Der Goldprediger
Von Wolf Brandes, FrankfurtWährend die meisten Menschen sich ob der rasanten Gold-Rekordfahrt die Augen reiben, sind einige Experten schon weiter. Thorsten Polleit, Chefvolkswirt bei Degussa Goldhandel, hat sich jetzt mit einer bemerkenswerten Prognose an die Öffentlichkeit gewandt. Der Volkswirt hält einen Goldpreis von 2 700 Dollar bis Mitte 2021 für möglich. Das wäre vom derzeitigen Niveau ein Anstieg um gut 30 %. Polleit, der früher bei ABN Amro und Barclays gearbeitet hat, ist seit 2012 Chefvolkswirt bei Degussa Goldhandel. Für ihn ist es ausgemachte Sache, dass Gold immer teurer wird. Daher hat er seine letzte Prognose von 2 030 Dollar jetzt angehoben.Der promovierte Ökonom ist ein Freund der Österreichischen Schule, wonach der Staat die Quelle wirtschaftlicher Störungen sei. Das fügt sich nahtlos ein in seine Goldbegeisterung. Aus Sicht von Polleit, der immerhin für den größten europäischen Goldhändler spricht, ist die expansive Geldpolitik der Zentralbanken mit für den Anstieg verantwortlich. Solange die EZB ihre Geldschleusen weiter offenlässt und die Zinsen praktisch abschafft, gibt es beim Gold kaum ein Halten. Er verweist insbesondere darauf, dass sich demnächst auch in den USA der Zins (der “Weltleitzins”) der Nulllinie nähern werde. Damit würden auch dort wie schon in der Eurozone die Opportunitätskosten für das Halten von Gold wegfallen. Die Nullzinsen und die starke Geldmengenexpansion seien signifikante Erklärungsmuster für den Preisanstieg beim Edelmetall. Der Volkswirt hat beobachtet, dass mittlerweile immer mehr Institutionelle einsteigen. Gold sei nicht nur risikomindernd, sondern auch ertragssteigernd, meint Polleit und verweist damit auf Aussagen von Ray Dalio, Hedgefondsmanager bei Bridgewater.Dass sich der Boom weiter fortsetzen wird, da ist sich Polleit sicher. Es sei nie zu spät für einen Einstieg in Gold und Silber. Gleichwohl gibt auch er zu bedenken, dass man selbstverständlich nicht alles Geld ins Gold stecken sollte. Er selber sei stark in Aktien investiert und empfiehlt Anlegern, die sich weniger gut auskennen, einen ETF auf den MSCI World. Auch wenn Polleit vorrechnet, dass man mit einem Goldinvestment in den vergangenen 20 Jahren unterm Strich 10 % pro Jahr verdient habe – steuerfrei. Da haben Aktien nicht mithalten können.Die vielen guten Argumente für Gold will Polleit aber eindeutig professionell verstanden wissen. Er verwehrt sich gegen den Generalverdacht, dass er als Volkswirt eines Goldhändlers den Preis nach oben rede. Das zahle sich weder in der Reputation noch bei Kunden aus. Auch er werde daran gemessen, dass er seinen Job gut mache. Und schließlich sei die Situation bei den Prognosen von Banken nicht anders.Mit seinen 2 700 Dollar ist Polleit übrigens nicht ganz allein. Im Markt kursieren inzwischen Prognosen von bis zu 4 800 Dollar – allerdings bis zum Ende des Jahrzehnts.