Devisenwoche

Der Anfang vom (Zinserhöhungs-)Ende?

Nach Meinung von Thu Lan Nguyen von der Commerzbank dürfte beim Euro das Ende des Zinserhöhungszyklus erreicht sein. Auch andere Notenbanken dürften folgen.

Der Anfang vom (Zinserhöhungs-)Ende?

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Der Anfang vom (Zinserhöhungs-)Ende?

Von Thu Lan Nguyen*)

EZB-Präsidentin Christine Lagarde vermied es zwar, ein Ende des Zinserhöhungszyklus offiziell auszusprechen. Aber wirklich klarer hätte es wohl nicht im Kommuniqué der EZB zur Zinsentscheidung vergangenen Donnerstag stehen können: „Unter den derzeitigen Umständen haben die Leitzinsen ein Niveau erreicht, das – wenn dieses ausreichend lange beibehalten wird – wesentlich dazu beitragen wird, die Inflation in einer angemessenen Zeit auf den Zielwert zurückzuführen.“

Der Euro schwächte sich entsprechend nach der Zinsentscheidung ab, da die – für einige Marktteilnehmer doch überraschende – weitere Zinserhöhung durch das nun sehr wahrscheinliche Ende des Straffungszyklus überschattet wurde.

Und die EZB dürfte lediglich den Anfang gemacht haben. Es ist zu erwarten, dass die anderen „großen“ Notenbanken schon bald folgen werden. Denn ein rückläufiger Inflationstrend ist in quasi allen Industrieländern zu beobachten und damit der Druck, die Zinsen weiter zu erhöhen, deutlich gefallen. Zeitgleich machen sich die bisherigen geldpolitischen Straffungen zunehmend in der Realwirtschaft bemerkbar, allen voran im Bausektor. Zugegeben: Die US-Wirtschaft – wie gefühlt in allen Krisen bisher – zeigt sich nach wie vor überaus resilient. Aber auch hier dürfte die US-Notenbank den Mehrwert einer weiteren Zinserhöhung nun sehr genau abwiegen. Nicht zuletzt die Turbulenzen im Finanzsektor im Frühjahr haben gezeigt, dass die höheren Zinsen durchaus auch in den USA Gefahren mit sich bringen.

Vorsicht beim Euro

Das heißt, dass einerseits Vorsicht geboten ist mit Blick auf den aktuell schwachen Euro. Momentan mag die EZB als taubenhafter wahrgenommen werden. Diese Sicht könnte sich diese Woche sogar noch verstärken, sollten die anderen Notenbanken zunächst die Tür zu weiteren Zinsschritten noch offenhalten. Doch sobald klar ist, dass auch der Zinsgipfel in den USA oder auch im UK erreicht ist, könnte sich das Blatt wenden. Denn dann dürfte sich der Fokus sehr schnell darauf richten, für wie lange die Zinsen auf ihren hohen Niveaus gehalten werden. Angesichts der aggressiveren Vorgehensweise der Fed im Kampf gegen die Inflation ist gut vorstellbar, dass sich am Markt die Meinung durchsetzt, dass die Zinsen genauso schnell wieder fallen könnten, wie sie gestiegen waren, was wiederum dem Euro in die Karten spielen würde. Denn die EZB hatte nicht nur später als etwa die Fed damit begonnen, ihre Zinsen zu erhöhen, auch die Geschwindigkeit und damit das Ausmaß waren geringer.

Wer gewinnt?

Und andererseits stehen die Chancen gut, dass die vergangenen „Verlierer“ des weltweit zu beobachtenden Zinserhöhungszyklus in absehbarer Zeit ein Comeback sehen. Ganz vorne dabei dürften viele den japanischen Yen sehen. Denn die Bank von Japan war eine der wenigen großen Notenbanken, die ihre Zinsen – trotz auch merklich gestiegener Teuerung in Japan – nicht angehoben hatte. Sie hat in ihrer Juli-Sitzung zwar einen flexibleren Ansatz bei der Steuerung der Renditen angekündigt (bislang verfolgt sie ein Ziel von 0% auf japanische Staatsanleihen mit 10-jähriger Laufzeit mit einem strikten Toleranzband von /−0,5 Prozentpunkten), was manch einer als ersten Schritt in Richtung Normalisierung der Geldpolitik interpretiert haben mag. Aber die Maßnahme war letztlich zu obskur, um als Ausstieg aus der ultraexpansiven Geldpolitik verstanden zu werden, und war daher wohl auch nicht als solcher gedacht. Die Yen-Schwäche, die kurz darauf wieder einsetzte, ist Beleg dafür, dass die Mehrheit der Marktteilnehmer das ebenso sieht.

