IM INTERVIEW: MARC ERPELDING, BANQUE DE LUXEMBOURG INVESTMENTS (BLI)

"Der Leidtragende wird am Ende der Konsument sein"

Experte für Schwellenländerinvestments über die Auswirkungen von Trumps Wirtschaftspolitik auf die Emerging Markets und wo er noch attraktive Aktien findet

"Der Leidtragende wird am Ende der Konsument sein"

Marc Erpelding, Fondsmanager bei BLI, sieht klare Auswirkungen von Trumps Wirtschaftspolitik und höheren US-Leitzinsen auf die Schwellenländer. Zurzeit ist er deswegen eher vorsichtig positioniert. Im Interview der Börsen-Zeitung erläutert er, wo sich noch Aktien mit guten Perspektiven finden lassen.- Herr Erpelding, wie schätzen Sie die Perspektiven der Emerging Markets in diesem Jahr generell ein?Aus unserer Investitionsquote von rund 75 % in Aktien und den übrigen 25 %, die in Liquidität und kurzfristigen Staatsanleihen gehalten werden, lässt sich ableiten, dass wir derzeit neutral bis etwas vorsichtiger aufgestellt sind. Wir investieren dieses Kapital ausschließlich in Qualitätsaktien, und die Investitionsquote resultiert aus deren Bewertungen. Zu Beginn des vorigen Jahres lagen wir noch bei einer Investitionsquote von 82 % und damit bei der höchsten Quote seit der Finanzkrise. Makroökonomisch wird die Trump-Wahl die Perspektiven der Emerging Markets beeinflussen. Eine erste Konsequenz ist bereits eine deutliche Sektorrotation.- Welche Länder gehören denn zu Ihren Favoriten im gegenwärtigen Umfeld?Zurzeit sind wir in Lateinamerika übergewichtet. Brasilien befindet sich zwar in der Rezession, und Mexiko wird unter Trump vermutlich sehr stark zu leiden haben, es ist aber auch festzuhalten, dass die Märkte und Währungen hier korrigiert haben und wir nun Qualitätsaktien auf besseren Bewertungsniveaus vorfinden. Aber auch in der Türkei finden sich chancenreiche Unternehmen, wobei wir aus einer Makroperspektive zugegebenermaßen einen konträren Ansatz fahren. Übergewichtet sind wir auch in Malaysia oder den Philippinen.- Was sind die wesentlichen Treiber, die Sie zu dem Optimismus in diesen Ländern veranlassen?Aus makroökonomischer Sicht finden wir bei vielen Ländern eher eine schwierigere Lage vor. Allerdings konzentrieren wir uns bei unseren Investments auf die Analyse der einzelnen Unternehmen und setzen ausschließlich auf qualitativ hochwertige Adressen, die beispielsweise durch einen Wettbewerbsvorteil bestechen und uns auf lange Sicht überzeugen. Ich denke zum Beispiel an die brasilianische Brauerei Ambev, die ihre Margen sehr gut verteidigen kann, obwohl sich der brasilianische Markt in einer sehr schwachen Verfassung befindet.- Welche Länder meiden Sie im gegenwärtigen Umfeld?Sehr stark untergewichtet im Vergleich zu entsprechenden Benchmark-Indizes sind wir in China. Chinesische Banken mit hoher Marktkapitalisierung und starken Gewichten im Index kommen für uns genauso wenig in Frage wie die staatlich geführten Unternehmen. Rohstoffunternehmen aus dem Reich der Mitte haben wir ebenfalls nicht im Portfolio. In Südkorea sind wir ebenfalls untergewichtet, vor allem, weil die großen Namen wie etwa Samsung oder Hyundai nicht in unserem Portfolio vertreten sind.- Was sind die speziellen Belastungsfaktoren in den Ländern, die Sie eher meiden?Die Ländergewichtungen resultieren ausschließlich aus dem Stock Picking. In Ländern, in denen wir untergewichtet sind, dominieren oftmals die Schwergewichte Banken oder Rohstoffunternehmen. In Indien stellt sich die Situation anders dar. Wir finden dort zwar die für uns relevanten Unternehmen, die unseren Qualitätsansprüchen genügen. Aber die Bewertungen erscheinen uns schon recht teuer. Somit sind wir auch in Indien untergewichtet.- Sind die Emerging Markets für weitere Zinssteigerungen in den USA und damit für die Gefahr von Kapitalabflüssen gewappnet?Es wird für die Emerging Markets immer eine schwierige Situation sein, wenn es in den USA höhere Zinsen gibt und auch der Dollar zur Stärke neigt. Denn viele Staaten und Unternehmen aus den Emerging Markets sind immer noch in Dollar verschuldet, einige darunter auch sehr hoch. Das ist jetzt nicht für unser Portfolio der Fall. Auch für die Margen der Unternehmen ist ein stärkerer Dollar nicht zu unterschätzen, da viele Input-Faktoren in Dollar fakturiert werden. Ein dauerhaft starker Dollar wäre strukturell ein Problem für die Emerging Markets.- Mit wie vielen Zinsschritten seitens der Fed rechnen Sie in diesem Jahr?Die Fed selbst avisiert drei Schritte und der Markt rechnet mit zwei. Das Marktszenario entspricht auch unserem Szenario.