TECHNISCHE ANALYSE

Der Dax hat kurzfristiges Potenzial

Von Stephen Schneider *) Börsen-Zeitung, 6.9.2017 Nach einer Seitwärtsphase von Anfang Mai bis Ende Juni gab der Dax deutlich ab. Der Index reagierte damit nahezu idealtypisch auf die zyklischen Vorgaben. Die Börsenweisheit "Sell in May and go...

Der Dax hat kurzfristiges Potenzial

Von Stephen Schneider *)Nach einer Seitwärtsphase von Anfang Mai bis Ende Juni gab der Dax deutlich ab. Der Index reagierte damit nahezu idealtypisch auf die zyklischen Vorgaben. Die Börsenweisheit “Sell in May and go away” dokumentiert als Faustformel das Ergebnis, das mittels empirischer Untersuchungen erreicht wird: Die Sommermonate werden oft durch Verluste oder zumindest durch einen deutlichen Dynamikverlust geprägt. Diese Untersuchungen zeigen aber auch an, dass die Kurse anschließend bis Jahresende in der Regel wieder anziehen oder zumindest seitwärts tendieren. In den letzten 30 Jahren zeigte der Dax nur dreimal deutliche Verluste beim Vergleich des Jahresultimos mit dem 1. September. Hinzu kommen zwei Jahre, in denen die Kurse nur knapp im Minus notierten. Dabei entstehen jeden Herbst wieder neue Diskussionen, ob es in diesem Jahr anders sein könnte.Auch aktuell dürften diese Diskussionen aufkommen, denn der mittelfristig aufwärts gerichtete Trendkanal, der im Sommer 2016 startete, wurde gebrochen. Unserer Ansicht nach wurde das Abwärtsrisiko, das sich durch diesen Bruch ableiten ließ, aber bereits ausgeschöpft. Diese Meinung scheinen auch andere Marktteilnehmer zu vertreten, denn die Marke von 12 000 Punkten bleibt umkämpft. Hinzu kommt, dass die 200-Tage-Linie aktuell an dieser Marke rangiert und damit eine stützende Wirkung entfaltet. Trotz der aktuellen Unsicherheiten um Nordkorea scheinen die Bullen nicht gewillt zu sein, weiteres Terrain herzugeben. Wenn aber eigentlich belastende Nachrichten nicht ausreichen, den Dax weiter zu drücken, lässt sich eine signifikante Kaufbereitschaft der Anleger interpretieren.Der im Chart notierte eher kurze und abwärts gerichtete Trendkanal dürfte damit bald seine Wirkung auf die Kurse verlieren. Mit einem Ausbruch nach oben aus dieser schmalen, nur 4 % betragenden Bandbreite ließe sich auf eine aufwärts gerichtete Bewegung schließen, die mehrere Wochen oder so-gar Monate anhalten könnte. Mit Blick auf diese zyklische Entwicklung fällt zudem der Stochastik-Oszillator positiv auf. Dieser Indikator, der die Schwankungen aufgreift und prognostiziert, rangiert im unteren Bereich und zeigt damit eine sogenannte überverkaufte Konstellation an. Zudem prägt er zurzeit eine positive Divergenz aus. Im Rahmen einer solchen Divergenz fallen die Kurse noch ab, während die Indikatorlinien bereits ansteigen. Meist folgen diesen Divergenzen dynamische Bewegungen über mehrere Wochen. In der Summe lässt sich somit konstatieren, dass die Voraussetzungen für die Bullen bis zum Jahresende recht gut sind. Sollte sich die politische Lage nicht mehr dramatisch zuspitzen, rechnen wir mit einem zeitnahen Ausbruch aus dem mittelfristigen Trendkanal nach oben. Mit Hilfe der Fibonacci-Projektionen lässt sich als nächstes Ziel die Marke von etwa 13 200 Punkten bestimmen. Damit stünden, gemessen vom aktuellen Niveau, nochmals Gewinne von etwa 10 % an.Wo Licht ist, ist bekanntlich aber auch Schatten, und dieser Schatten wird bei einem Blick auf das übergeordnete Geschehen deutlich. So kann der Rücksetzer der letzten Wochen als eine Art Warnsignal für die Bullen interpretiert werden. So lassen sich z. B. auch im Wochenchart Ansätze zu Divergenzen der Indikatoren erkennen. Sollten die Kurse tatsächlich nochmals anziehen und ein neues Allzeithoch markieren, würden sie vollendet werden, denn die Indikatorlinien fallen bereits deutlich ab. Lediglich eine außergewöhnlich dynamische Entwicklung könnte diese Divergenzen noch verhindern. Eine solche Bewegung ist zwar nicht unmöglich, wird aber unwahrscheinlicher, je länger der Trend intakt ist. Mit Blick auf das langfristige Geschehen ist der Aufwärtstrend des Dax nun seit 2009, zumindest aber seit 2011 intakt. Diese Konstellation macht eine längere Korrektur zwar nicht zwingend, das Risiko eines deutlichen Rücksetzers steigt aber weiter an. Hinzu kommt die Konstellation in Verbindung mit der 200-Tage-Linie. Nicht selten fungiert der gleitende Durchschnitt am Ende von Hausse-Bewegungen zunächst als Stützpunkt, wird aber – nachdem die Kurse zunächst nach oben abgeprallt sind – in einem zweiten Anlauf der Bullen nach unten durchbrochen. Schwieriges UmfeldAuch andere Indikationen deuten auf ein zukünftig schwieriges Umfeld hin. So dürfte der langfristige Abwärtstrend der Euro-Dollar-Relation ein Ende gefunden haben. Aktuell lässt sich hier zwar eine überhitzte Konstellation feststellen, so dass der Wechselkurs nochmals etwas nachgeben kann, mit Blick auf mehrere Monate deutet sich unter Elliott-technischen Aspekten aber ein Ziel von 1,25 Dollar an. Daneben verweist die Zyklik auf ein Ende der mehrjährigen Hausse-Phase an den US-Aktienmärkten. In Verbindung mit den saisonalen Vorgaben lassen sich für diese Trendenden zwei Zeiträume bestimmen: Im ungünstigen Fall drehen die Notierungen Mitte Januar Richtung Süden. Sollten die Aktienmärkte diesen Zeitraum unbeschadet überstehen, wird die Lage im März nochmals kritisch.Als Fazit lässt sich festhalten, dass der Dax vermutlich nochmals bis zum Jahresende oder sogar bis zum Frühjahr zulegen kann. Neue historische Höchstkurse würden uns im Rahmen dieser Bewegung nicht überraschen. Aus heutiger Sicht rechnen wir anschließend allerdings mit dem Beginn einer übergeordneten und damit längeren Korrektur.—-*) Stephen Schneider ist technischer Analyst bei der DZ Bank.