Der Ausblick für Sterling hat sich deutlich aufgehellt
Devisenwoche
Der Ausblick für das Pfund hat sich deutlich aufgehellt
Von Dirk Chlench *)
Am Devisenmarkt ist Ruhe eingekehrt. Der Kurs des Euro bewegt sich seit Mitte Mai dieses Jahres in einem engen Band von 0,85 bis 0,87 Pfund Sterling. Vor gut einem Jahr sah die Lage gänzlich anders aus. Nachdem der Schatzkanzler der damaligen Truss-Regierung, Kwasi Kwarteng, am 23. September 2022 im britischen Unterhaus schuldenfinanzierte Steuersenkungen historischen Ausmaßes angekündigt hatte, fiel das Pfund Sterling gegenüber dem Greenback auf ein Allzeittief. Auch gegenüber dem Euro ließ das Pfund Sterling mächtig Federn. Der Euro notierte damals in der Spitze bei knapp 0,90 Pfund Sterling. Im Vereinigten Königreich hat sich seit diesen Währungsturbulenzen aber vieles zum Besseren gewendet.
Premierministerin Liz Truss trat nach nur 44 Tagen Amtszeit zurück. Die Nachfolgeregierung unter dem konservativen Premier Rishi Sunak ist nun auf eine verläßliche Staatsführung und Haushaltskonsolidierung bedacht. Die nächsten Wahlen zum britischen Unterhaus müssen bis Januar 2025 erfolgen. In den Umfragen liegt die Arbeiterpartei 17 Prozentpunkte vor den Konservativen. Es ist unwahrscheinlich, daß die Konservativen diesen Vorsprung noch aufholen können. Aber eine Labour-Regierung sollte nach dem Abgang des sich selbst als Sozialisten bezeichnenden Parteiführers Jeremy Corbyn kein Schreckgespenst für die Devisenmärkte mehr sein. Im Gegenteil: Die sogenannte Schatten-Schatzkanzlerin der Arbeiterpartei, Rachel Reeves, hat ein umfassendes Bekenntnis zur Haushaltsdisziplin abgelegt.
Defizit gesunken
Zudem hat sich das britische Leistungsbilanzdefizit im Saldo verringert, und zwar von 7,7% des BIP im ersten Quartal 2022 auf 3,7% des BIP im zweiten Quartal 2023. Wahrscheinlich wäre die Reaktion der Devisenmärkte auf die damaligen Steuersenkungspläne verhaltener ausgefallen, wäre das Defizit in der Leistungsbilanz schon damals geringer gewesen. Ferner ist durch die Einigung im Nordirland-Konflikt (Windsor-Abkommen) das Risiko eines Handelskrieges zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU vom Tisch. Die Arbeiterpartei dürfte im Fall ihres absehbaren Wahlsieges den Brexit zwar nicht umkehren, jedoch eine nähere Anbindung an die EU-Regularien vorantreiben.
Weniger abhängig
Die Sicherheit und die Kosten der Energieversorgung sind angesichts des Konflikts zwischen Russland und dem Westen zum bestimmenden Thema geworden ist. Hier kann das Vereinigte Königreich gegenüber der Europäischen Union (EU) punkten. Während im Jahr 2020 die Nettoimporte von Energie im Vereinigten Königreich 28% des Energieangebots ausmachten, beläuft sich die entsprechende Quote für die EU-Staaten auf rund 58%. Die Abhängigkeit des Vereinigten Königreiches von Energieimporten dürfte zukünftig noch geringer ausfallen, da die britischen Aufsichtsbehörden jüngst grünes Licht für die Erschließung eines großen Rohöl- und Gasfeldes in der Nordsee gegeben haben. Die unterschiedliche Versorgungslage zeigt sich auch in den Gaspreisen auf Großhandelsebene, diese sind im Vereinigten Königreich meist etwas niedriger als in Deutschland.
Die von vielen Auguren ausgerufene Rezession der britischen Wirtschaft ist zwar bislang ausgeblieben, jedoch kommt die Wirtschaftsleistung auf der Insel seit dem Frühjahr 2022 kaum vom Fleck. Im zweiten Quartal 2023 legte die britische Wirtschaft mit einer Rate von 0,2% gegenüber dem Vorquartal zu, nach einer Rate von 0,1% im ersten Quartal.
Leichter Rückgang
Für das dritte Quartal zeichnet sich sogar ein geringfügiger Rückgang der Wirtschaftsleistung ab. Aus dieser Entwicklung läßt sich jedoch keine Argumentation für eine Aufwertung des Euro gegenüber dem Pfund stricken, denn der Ausblick für den Euroraum ist nicht besser. Im dritten Quartal dürfte die Wirtschaftsleistung im Euroraum ebenfalls leicht zurückgehen. Nach unserer Prognose wird die britische Wirtschaft im Jahr 2024 mit einer Rate von 1% zulegen, was wiederum identisch ist mit unserer Vorhersage für den Euroraum. Eine Stütze erhält das Pfund Sterling aber durch die höheren Leitzinsen im Vereinigten Königreich. Die Bank of England (BoE) hat nämlich ihren Leitzins mittlerweile auf 5,25% heraufgeschleust. Die Londoner Währungshüter legten zwar im September eine Pause in ihrem Zinserhöhungskurs ein. Nach unserer Prognose wird die BoE jedoch im November ihren Leitzins um einen Viertelprozentpunkt auf 5,50% heraufsetzen. Die EZB hat ihren Einlagesatz indes in mehreren Schritten lediglich bis auf 4% gehievt. Damit ist nach unserer Einschätzung bereits das Ende der Fahnenstange erreicht.
Blick auf die Kaufkraft
In der Gesamtschau überwiegen somit die Argumente für eine Aufwertung des Pfund Sterling. Ein gewichtiges Argument wurde jedoch noch nicht genannt: Das Pfund Sterling ist nach unseren Berechnungen gemäß der Kaufkraftparität deutlich unterbewertet. Der „faire“ Kurs des Euro liegt bei 0,71 Pfund Sterling und damit rund 17 % niedriger als die tatsächliche Notierung. In der Vergangenheit folgte auf eine Diskrepanz dieses Ausmaßes eine Korrektur. Im Ergebnis erwarten wir eine Abwertung des Euro auf 0,82 Pfund Sterling per Mitte 2024.
*) Dirk Chlench ist Senior Economist bei der LBBW.
*) Dirk Chlench ist Senior Economist bei der LBBW.