- Wird die Politik des neuen US-Präsidenten Donald Trump, die ja demnächst auf eine weitgehende Abschottung der US-Wirtschaft und Strafzölle ausgerichtet sein könnte, die Schwellenländer belasten?Ja, ganz klar. Aber es wird nicht nur eine Belastung für die Schwellenländer, sondern auch für die Industrieländer. Und der Leidtragende wird am Ende der Konsument sein, da die Produkte über Strafzölle et cetera teurer werden. Die USA könnten sich dem Problem der Stagflation ausgesetzt sehen, das heißt, dass die Inflation anzieht, aber das Wachstum keinen Schub nach oben verzeichnet. Wir hoffen aber immer noch, dass Trump nicht diesen Weg einschlagen wird, und wir müssen auch erst mal sämtliche Details seiner Wirtschaftspläne abwarten.- Rechnen Sie damit, dass Trump seine Drohungen überhaupt in der ganzen Bandbreite in die Tat umsetzen kann?Ein Mauerbau von über 3 000 Kilometern an der Grenze zu Mexiko ist immer noch schwer vorstellbar. Die Strafzölle und der Protektionismus der eigenen Wirtschaft sind dann schon wahrscheinlicher. Sollte sich Trump für Strafzölle auf mexikanische Waren entscheiden, würde Mexikos Wirtschaft unter Druck kommen und mit ihr vermutlich auch der Peso. Mit einer damit einhergehenden steigenden Inflation in Mexiko wird ein weiterer Anreiz für die mexikanische Bevölkerung gegeben, in Richtung USA auszuwandern beziehungsweise für amerikanische Unternehmen dort zu produzieren. Trump würde das Gegenteil dessen erreichen, was er will. Diese Maßnahmen umzusetzen, ist sehr heikel.- In welchen Branchen investieren Sie hauptsächlich und welche Gründe sprechen für diese Branchen?In den Schwellenländern investieren wir häufig in Konsumgüteraktien, da diese Unternehmen oftmals hohe Wettbewerbsvorteile aufweisen. Darunter verstehen wir beispielsweise starke Marken, Unternehmen mit starken Vertriebsnetzen, Skaleneffekte. Solche Unternehmen findet man in den Schwellenländern insbesondere im Konsumbereich. Das können Firmen sein, die Nudeln oder Gebäck produzieren und vielleicht schon seit Jahrzehnten nur dieses eine Geschäft betreiben, aber das mit sehr großem Erfolg. Solche Firmen haben dann meist eine sehr dominierende Position in ihrem Bereich. Hier ist es dann für etwaige Wettbewerber sehr schwierig, in diesen Markt einzudringen. Unser Portfolio ist sehr stark ausgerichtet auf diese sogenannten Local Dominators. Fast 85 % des Portfolios machen solche lokal dominierenden Unternehmen aus. Bei den übrigen 15 % handelt es sich um die global ausgerichteten Unternehmen. Diese lokal dominierenden Unternehmen wären auch fast überhaupt nicht von Trumps Strafzöllen betroffen, da sie in ihren lokalen Märkten vor Ort agieren und eben gerade nicht diese globale Ausrichtung haben, womit sie auch von der Entwicklung des US-Marktes beeinflusst würden. Industrie, Pharma und Informationstechnologie sind weitere Branchen, in denen wir investiert sind.- Welche Branchen meiden Sie und warum?Banken kaufen wir in der Regel nicht, denn wir tun uns mit der Bewertung und den Bilanzen von Banken sehr schwer. Denn wenn man Bankentitel kauft, muss man trotzdem eine klare Makroperspektive auf das jeweilige Land und die Entwicklung der Zinsen in diesem Land haben. Rohstoffunternehmen gehören auch nicht zu unseren Favoriten, denn bei diesen Werten sind globale Entwicklungen sehr wichtige Faktoren für die Kursentwicklung. Versorgerwerte sind oftmals sehr von der Politik abhängige Unternehmen. Telekomwerte meiden wir ebenfalls, weil wir dort die nachhaltige Kundenbindung nicht erkennen können.- Was sind die fünf größten Positionen Ihres Fonds?Dazu gehört das bereits erwähnte Unternehmen Ambev mit einem Marktanteil von 65 % im lokalen Biermarkt. Hier ist die Bewertung noch korrekt. Das Unternehmen hat eine hohe Cash-flow-Generierung und eine gute Dividendenzahlung. Des Weiteren haben wir das chilenische Unternehmen CCU, das auf dem Biermarkt aktiv ist und über einen Marktanteil von 70 % in Chile verfügt. Eine weitere Position ist Tiger Brands aus Südafrika. Das ist ein Unternehmen aus dem Bereich der Basiskonsumgüter für Lebensmittel in Konservendosen oder in Form von Snacks oder Saucen. Die zwei weiteren Unternehmen sind Taiwan Semiconductor, die in der Halbleiterindustrie führend sind und ihre Preise auch an Firmen wie Apple oder Qualcomm weitergeben können, sowie das Singapurer Unternehmen SATS, welches das Catering, das Ticketing und das Handling des Fluggepäcks am Flughafen Changi und an über 40 weiteren Airports in Asien übernimmt.- Was charakterisiert diese Aktien?Die Unternehmen haben durch ihren Marktanteil, ihr Vertriebsnetz und ihr Know-how zumeist eine komfortable Wettbewerbsposition. Sie haben in ihren Märkten dann auch Preissetzungsmacht, während wir bei den meisten Firmen aus den Emerging Markets beobachten, dass sie eher Price Taker sind. Die Unternehmen haben meist hohe Gewinnmargen und können Kostensteigerungen an den Endkunden weitergeben.- Investieren Sie vorwiegend in Werte mit hoher Marktkapitalisierung oder auch in Small Caps?Im Vergleich zu den Indizes haben wir deutlich mehr Investments in Mid Caps und Small Caps. Es handelt sich meistens um führende Unternehmen in lokalen Nischenmärkten.—-Das Interview führte Kai Johannsen.