TECHNISCHE ANALYSE

Der Dax steht auf der Kippe

Von Stefan Salomon *) Börsen-Zeitung, 10.6.2015 Diverse Belastungsfaktoren drücken die Stimmung im Dax. Trotz guter Wirtschaftsdaten nehmen die Anleger Gewinne mit. Ein erstarkter Euro, ein drohender Staatsbankrott Griechenlands mit unabsehbaren...

Der Dax steht auf der Kippe

Von Stefan Salomon *)Diverse Belastungsfaktoren drücken die Stimmung im Dax. Trotz guter Wirtschaftsdaten nehmen die Anleger Gewinne mit. Ein erstarkter Euro, ein drohender Staatsbankrott Griechenlands mit unabsehbaren Folgen sowie eine wahrscheinliche Zinswende nicht nur in den USA in Verbindung mit steigenden Inflationserwartungen auch im Euroraum sorgen für Skepsis am Markt.So ist der Dax nach den Erholungstendenzen Anfang Mai wieder seit Ende Mai auf dem Rückzug und hat in der vergangenen Woche seinen seit Oktober 2014 gültigen Aufwärtstrend verlassen. Dieser Bruch war zwar eher seitwärts gerichtet und konnte so mit einem hoffnungsvollen Blick auf eine Besserung betrachtet werden. Doch mit den Verlusten zum Anfang dieser Börsenwoche und einem Dax-Stand unter dem Mai-Tief bei 11 167 Punkten hat sich die Stimmung der Börsianer eingetrübt.Ein Wochenschlusskurs unter 11 167 Punkten würde ein technisches Verkaufssignal darstellen. Ein erstes Ziel wäre sodann ein Tief vom Februar 2015 bei 10 594 Punkten. Dieses Niveau als Abwärtspotenzial wird unterstützt durch eine weitere Möglichkeit, ein charttechnisches Kursziel abzuleiten. So darf nach Ausbruch aus dem Aufwärtstrendkanal dessen Bandbreite in Richtung des Ausbruchs gespiegelt werden. So erhält der Chartanalyst eine “Kursziellinie”, die bei fallenden Kursen ein Abwärtsziel ebenfalls in Richtung 10 600 Punkten offeriert.Etwas Hoffnung bietet der mit einem neuen Tief konstruierbare, seit Mitte April 2015 laufende Abwärtstrendkanal. Denn dessen untere Begrenzung stellt eine Unterstützungslinie dar. Allerdings wäre es ein normales Marktverhalten, dass nach einem Bruch eines langfristigen Aufwärtstrends die Unterstützung eines kurzfristigen Abwärtstrendkanals untergeordnete Aussagekraft erhält. So besteht aus dem gegenwärtigen Bild des Dax noch kein Anlass, hier ins fallende Messer zu greifen.Zusätzliche Skepsis gegenüber einer möglichen Erholung ist bei einem Blick auf die Einzeltitel im Dax angebracht. Einige Werte sind zu Beginn dieser Börsenwoche unter relevante Unterstützungsmarken gefallen oder testen diese gegenwärtig. So präsentieren sich die Versorger Eon und RWE schwach. Die Eon-Aktie notiert im Bereich der Jahrestiefs von 2014 und 2015, die RWE-Aktie ist weiter im Sinkflug unter der runden Marke von 20 Euro. Weitere Tiefs bei diesen beiden Werten dürften deutliche Verluste anstoßen – insbesondere RWE muss aus Sicht des Chartanalysten negativ beurteilt werden. Siemens als Dax-Schwergewicht rang am Dienstag ebenso mit dem Jahrestief 2015. Ein weiterer Verfall der Kurse in einem seit Mitte April intakten Abwärtstrendkanal würde für die Siemens-Aktie ein Kursziel bis 90 Euro offerieren.Hingegen zeigen sich die Autowerte nach den kräftigen Kursverlusten in den vergangenen Wochen zumindest an richtungsweisenden Unterstützungszonen und könnten von hier aus eine Gegenbewegung starten. Die Kursverläufe sowohl von BMW, Daimler als auch VW bildeten seit März Abwärtstrendkanäle aus, an deren unteren Begrenzungen die Kurse derzeit notieren. Diese Begrenzungslinien fungieren als Unterstützungen. Technische Erholungen innerhalb der Abwärtstrends wären somit machbar, da auch bei den genannten Autowerten relevante horizontale Käuferzonen erreicht worden sind. Im Umkehrschluss wären weitere Kursverluste ausgesprochen negativ, da dann der Chartanalyst einfach das Fehlen jeglicher Käufer feststellen müsste mit der Konsequenz, dass der Markt am aktuell erreichten Niveau nicht bereit ist, die Hände aufzuhalten. Weitere Kursverluste und ein Dax-Stand von ca. 10 600 Punkten wären daher bei Unterschreiten der relevanten Unterstützungsmarken in den Einzeltiteln recht wahrscheinlich. Ein Test der 200-Tage-Linie, die gegenwärtig bei 10 456 Punkten verläuft mit leicht steigender Tendenz, wäre somit nicht ausgeschlossen. Risiko gegebenBetrachtet man zudem einen weiteren Indikator, das sogenannte Price Volume Profile, welches die akkumulierten Umsätze an einem Kursniveau darstellt, so muss auf das Risiko hingewiesen werden, dass ein Fall unter ca. 10 550 Punkte den Dax zügig in Richtung 10 000 Punkte werfen könnte, da zwischen ca. 10 600 und 10 000 Punkten nur geringe Umsätze zu verzeichnen waren. Bei diesem negativen Szenario würde der Dax auch unter die 200-Tage-Linie rutschen.Einen Trost spendet das genannte Szenario: In Verbindung mit den durchaus noch mehrheitlich positiven Bankeneinschätzungen zum Dax-Stand per Jahresultimo wäre ein Stand von ca. 10 000 Punkten und dem hier zu erwartenden kräftigen Unterstützungsbereich ein interessantes Einstiegsniveau.Kurzfristig hingegen würde sich das derzeit negative Bild im Dax aufhellen, sofern es dem Markt gelingt, über 11 167 Punkte anzusteigen und somit einen Re-Break in die am Montag verlassene Range durchzusetzen. Sollten sodann auch die Einzeltitel im Dax im Zuge einer solchen Erholung ihre gegenwärtig gebrochenen Unterstützungen wiedergewinnen oder Ablösungen nach oben von den relevanten Unterstützungen gelingen, so dürfte sich der Markt stabilisieren und vorerst innerhalb einer Range zwischen ca. 11 900 und 11 200 Punkten in den kommenden Wochen, vorzugsweise über den Sommer 2015, seitwärts tendieren.—-*) Stefan Salomon ist Technischer Analyst bei wallstreet-online.de.