Der ETF-Boom ist ungebrochen

Mittelzuflüsse trotz Pandemie - Anleiheprodukte und Healthcare-Titel gefragt - Selbst die Fed kauft ETFs

Der ETF-Boom ist ungebrochen

Trotz der Pandemie verzeichneten ETFs sowohl im Monat März als auch im April signifikante Zuflüsse. Dabei haben sich allerdings die Gewichtungen verändert. Gefragt waren vor allem Anleihe-ETFs und Aktienprodukte auf den Healthcare-Sektor. Das Wachstum der Indexfonds scheint insgesamt ungebrochen. Von Werner Rüppel, FrankfurtIn den vergangenen Jahren sind börsennotierte Indexfonds, kurz ETFs, eine echte Wachstumsbranche gewesen. Immer mehr Gelder flossen den preiswerten passiven Fonds zu, und die in ETFs angelegten Gelder sind rasant gewachsen. So waren Ende 2019 bereits mehr als 6 Bill. Dollar in ETFs angelegt (vgl. Grafik). Dabei gelang es den Indexfonds, schneller als die gesamte Fondsindustrie zuzulegen, so dass vor allem in den USA, aber auch in Europa der Anteil der passiv angelegten Gelder innerhalb der Branche massiv gewachsen ist. Doch wie hat sich die Nachfrage nach ETFs im Corona-Crash entwickelt? Setzt sich die passive Revolution fort, oder gibt es Bremsspuren für die in Mode gekommenen Produkte? Wie es nach einer Normalisierung weitergeht, da ist sich Jan van Eck, CEO des gleichnamigen Assetmanagers, jedenfalls sicher: “Die ETF-Industrie wird wieder kräftig wachsen.”Schaut man auf die Zahlen, so ist es in der letzten Februarwoche, als die Corona-Pandemie die Kapitalmärkte getroffen hat, durchaus zu massiven Abflüssen bei ETFs gekommen. Dabei wurden Aktienprodukte im Volumen von 35,1 Mrd. Dollar verkauft. Aber die Abgaben haben nur wenige Tage gewährt. Und trotz der Pandemie weist die erfolgsverwöhnte Branche sowohl für den gesamten Februar als auch für die Monate März und April Zuflüsse auf. Kurzum: Die Anleger haben sich also nicht von börsennotierten Indexfonds verabschiedet, sondern weiterhin in diese investiert.Nach den Berechnungen von BlackRock flossen börsengehandelten Indexprodukten weltweit im Februar 28,4 Mrd. Dollar, im März 17,2 Mrd. Dollar und im April, als der Risikoappetit zurückgekehrt ist, wieder 68,6 Mrd. Dollar zu. Dabei hat sich der Corona-Crash allerdings durchaus auf die Branche der passiven Fonds ausgewirkt. Zum einen haben sich nach Angaben des Analysehauses ETFGI die verwalteten Gelder von rund 6,2 Bill. Dollar Ende 2019 trotz Mittelzuflüssen auf nur mehr 5,6 Bill. Dollar Ende April 2020 ermäßigt. Dies ist auf den Einbruch des Aktienmarktes zurückzuführen. Mit der aktuellen Erholung von Dividendentiteln dürfte die Marke von 6 Bill. Dollar verwalteten Geldern bald wieder erreicht werden.Zum anderen hat sich das Interesse der Anleger deutlich gewandelt. So haben sich Investoren aus bestimmten Risikoassets wie Schwellenländer-Aktien zunehmend verabschiedet. Aus dieser Assetklasse flossen in acht der vergangenen zwölf Monate Gelder ab, allein im April betrugen die Abflüsse 9,8 Mrd. Dollar. Dafür waren vor allem Healthcare-ETFs gefragt, ein Sektor, der von der Pandemie profitieren dürfte und der einen eher defensiven Charakter aufweist. Diese ETFs verzeichneten, nach Zuflüssen im Februar und März, im April einen Rekordzufluss von 7,3 Mrd. Dollar. Etliche neue ProdukteMit