nur bedingt, denn auch in der Welt der Kryptowährungen gibt eine Art “Quantitative Easing”, wenn nämlich ein Großteil der Token-Schürfer dies möchte und dann einfach eine Änderung des Algorithmus und eine Abspaltung einer neuen Kryptowährung beispielsweise als “Bitcoin Cash” oder “Bitcoin Gold” erfolgt. Die Kehrseite der in dem Algorithmus festgelegten Limitierung ist der ständig steigende Rechenleistungsaufwand zum Schürfen neuer Bitcoins bei parallel fallender Entlohnung dafür. Dadurch ist die Bitcoin-Menge auf ungefähr 21 Millionen Stück begrenzt, die spätestens im Jahr 2040 erreicht werden. Vermutlich wird den Bitcoin-Schürfern beziehungsweise ihren Rechnerfarmen aber schon eher der Stecker gezogen, weil der Ertrag nicht mehr die Kosten deckt. Nach Berechnungen des Finanzwissenschaftlers Marcel Thum hat das Erzeugen der Bitcoins bis heute bereits Kosten von rund 5 Mrd. Dollar verursacht – ein absurd hoher Betrag, wenn man ihn mit den Kosten beispielsweise für den Druck von Banknoten vergleicht. Exorbitanter StromverbrauchVor allem die Stromkosten für die Rechnerfarmen haben dieser Tage für Schlagzeilen gesorgt. In Island, wo wegen der relativ günstigen Energiekosten viele Rechnerfarmen stehen, liegt der jährliche Stromverbrauch für diese Rechenzentren bereits über jenem der privaten Haushalte. Weltweit wird der Strombedarf fürs Schürfen von Kryptogeld mit dem Jahresstromverbrauch von Portugal verglichen, was der Leistung von drei durchschnittlichen Atomkraftwerken entspricht. Da die überwiegende Zahl der Rechnerfarmen für Kryptowährungen in China steht und dort vor allem subventionierten Strom aus Kohlekraftwerken verbraucht, sind den betriebswirtschaftlichen Kosten noch erhebliche ökologische Kosten hinzuzurechnen. Ist deshalb höchste Zeit, den Kryptogeld-Hype nicht nur unter währungspolitischen, börsentechnischen oder betriebswirtschaftlichen Aspekten zu betrachten, sondern vor allem unter gesellschaftspolitischen. —– c.doering@boersen-zeitung.de—-Von Claus DöringEs ist Zeit, den Kryptogeld-Hype nicht nur unter finanzwirtschaftlichen Aspekten zu sehen, sondern unter gesellschaftspolitischen.—-