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Der Markt entscheidet über die künftige Rolle des Euro

Von Stefan Schaaf, Frankfurt Börsen-Zeitung, 19.9.2018 Mario Draghi hat getan, was ein Notenbanker tun muss, wenn politische Forderungen an ihn herangetragen werden. Er verwies auf die Regeln. Die Internationalisierung des Euro zu fördern sei nicht...

Der Markt entscheidet über die künftige Rolle des Euro

Von Stefan Schaaf, FrankfurtMario Draghi hat getan, was ein Notenbanker tun muss, wenn politische Forderungen an ihn herangetragen werden. Er verwies auf die Regeln. Die Internationalisierung des Euro zu fördern sei nicht Teil des Mandats der Europäischen Zentralbank (EZB), betonte er während seiner jüngsten Pressekonferenz auf eine Frage hierzu. Tags zuvor hatte nämlich EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker noch in seiner Rede zur Lage der Union genau dieses Ziel ausgegeben.Um es vorweg zu nehmen: Ganz unkompliziert dürfte es auch für die EU nicht werden, die Dominanz des Dollar zu brechen. Und das weiter gehende Ziel des Brüsseler Kommissionspräsidenten, die EU gegen die global ausgreifende Sanktionspolitik der Vereinigten Staaten immun zu machen, lässt sich wohl kaum dadurch erzielen, dass Notenbanken in aller Welt sich mehr Euro ins Depot legen oder im globalen Handel verstärkt in der Gemeinschaftswährung fakturiert wird. Auch wenn die Chancen hierfür recht gut stehen.Aber der Reihe nach. Juncker forderte während seiner Rede eine stärkere Rolle Europas in der Welt. Angesichts der zahlreichen globalen Herausforderungen schlage jetzt “die Stunde der europäischen Souveränität”. Dazu zählt für Juncker auch, die internationale Bedeutung des Euro weiter zu stärken. Er kündigte hierfür Initiativen der EU-Kommission noch in diesem Jahr an. “Wir müssen mehr tun, damit unsere gemeinsame Währung auf dem internationalen Parkett die Bedeutung erlangen kann, die ihr zusteht.”EZB-Präsident Draghi war nun gefragt worden, ob die EZB diese Arbeiten unterstützen wolle. Trotz des Hinweises auf das Mandat ließ Draghi sich eine kleine Hintertür offen. Bei Fragen stehe man natürlich mit der Erfahrung der Notenbank beratend zur Seite. Leichtere FinanzierungAm Anfang eines möglichen Beratungsmandats dürfte ein Blick auf die Fakten stehen. Genau genommen darauf, welche Rolle der Euro eigentlich global spielt. In diesem Zusammenhang wird in der Regel auf die Zusammensetzung der Währungsreserven hingewiesen. Notenbanken halten Fremdwährungen – in der Regel in Form von Staatsanleihen -, um ihr Land beziehungsweise ihr Währungsgebiet im Fall schwerer Krisen global liquide halten zu können. Länder, die eine Reservewährung ausgeben, können sich leichter und liquider finanzieren und stoßen meist auf starke globale Nachfrage nach Bonds in ihrer Landeswährung.Die Notenbanken in aller Welt bringen diesbezüglich dem Dollar das größte Vertrauen entgegen. Eine Studie der Ratingagentur Moody’s, die, ob Zufall oder nicht, nur wenige Stunden nach Junckers Rede an die Medien ging, beziffert den Anteil des Dollar an den Währungsreserven auf Basis von Daten des Internationalen Währungsfonds für Ende 2017 auf überragende 62,7 %. Der Euro liegt zwar auf Platz 2, kommt aber abgeschlagen nur auf einen Anteil von 20,1 %. Alle anderen Währungen spielen derzeit eine untergeordnete Rolle, wobei für den chinesischen Renminbi ein deutlicher Anstieg des Anteils von zuletzt 1,2 % vorhergesagt wird. Moody’s zufolge wird der Dollar also auf “absehbare Zeit” die globale Reservewährung bleiben. “Seine beeindruckende Souveränität wurde trotz globaler Rezessionen, Ausfällen anderer Souveräne, des Aufstiegs des Handels mit China und der Einführung des Euro beibehalten”, heißt es bei Moody’s.Im Hinblick auf die Finanzierung von Staaten spielt die Funktion einer Reservewährung eine zentrale Rolle. Wie schaut es aber im Alltagsgeschäft der Globalisierung aus, der Abwicklung grenzüberschreitender Zahlungsströme? Hier liegt der Dollar nach Berechnungen der Commerzbank auf Basis von Swift-Daten (Stand: Juli 2018) zwar auch vorn. Der Vorsprung des Greenback gegenüber dem Euro liegt hier gerade noch bei knapp sechs Prozentpunkten. Ist der Euro also schon internationaler, als Juncker vorgibt? Würde der Kommissionspräsident Ulrich Leuchtmann, der bei der Commerzbank die Währungsanalyse leitet, um Rat fragen, fiele dieser eher zurückhaltend aus. Denn Leuchtmann verweist in einer Studie zu Junckers Rede auf die Effizienzvorteile, welche die Nutzung einer Weltleitwährung bietet. “Spätestens seit dem Ende des Bretton-Woods-Systems ist die Wahl der Transaktionswährung eine Entscheidung, die unter Handelspartnern frei getroffen wird – zumindest in überwiegend marktwirtschaftlich organisierten Volkswirtschaften”, betont er. Folglich entscheidet auch der Markt und nicht die Politik, ob der Euro global bedeutender wird.Diesbezüglich könnte in der Tat ein wenig Bewegung entstehen, auch weil die Sanktionspolitik unter Präsident Donald Trump sich zunehmend auch gegen wichtige Handelspartner und Verbündete der USA richtet. “Die USA könnten es übertrieben haben”, stellt Leuchtmann fest. Die einzige Alternative zum Dollar sei derzeit der Euro.Doch selbst wenn dieser tatsächlich immer wichtiger wird, sein politisches Ziel wird Juncker damit nicht erreichen können. Die USA setzen ihre Sanktionen nämlich nicht nur auf Basis der Rolle des Dollar durch. Sie nutzen dafür eine global agierende Justiz, die ausländischen Unternehmen oder Banken vor US-Gerichten wegen deren Geschäften mit sanktionsbelasteten Ländern den Prozess machen – unabhängig von Euro- oder Dollar-Dominanz.