der Rückkehr des Risikoappetits waren nach dem Corona-Crash und insbesondere im April dann vor allem Anleihe-ETFs gefragt (vgl. Grafik). Dabei flossen dem High-Yield-Segment weltweit 8,4 Mrd. Dollar zu, während Investment-Grade-Produkte rekordhohe 13,3 Mrd. Dollar einsammeln konnten. Darüber hinaus waren in den vergangenen Monaten börsennotierte Produkte auf Rohstoffe, insbesondere auf Gold, gefragt. So flossen Gold-ETPs im März 7,7 Bill. Dollar und im April 9,2 Mrd. Dollar neue Mittel zu.Darüber hinaus fällt auf, dass coronabedingt zwischenzeitlich weniger neue ETFs auflegt wurden als im Frühjahr sonst üblich. Dies hat sich zuletzt geradezu umgekehrt. Die ETF-Industrie schießt derzeit aus allen Rohren und legt ein Produkt nach dem anderen auf, als gelte es etwas nachzuholen. So hat sich die Zahl der an der Deutschen Börse auf Xetra gelisteten ETFs von 1 505 Ende 2019 bis auf 1 560 Ende Mai erhöht. Weltweit wurden per Ende April bereits 7 095 ETFs angeboten. Bevorzugt werden dabei nachhaltige ETFs emittiert. Und auch renommierte aktive Fondsmanager stehen mit neuen aktiven Angeboten in den Startlöchern. Dies zeigt, wohin der Trend der Investmentbranche geht. Van Eck stellt klar: “Im Vergleich zu traditionellen aktiven Produkten haben ETFs die weitaus größeren Wachstumsperspektiven.”Nach Meinung von Jason Xavier, Head of EMEA ETF Capital Markets bei Franklin Templeton, haben ETFs in Zeiten erhöhter Marktvolatilität die Hauptmerkmale, welche Anleger schätzen, erfüllt: “Liquidität, Transparenz und Kosteneffizienz.” Wie bei einer Dose Suppe böten ETFs das, was auf dem Etikett steht. Wobei man bei einer Suppe auch Zweifel haben mag. In der aktuellen Phase von Turbulenzen lässt sich laut Xavier beobachten, dass ETFs den Kunden in dieser traditionell vom Freiverkehr geprägten Assetklasse umsetzbare Preisfindung und transparentes Börsen-Pricing bieten.”Ich bin überzeugt, dass diese Krise den Einsatz von ETFs weltweit beschleunigen wird”, erklärt Stephen Cohen, Leiter iShares und Indexinvestments für die Region EMEA bei BlackRock. “Wenn ich auf die vergangenen 20 Jahre zurückschaue, ist die Zahl der neuen ETF-Nutzer jedes Mal gestiegen, wenn wir eine erhöhte Marktvolatilität gesehen haben.” Und wer einmal ETFs genutzt habe, der bleibe dabei. Besonders hohes Wachstumspotenzial billigt BlackRock in einer Studie nachhaltigen ETFs zu. Für diese erwartet der Vermögensverwalter innerhalb des kommenden Jahrzehnts eine massive Steigerung des verwalteten Vermögens um knapp 1 Bill. Dollar auf 1,2 Bill. Dollar.Insbesondere sparen auch immer mehr Anleger über Sparpläne in ETFs. Dazu haben mehrere Discountbroker in den vergangenen Monaten spezielle Angebote aufgelegt. Fast alle ETF-Anbieter wie u. a. auch Vanguard oder van Eck setzten auf den Vertriebsweg Direktbanken.Ein interessanter Aspekt der Coronakrise ist, dass nicht nur die japanische Notenbank, sondern seit wenigen Wochen auch die US-Notenbank Fed ETFs kauft. Während die Bank of Japan ETFs auf den japanischen Aktienmarkt erwirbt, kauft die Fed ETFs auf Unternehmensanleihen. Jetzt fehlt nur noch die EZB. Wenn sie Aktien kauft, dann sicher über ETFs. Deutlich wird: Das Wachstum der ETF-Branche ist trotz Corona ungebrochen.