ESG

Der Greenback wird grüner

Seit März letzten Jahres konnten Währungsbewegungen größtenteils mit der Risikostimmung am Markt, genauer genommen dem Aktienmarkt, erklärt werden. Die rasanten Zinssenkungen der Zentralbanken, die darauf abzielten, der globalen Covid-Pandemie-Krise...

Der Greenback wird grüner

Von Stefanie Holtze-Jen*)

Seit März letzten Jahres konnten Währungsbewegungen größtenteils mit der Risikostimmung am Markt, genauer genommen dem Aktienmarkt, erklärt werden. Die rasanten Zinssenkungen der Zentralbanken, die darauf abzielten, der globalen Covid-Pandemie-Krise zu begegnen, führten dazu, dass ein wichtiger Treiber für Währungspaare wegfiel: das Zinsdifferenzial zwischen den einzelnen Ländern.

Seit nun zu Beginn des Jahres die Tapering-Diskussion in den USA entfacht ist und Inflations­erwartungen sowie Renditen bei US-Staatsanleihen­ stark ansteigen, beobachten wir, wie makroökonomische Treiber wieder mehr Gewicht erhalten. So sahen sich sicher viele durch die Anpassung der US-Wachstumserwartungen auf 6,5% für 2021 durch die US-Notenbank in ihren optimistischen Erwartungen für die USA bestätigt.

Makroökonomische Konsequenzen sind auch vom Thema ESG (Umwelt, Soziales und verantwortungsvolle Unternehmensführung) zu erwarten, das durch die Pandemie noch mehr Dringlichkeit bekommen hat. Themen wie soziale Gerechtigkeit, Klimawandel und Nachhaltigkeit sind vielschichtig und werden nun verstärkt mit Staatsgeldern gefördert. Investoren wählen vermehrt Portfolioallokationen, die diesen Ansprüchen genügen. So ging beispielsweise ein Drittel der Mittelzuflüsse der DWS im gesamten letzten Jahr in Fonds mit ESG-Ansatz, ein Trend, der sich von Quartal zu Quartal verstärkt hat.

Um die Volkswirtschaften und die Währungen zu identifizieren, die am meisten von diesem Trend profitieren können, lohnt ein Blick auf das Leistungsbilanzdefizit und die aggregierten Portfolioflows als Prozent vom Bruttoinlandsprodukt. Denn eine Vielzahl von ESG-Initiativen sollte die internationale Nachfrage nach entsprechenden Produkten und Dienstleistungen und Mittelzuflüsse nach sich ziehen. Trägt man diese Abhängigkeiten ab und ergänzt sie um die aktuell vergebenen ESG-Ratings, gibt es zwei interessante Kandidaten: Großbritannien und die USA. Die ESG-Ratings beider Länder rangieren im unteren Bereich, wodurch ein hohes Aufholpotenzial für die Außenfinanzierung besteht, sollten sich diese Ratings verbessern.

Die höchste Dynamik beim Thema ESG ist derzeit in den USA zu sehen, wo Präsident Joe Biden sein Versprechen einlöste und am Tag seiner Amtseinführung die Wiederaufnahme seines Landes als Vertragspartei für das Pariser Klimaabkommen beantragte.

Biden plant, die staatliche Forschung zu erweitern und eine behördenübergreifende Agentur für fortgeschrittene Forschungsprojekte zum Thema Klima (ARPA-C) einzurichten, die in die Erforschung von Dekarbonisierung, Wasserstofftechnologien und anderen Umweltinnovationen investieren soll. Biden hat weiterhin Pläne angekündigt, innerhalb seiner ersten 100 Tage einen Klimagipfel der wichtigsten Volkswirtschaften der Welt abzuhalten.

Bidens neue Umweltvorschläge greifen tief. Sie betreffen die Autoindustrie, die sich mit Elektroautos neu ausrichtet. In der Öl- und Gasindustrie strebt Biden die Beseitigung der Kohlenstoffemissionen aus Erdgas- und Kohlekraftwerken bis 2035 an. Infolgedessen sollten die Investitionen in erneuerbare Energien im öffentlichen als auch im privaten Sektor stark steigen. Geplant ist auch, die staatlichen Investitionen in Wassersysteme, Stromnetze und Verkehrsnetze anzukurbeln. Im Wohnungssektor könnten strengere, umweltfreundlichere Gebäudestandards zu Modernisierungen von Gewerbe- und Wohngebäuden führen.

Im „S“ von ESG sind Maßnahmen zur Verbesserung der Rassengerechtigkeit geplant, die Stärkung der Gewerkschaften, die Erhöhung des Mindestlohns und die Verbesserung des Arbeitnehmerschutzes angekündigt.

Bereits kurz nach der Verabschiedung des amerikanischen Rettungsplans von Präsident Joe Biden in Höhe von 1,9 Bill. US-Dollar arbeiten nun die Demokraten an einem wahrscheinlich noch größeren Paket für saubere Energie, das 4 Bill. Dollar in die Infrastruktur des Landes pumpen soll und bereits im Mai enthüllt werden könnte.

Zu diesem Zweck forderte Nancy Pelosi, Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, jüngst die Vorsitzenden des Demokratischen Komitees im Kongress auf, mit ihren republikanischen Kollegen ein „großes, mutiges und transformierendes Infrastrukturpaket“ zu erarbeiten. Sie hofft, dass sich ein überparteilicher „Geist“ durchsetzen werde, um Reformen bei Breitband, Bildung, Wohnen, Versorgung und Arbeitsplätzen „in jeder Postleitzahl“ zu schaffen. Bis spätestens 30. September 2021 sollte das Infrastrukturgesetz im Kongress verabschiedet werden, denn dann läuft das Gesetz zur Finanzierung von Autobahnen und Transportmitteln („Highway Bill“) aus, das zur Gestaltung des Pakets beitragen soll.

Die Ratingagenturen überprüfen ihre ESG-Ratings in regelmäßigen Abständen. Verbindliche Staatsausgaben, wie von der Biden-Administration geplant, sollten langfristig zu einer Verbesserung des Ratings führen. Wir erwarten deshalb auch aus diesem Bereich Rückenwind für ein besseres Wachstumspotenzial in den USA sowie positive Auswirkungen auf den Bedarf von Außenfinanzierung, was sich in der Folge positiv für den Dollar auswirken sollte. Mit Sicht auf zwölf Monate bleibt unser Kursziel gegen den Euro deshalb bei 1,15.

*) Stefanie Holtze-Jen ist Chief Currency Strategist der Fondsgesellschaft DWS.