TECHNISCHE ANALYSE

Der Dax leidet am Coronavirus

Von Christian Henke *) Börsen-Zeitung, 1.4.2020 Im Februar dieses Jahres war die Welt für die Anleger noch in Ordnung. Der deutsche Leitindex hatte am 11. des Monats das historische Allzeithoch aus dem Jahr 2018 bei rund 13 600 Punkten endlich...

Der Dax leidet am Coronavirus

Von Christian Henke *)Im Februar dieses Jahres war die Welt für die Anleger noch in Ordnung. Der deutsche Leitindex hatte am 11. des Monats das historische Allzeithoch aus dem Jahr 2018 bei rund 13 600 Punkten endlich überwunden. Eine Woche darauf konnte mit annähernd 13 800 Zählern die nächste Bestmarke aufgestellt werden. Und dann kam Covid-19. Das Coronavirus hatte sich von China nach Europa ausgebreitet und für Angst und Schrecken, nicht nur unter den Börsianern, gesorgt. Die anfänglichen Kursverluste wurden immer dramatischer. Es folgte eine Reihe von “schwarzen” Börsentagen. Für den Bürger bedeutete und bedeutet die Pandemie erhebliche Einschränkungen. Die Marktteilnehmer sorgen sich über den Zustand der Weltwirtschaft. Viele Konzerne hierzulande haben bereits ihre Produktion eingestellt und die Werkstore geschlossen. Vielerorts sind einfache Dinge des Lebens, wie beispielsweise Toilettenpapier oder Nudeln, kaum bzw. nicht mehr erhältlich. Ein bedrohliches Szenario, auch für die in den vergangenen Jahren verwöhnten Anleger. Innerhalb kürzester Zeit schmolzen die Kursgewinne dahin. SchadensbegrenzungIm Februar hatte es noch nach einer Fortsetzung der Kletterpartie ausgesehen. Charttechnisch und statistisch betrachtet hätte der Dax durchaus bis in die Kursregion um 15 000 Zähler vordringen können. Dies ist nun erst einmal vorbei. Im Augenblick sind die Marktteilnehmer um Schadensbegrenzung bemüht. Wenngleich in einigen Ländern das Virus auf dem Rückzug ist, bekommen die USA die Pandemie nun mit voller Kraft zu spüren. Die ökonomischen Spätfolgen könnten die Finanzmärkte erneut hart treffen. Ein Fünkchen HoffnungDer Monat März dürfte mit seinen katastrophalen Kursverlusten nicht so schnell vergessen werden. Innerhalb kürzester Zeit wurde der mittelfristige Aufwärtstrend pulverisiert. Dennoch besteht trotz der Ungewissheit hinsichtlich der weiteren Entwicklung der Pandemie ein Fünkchen Hoffnung. Dieses ist im Big Picture des Dax zu finden. Es dürfte nicht allzu sehr überraschen, dass der deutsche Leitindex nach dem jüngsten Kursdesaster auf Monatsbasis überverkauft ist. Im Langfristchart ist der Relative-Stärke-Index (RSI) mit der Einstellung sechs Monate dargestellt. In den zurückliegenden Jahren konnte der Dax, nachdem der RSI die überverkaufte Zone nach oben verlassen hat, eine kräftige Gegenbewegung starten. Das könnte auch diesmal der Fall sein. Der Extrembereich sollte hierfür jedoch nach oben verlassen werden. Unterstützungen überranntCharttechnisch wurden im März einige Unterstützungen überrannt. Dazu gehört auch das Zwischentief bei 10 174 Punkten von Anfang Dezember 2018. Allerdings leisten drei Chartmarken den Bären Widerstand. Die beiden Tiefs bei 8 696 bzw. 8 352 Zählern von Februar 2016 und Oktober 2014 mussten sich zuletzt bereits einem Test unterziehen. Dieser wurde mit Bravour bestanden. Eine weitere charttechnische Verteidigungslinie ist das 50,0-%-Fibonacci-Level bei 8 682 Punkten. Hierbei wurde der starke Aufwärtstrend von März 2009 bis zum jüngsten Rekordhoch von Februar dieses Jahres berücksichtigt. Kurzfristige ErholungEbenfalls auf der Habenseite, wenngleich nur aus kurzfristiger Sicht, steht die aktuelle Marktbreite. Gemessen wurde diese mit der exponentiellen Durchschnittslinie und den Oszillatoren Momentum und Relative-Stärke-Index (RSI), allesamt auf Basis der vergangenen fünf Handelstage. Die Mehrheit der Dax-Aktien liegt momentan über der genannten Glättungslinie und beim Momentum und RSI oberhalb der Nulllinie bzw. der Marke bei 50. Dies signalisiert eine Erholung. Mittelfristig sieht es jedoch ernüchternd aus. Auf Basis der zurückliegenden 50 Tage sind die jüngst generierten Verkaufssignale weiterhin gültig. Kein Titel aus der ersten Börsenliga notiert zurzeit über dem 50-Tage-Durchschnitt bzw. oberhalb der erwähnten Nulllinie bzw. der 50er Marke. Somit handelt es sich lediglich um eine Erholung innerhalb eines intakten Abwärtstrends. Tiefs erreichtInfolge des Ausverkaufs im März haben die meisten der 30 Dax-Aktien nun wichtige markante Tiefs erreicht. Diese stammen überwiegend aus den Jahren 2018 und 2011. Im Verlauf der vergangenen Wochen wurden diese Unterstützungen unterschritten, aber nicht auf Schlusskursbasis. Entfernen sich die Indexmitglieder davon nach oben, könnte auch die Talfahrt beim heimischen Börsenbarometer aufgehalten, wenn nicht sogar beendet werden. Somit wären Chancen auf der Long-Seite vorhanden.Aber auch hier gilt, es dürfte sich erst einmal nur um eine Gegenbewegung innerhalb des neuen Abwärtstrends handeln. Diese Aussage wird auch durch die Performance der zurückliegenden fünf und 30 Tage untermauert. Auf Sicht der letzten fünf Tage weisen mittlerweile 90 % der Anteilscheine aus der ersten Reihe eine positive Performance auf. Bei der Betrachtung der vergangenen 30 Tage fällt diese jedoch negativ aus. *) Christian Henke ist Senior Market Analyst bei IG.