KAPITALMÄRKTE

Der Kryptomarkt bleibt volatil

Der Einstieg institutioneller Investoren hat große Hoffnungen für Bitcoin geweckt. In näherer Zukunft dürfte der Markt laut Experten aber spekulativ geprägt und schwankungsanfällig bleiben.

Der Kryptomarkt bleibt volatil

Von Alex Wehnert, FrankfurtDie Teilnehmer am Kryptomarkt können sich nach einem Jahr steiler Kursgewinne unter hohen Schwankungen auf anhaltende Volatilität einstellen. “In Bezug auf den Kryptomarkt befinden wir uns noch am Anfang einer sehr großen, bahnbrechenden Entwicklung”, sagt Christian Machts, Geschäftsführer und Leiter Innovation und Fintech Europe beim Vermögensverwalter Fidelity International. Junge Assetklassen entwickelten sich meist holprig und hochvolatil. Deshalb seien auch scharfe Korrekturen wie Ende November, als die führende Digitalwährung Bitcoin innerhalb eines Tages zeitweise 13 % an Wert verlor, nicht überzubewerten. Da der Markt noch immer illiquide und spekulativ geprägt sei, reichten ein paar größere Verkäufe oder Käufe, um die Kurse kurzfristig zu belasten oder anzutreiben. Die hohe Volatilität schaffe aber auch die Möglichkeiten auf Überrenditen. Gewaltige ZuflüsseNach dem Marktcrash im März, als der Kurs der Kryptowährung zeitweise auf 4 900 Dollar absackte, hat Bitcoin trotz kürzerer Rücksetzer und Seitwärtsbewegungen einen beispiellosen Aufwärtstrend hingelegt. Niveaus von über 20 000 Dollar haben im Frühjahr wohl nur eingefleischte Kryptobullen prognostiziert. “Als Assetklasse mit der besten Performance im Jahr 2020 haben Kryptowährungen deutlich an Aufmerksamkeit gewonnen”, sagt Machts. In der Folge habe die Nachfrage institutioneller Investoren zugenommen und einige US-Konzerne begonnen, Teile ihrer liquiden Mittel in Bitcoin zu investieren, was langfristig für eine geringere Volatilität sprechen sollte. Auch der US-Lebensversicherer Mass Mutual hat über seinen Investmentfonds jüngst 100 Mill. Dollar in Bitcoin gesteckt. Und der Hedgefonds One River hat Mitte Dezember bekannt gemacht, bereits 600 Mill. Dollar in die älteste Cyberdevise investiert zu haben und sein Engagement in Bitcoin und der zweitgrößten Digitalwährung, Ethereum, im neuen Jahr auf insgesamt 1 Mrd. Dollar erhöhen zu wollen.”Auf Privatanlegerseite steigt der Bekanntheitsgrad ebenfalls, noch handeln aber relativ zum Gesamtmarkt wenige Retail-Investoren tatsächlich mit Bitcoin und Co.”, führt Machts aus. Dies werde sich in den kommenden fünf bis zehn Jahren aber ändern. Denn an den Märkten herrsche ein Anlagenotstand, die Renditen in “klassischen” Segmenten wie dem Fixed-Income-Bereich seien verhältnismäßig unattraktiv.Als wichtiger Treiber für die Rally im vergangenen Jahr hat die Ankündigung des Zahlungsdienstleisters Paypal gewirkt, seinen Kunden den Kauf und Verkauf von Kryptowährungen zu ermöglichen. Hinzu kommt die ultraexpansive Geldpolitik, die bei Marktteilnehmern die Angst vor einer fortgesetzten Dollar-Abwertung auch im neuen Jahr geweckt hat.Bitcoin wird aufgrund seiner Rolle als Absicherung gegen eine Inflationsbeschleunigung häufig mit Gold verglichen. Die Werthaltigkeit beider Assetklassen berechnen Analysten gerne nach dem Stock-to-Flow-Modell, bei dem sie den Bestand ins Verhältnis zum Zufluss neuer Angebotsmengen setzen. “Der große Charme von Bitcoin besteht in der technologischen Limitierung”, sagt Machts. Schließlich sei die maximale Anzahl aller jemals errechneten Einheiten der Kryptowährung auf 21 Millionen begrenzt, voraussichtlich werde dies in 120 Jahren erreicht. Diese Verknappung sei im Vergleich zu Fiat-Währungen ein wichtiger Vorteil. Ob nun Anlagen in Bitcoin oder Gold den besseren Inflationshedge darstellten, lasse sich aufgrund der kurzen Historie der Cyberdevise aber nicht mit Bestimmtheit sagen. “Kurzfristig sollte das nachlassende Vertrauen in die Stabilität des Finanzsystems in Kombination mit dem Niedrigzinsumfeld aber einen Treiber für beide darstellen”, sagt Machts. Innerhalb der Kryptowelt ist Bitcoin anderen Vertretern wie Ethereum und Ripple nach Marktkapitalisierung weit enteilt. Laut Machts besitzt die führende Cyberdevise aufgrund ihrer etablierten Position auch langfristig starkes Wachstumspotenzial, schon jetzt konzentriere sich der Markt trotz einer insgesamt großen Vielfalt schließlich auf ein kleines Subset an Währungen.”Für ein stärkeres Engagement in Kryptotoken abseits der bereits bekannten Währungen werden viele Vermögensverwalter noch einen höheren Grad an regulatorischer Sicherheit abwarten”, erwartet der Fidelity-Geschäftsführer. Auf dieser Ebene geschehe zwar bereits einiges, wie der Gesetzesentwurf zur Einführung elektronischer Wertpapiere in Deutschland und die EU-Kryptoregulierung, die ab 2022 in Kraft treten soll, zeigten. Allerdings führe die Zeitverzögerung bei diesen politischen Vorhaben noch zu einer ausreichend hohen Unsicherheit, um weitere großvolumige Investitionen in den Kryptomarkt zu bremsen. Hoher StromverbrauchIndes bemängeln Kritiker den hohen Stromverbrauch, der beim Schürfen neuer Einheiten von Digitalwährungen aufgrund des Rechenaufwands anfällt. Für Anleger, die ihr Portfolio nachhaltig ausrichten wollen, dürfte dies bei Krypto-Investments einen Hinderungsgrund darstellen. “Eine umfassende Lösung für dieses Problem ist noch nicht gefunden, aber es gibt Ansätze”, sagt Fidelity-Experte Machts. In den USA würden zum Beispiel Rechenzentren in der Nähe von Wasserkraftwerken oder Solaranlagen gebaut, damit für das Mining nachhaltiger Strom genutzt werden könne. Zudem gebe es technologische Möglichkeiten, um den Energiebedarf zu verringern.Insgesamt sehen Experten wie Machts in den Distributed-Ledger-Technologien, auf denen die Krypto-Assets aufgesetzt sind, die größte disruptive Energie. Dies zeige sich in den Implikationen für die Zukunft des Assetmanagements, die in einer digitalen Abwicklung des Wertpapiergeschäfts bestehe. Eine solche werde in den kommenden zehn bis 20 Jahren für Anlageklassen wie Aktien und Anleihen zum Standard werden, sagt der Fidelity-Geschäftsführer. Und im Transfer traditioneller Assets auf die Blockchain bestünden aus ökologischer Sicht auch Chancen, da in der Folge der Papieraufwand verringert werden könne.