IM INTERVIEW: EUGEN WEINBERG, HEAD OF COMMODITY RESEARCH DER COMMERZBANK

"Der Superzyklus legt lediglich eine Pause ein"

Analyst: Rohstoffe Opfer ihres eigenen Erfolgs - Negative Nachrichten längst in den Preisen berücksichtigt

"Der Superzyklus legt lediglich eine Pause ein"

– Herr Weinberg, manche Rohstoffexperten haben das Ende des Superzyklus ausgerufen. Teilen Sie diese Meinung?Man muss erkennen, dass die Preisbewegungen an den Rohstoffmärkten darauf hindeuten. Der Superzyklus wurde durch eine starke Nachfrage der Schwellenländer bei zu geringem Angebot getragen. Jetzt haben wir eine schwächere Nachfrage und gleichzeitig ein stärker steigendes Angebot. Dieser Zustand, der die Märkte aktuell bewegt, wird noch eine Zeit lang anhalten. Wir glauben aber nicht, dass der Superzyklus beendet ist. Er legt lediglich eine Pause ein.- Wie ist die Preisschwäche mit der Rally anderer Risiko-Assets wie Aktien oder Credits zu vereinbaren?Aktien haben in der Tat in den zurückliegenden 18 Monaten zugelegt, während die Rohstoffpreise nachgegeben haben. Zum Teil bedingen sich diese Bewegungen gegenseitig. Niedrigere Rohstoffpreise bedeuten niedrigere Kosten für die Unternehmen. Außerdem ist es zu Umschichtungen aus Rohstoffen in Aktien gekommen.- Wie sehen denn Ihre Prognosen für die Rohstoffmärkte aus?Die Faktoren Angebot und Nachfrage sowie die Liquiditätsflut samt der damit verbundenen Inflationsrisiken werden langfristig zu einem Anstieg der Rohstoffpreise führen. Die Abschwächung der chinesischen Konjunktur wird nicht lange anhalten. Außerdem wird sich das Angebot merklich verringern. Viele Unternehmen können bei den gegenwärtigen Preisen nicht mehr kostendeckend produzieren. Die Rohstoffe sind quasi die Opfer ihres eigenen Erfolgs. Die Produktion wurde wegen der steigenden Preise stark ausgeweitet. Auch die Erwartungen der Investoren waren sehr, sehr hoch. Jeder setzte darauf, dass die Preise immer weiter steigen würden. Als dies nicht mehr der Fall war, führte die Enttäuschung zu einem massiven Ausstieg.- Was erwarten Sie für den weiteren Jahresverlauf?Die Preise werden sich in den kommenden Monaten höchstwahrscheinlich stabilisieren und dann wieder steigen. Die negativen Nachrichten, d.h. die konjunkturelle Abschwächung in China, das hohe Angebot und das sich abzeichnende Ende der ultralockeren Geldpolitik, sind längst in den Preisen berücksichtigt. Die Rohstoffpreise werden nicht steigen, weil sich die Situation stark verbessert, sondern weil sich die Lage nicht weiter verschlechtert.- Sind die strukturellen Faktoren, die den Superzyklus getragen haben, noch intakt?Der Superzyklus im Sinne einer starken Nachfrage durch die fortschreitende Industrialisierung und den Infrastrukturausbau in den Schwellenländern ist noch lange nicht vorbei. Jedes Jahr siedeln 20 Millionen Menschen vom Land in die Städte um, was einen enormen Infrastrukturbedarf zur Folge hat. Bei steigenden Einkommen steigt auch die Nachfrage nach besserer Ernährung und Kleidung, nach Automobilen etc. Die Frage ist jedoch, ob all dies auch zu langfristig weiter steigenden Rohstoffpreisen führen wird. In den zurückliegenden Jahren scheint vieles davon bereits vorweggenommen worden zu sein. Derzeit befinden sich die Rohstoffmärkte in einem Korrekturmodus, aus dem sie im Verlauf des Jahres wieder rauskommen werden. Mittlerweile ist von dem zuvor vorherrschenden Optimismus viel abgebaut worden. Die Positionierung der Anleger zeigt das deutlich. Bei Gold und Kupfer sind die Marktteilnehmer so bearish positioniert wie seit vielen Jahren nicht mehr.—-Das Interview führte Christopher Kalbhenn.