TECHNISCHE ANALYSE

Dem Dax droht ein Domino-Effekt

Von Stephen Schneider *) Börsen-Zeitung, 18.6.2014 Die Bullen hatten in den letzten Wochen die Fäden weiterhin in der Hand und ließen den Dax seit Mitte April in der Spitze immerhin um fast 10 % anziehen. Bereits vorher waren aber positive...

Dem Dax droht ein Domino-Effekt

Von Stephen Schneider *)Die Bullen hatten in den letzten Wochen die Fäden weiterhin in der Hand und ließen den Dax seit Mitte April in der Spitze immerhin um fast 10 % anziehen. Bereits vorher waren aber positive Anzeichen zu erkennen, denn der Dax hatte in den ersten Monaten des Jahres ein eher seltenes Kursmuster gezeigt: Eine umgekehrte Kopf-Schulter-Formation als Bestätigungsformation für den übergeordneten Aufwärtstrend. Grundsätzlich lässt sich aus dieser Kursstruktur ein Ziel von etwa 10 600 Punkten ableiten. Bis zu einem gegenteiligen Signal bleibt diese Zielmarke weiterhin gültig. Positiv war zudem, dass sich der deutsche Index im Rahmen der Unsicherheiten über die Ukraine sehr robust präsentierte und kaum Schwäche zeigte. Folgerichtig entwickelte sich der genannte Trend, der wiederum innerhalb eines Kanals aufwärts tendiert. Die Grenzen dieser Bandbreite liegen aktuell bei knapp 9 750 und etwa 10 180 Punkten. Solange die Kurse innerhalb dieses Kanals verbleiben, besteht kein Handlungsbedarf.Negativ fällt nun aber das Geschehen in den letzten Tagen auf. Zunächst hatte der Dax eine kurze Schwäche gezeigt, die eigentlich unproblematisch erschien und das normale Atmen des Marktes widerspiegelte. Am letzten Freitag prägte der Index dann einen sogenannten Hammer aus, der sehr oft eine positive Wende einleitet. Die Chancen, die sich den Käufern nun boten, wurden aber bisher nicht genutzt. In der Regel deutet eine solche Konstellation auf vorhandenes übergeordnetes Abwärtspotenzial hin, das eine eigentlich anstehende kurzfristige Aufwärtswelle bereits im Keim erstickt.Damit wurde bisher nur ein Ausrufezeichen gesetzt, das die Bullen zur Vorsicht mahnt. Charttechnisch betrachtet wäre nun wichtig, dass der deutsche Index keine deutlichen Verluste mehr produziert. Das bisherige Geschehen in dieser Woche drückt aber eine andere Tendenz aus, und so gerät die im Chart dargestellte Unterstützung bei knapp 9 800 Punkten auf den Prüfstand. Wird sie durchbrochen, wird ein Ziel von etwa 9 550 Punkten wahrscheinlich. An sich eine unproblematische Bewegung, doch dann würde wiederum der Trendkanal nach unten verlassen. Schwächere Kurse, auch wenn sie zunächst nur das kurzfristige Geschehen beträfen, könnten also eine Art Kettenreaktion auslösen, denn der seit September 2009 gültige Aufwärtstrend steht momentan ohnehin auf wackeligen Füßen.Der im Chart dargestellte RSI (unterer Indikator) hat ohnehin bereits ein Verkaufssignal angezeigt, nachdem die Indikatorkurve die Gerade nach unten gebrochen hatte. Die Folge wäre eine etwa dreiwöchige und damit kurzfristige Schwäche. Der darüber abgetragene MACD, der das mittelfristige Geschehen abgreift, zeigt aber deutliche Divergenzen: Während die Dax-Kurse selbst ein neues Hoch ausprägen konnten, schaffen die Linien des Index den Sprung über die Niveaus vom Anfang des Jahres nicht. Diese Art Divergenzen verweisen oft auf Trendwenden. Hier liegt also ein weiterer Risikofaktor, auch wenn noch keine definitiven Verkaufssignale zu erkennen sind. Ähnliche Strukturen lassen sich in den Wochencharts und damit unter sehr langfristigen Charts finden. Hier deutet sich aber nur ein zwischenzeitlicher Rücksetzer an. Da sich diese wegen der übergeordneten Zyklik aber dennoch über mehrere Wochen oder sogar Monate erstrecken können, wird die Geduld der langfristigen Anleger auf eine harte Probe gestellt. Verluste bis in den Bereich von etwa 9 000 Punkten wären – sollte ein tatsächliches Verkaufssignal generiert werden – durchaus möglich. Danach müsste eine Neueinschätzung erfolgen. Ein weiterer Wermutstropfen findet sich in der saisonalen Betrachtung, denn die Sommermonate werden sehr oft durch eine uneinheitliche Bewegung oder sogar Gewinnmitnahmen geprägt. Verluste von 10 % bis 15 % waren in der Vergangenheit keine Seltenheit und gehören damit zu den üblichen Schwankungen. Gefahr eines KeilsHelfen könnte eventuell noch die amerikanische Börse, doch führt der Dow Jones Index momentan seinen eigenen Kampf gegen die Bären: Hier besteht die Gefahr eines sogenannten Keils. Fallen die Notierungen auf Schlusskursbasis signifikant unter die Marke von 16 580 Punkten, wird auch am amerikanischen Aktienmarkt ein Verkaufssignal generiert. Die Folge wäre zunächst ein Abrutschen bis etwa 16 300 Zähler, doch hegen wir wenig Hoffnung, dass dieses Unterstützungsniveau den einmal eingeschlagenen Abwärtstrend aufhalten kann. Das Ziel läge vielmehr im Bereich von 16 000 Punkten und – sollte auch diese Marke im Anschluss nicht halten – schließlich bei etwa 15 400 Zählern.Fazit: Der Dax befindet sich momentan in einer problematischen Konstellation, denn schon kleinere Verluste könnten eine Art Domino-Effekt einleiten, bei dem ein Verkaufssignal ein weiteres nach sich zieht. Grundsätzlich hilft dem deutschen Index nur ein dynamischer Anstieg weiter. Der am Freitag anstehende Hexensabbat kann zwischenzeitlich für Verwerfungen sorgen, die ignoriert werden können. Sollte der Dax zu Beginn nächster Woche aber unter 9 800 Punkten schließen, befürchten wir eine mehrwöchige, wenn nicht sogar mehrmonatige uneinheitliche Tendenz. Ob dabei überdurchschnittlicher Abgabedruck aufgebaut wird, der den Dax unter die Marke von 9 000 Punkten drücken wird, ist aber fraglich.—-*) Stephen Schneider ist Analyst bei der WGZ Bank.