Es ist aber nicht vollkommen auszuschließen, dass die Bank von Japan als (sehr) später Nachzügler womöglich doch noch in absehbarer Zeit damit beginnen wird, ihre Geldpolitik zu straffen. Zwar wurden Spekulationen diesbezüglich jüngst durch die Bank von Japan entkräftet: Äußerungen des Notenbankgouverneurs, die Hoffnungen aufkommen ließen, dass gegen Ende des Jahres eine Anpassung der Geldpolitik erfolgen könnte, seien fehlinterpretiert worden. Doch letztlich dürfte es auf die Inflation ankommen. Und die hält sich – bereinigt um Lebensmittelpreise und Energie – vorerst noch hartnäckig bei etwas über 4%. Erfolgt ein erster Schritt in Richtung restriktiver Geldpolitik zu einer Zeit, wenn die anderen Notenbanken gerade ihre Zinserhöhungszyklen beendet haben und sogar Zinssenkungen bereits im Raum stehen, wäre das ein starkes Argument für die japanische Währung.

Aber es kann auch ganz anders kommen: Höhere Zinsen in Japan bergen immerhin Risiken für den hoch verschuldeten Staat. Steigen diese zu schnell, könnten Ängste vor einer finanziellen Schieflage aufkommen, woraufhin auch die Währung unter Druck geraten würde. Hält die Bank von Japan aber auf der anderen Seite an ihrer expansiven Geldpolitik zu lange fest und riskiert damit, dass die Inflation ausufert, könnte auch dies eine massive Abwertung der Währung nach sich ziehen. Kurz gesagt: Die Zukunft des Yen ist mit überaus hoher Unsicherheit behaftet.

Lässt sich also kein klarer Gewinner des Endes des weltweiten Zinserhöhungszyklus identifizieren? Nicht ganz, nur ist es keine Währung im klassischen Sinn.

Nachteil wird zum Vorteil

Die Rede ist von Gold. Gold unterscheidet sich vor allem in einem Punkt von Währungen: Während mit Blick auf die Notenbanken Unsicherheit darüber besteht, wer wann und in welchem Ausmaß eine mögliche Zinswende einleitet, stellt sich diese Frage bei Gold nicht. Der Zins auf Gold ist null und wird es auch immer sein. In Zeiten steigender Zinsen ist das ein großer Nachteil. Dies war im vergangenen Jahr eindrucksvoll zu sehen, als der Goldpreis (in Dollar je Feinunze) trotz steigender Inflation zeitweise um rund 20% nachgab. In Zeiten fallender Zinsen spielt diese Eigenschaft dem Edelmetall dagegen in die Karten. Dies ist umso mehr der Fall, sollte sich herausstellen, dass das Inflationsproblem mit den bisherigen Zinserhöhungen nicht gelöst ist. Gute Gründe hierfür lassen sich schnell finden: Deglobalisierung oder auch ein anhaltend hoher Lohndruck aufgrund eines demografisch bedingten Arbeitskräftemangels. Eine sich hartnäckig über den Notenbankzielen haltende Inflation in Kombination mit einer schwächelnden Konjunktur, die Zinssenkungen nach sich ziehen könnte, geben die perfekten Bedingungen für eine Goldpreisrally.

Lange Tradition

Das soll nicht über die grundsätzlichen Nachteile von Gold gegenüber klassischen Währungen hinwegtäuschen. Versuchen Sie zum Beispiel mal mit einem Goldbarren im Supermarkt zu bezahlen. Der Wert von Gold ist letztlich vor allem einer langen, langen Tradition geschuldet. Diese dürfte aber dafür sorgen, dass das Edelmetall auch noch auf lange Zeit eine attraktive Anlageform bleibt.

*) Thu Lan Nguyen ist Leiterin des Rohstoff-Researchs der Commerzbank AG.

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