GASTBEITRAG

Der Trend ist dein Freund

Börsen-Zeitung, 25.11.2017 Da hatte man sich im Spätsommer gerade darauf eingestellt, dass es Herbst wird und die ersten (Börsen-)Stürme aufkommen könnten, als der ohnehin schon lang anhaltende Aufwärtstrend einfach weitergeführt wurde. Man möchte...

Der Trend ist dein Freund

Da hatte man sich im Spätsommer gerade darauf eingestellt, dass es Herbst wird und die ersten (Börsen-)Stürme aufkommen könnten, als der ohnehin schon lang anhaltende Aufwärtstrend einfach weitergeführt wurde. Man möchte sich fragen, ob das noch normal ist. Die Antwort muss sicher lauten: Aber selbstverständlich ist das normal. Was in diesem Jahr nicht normal war, war die Umsetzung der statistischen Wahrscheinlichkeit. So ist der Dax vom Jahresbeginn bis Mitte Juni ohne nennenswerte Korrekturen angestiegen. Zumindest im Januar hätte es eine Abwärtsbewegung geben müssen, wenn man die statistische Wahrscheinlichkeit berücksichtigt. Tatsächlich kletterte der Dax dann bis Mitte Juli in den Bereich der 13 000er-Marke. Dies entsprach in etwa der Zyklik (diese hatte den Anstieg nur bis Mitte Juni erwarten lassen), um dann in eine ausgeprägtere Korrektur zu wechseln. Diese fiel aber nicht so heftig aus, wie es zu erwarten war, und wurde Ende August auch vorzeitig beendet.Von Ende August bis Anfang November lief der Dax “wie auf Schienen”. Wenn man den saisonalen Chart weiterverfolgt, würde dies auch so bis zum Jahresende weitergehen. Seit dieser Anstiegsbewegung kam der neue Aufwärtstrend aber ins Stocken. Die üblich kurze Schwäche während der zu erwartenden Jahresendrally scheint also vorweggenommen zu werden. Dies zeigt auch die Erfahrung der vergangenen Jahre, wonach sich solche saisonalen Effekte immer wieder einmal verschieben. So wäre es fahrlässig, sich blind auf diese Art der Analyse zu verlassen. Zumindest darf sie nicht allein für die Anlageentscheidung verantwortlich zeichnen. Konsolidierung ausgebliebenBevor wir uns weiter mit dem Dax befassen, soll noch einmal kurz der Blick über den Atlantik geworfen werden. Das Bild des Dow Jones unterscheidet sich in diesem Jahr vom Dax insofern, als dass die Konsolidierung von Juni bis August ausgeblieben ist. Im August gab es zwar eine Seitwärtsbewegung, im Rahmen derer aber kaum Boden verloren wurde. Auffällig ist in den letzten Wochen, dass es kaum noch Schwankungen gegeben hat und die Tagesbewegungen recht gering waren. Indikatoren-Warnsignale wurden mur mit einer sehr bescheidenen Korrektur abgearbeitet. Solche Märkte mögen die Anleger und meiden die Trader. Es scheint also weiterhin die beste aller Börsenwelten zu sein. Lage etwas eingetrübtTrotzdem hat sich die Lage beim Dax in den letzten Tagen etwas eingetrübt. Der übergeordnete Aufwärtstrend ist zwar weiterhin in intakt, und es gibt auch kaum Anzeichen dafür, dass dieser gebrochen werden könnte. Die nächsten Bewegungen sollten aber wieder nach oben zeigen, da sich die Situation sonst deutlich verschlechtern würde. Im Sommer dieses Jahr war die Lage ähnlich kritisch. Als die Marke von 13 000 Punkten angelaufen wurde, hatten sowohl der MACD-Indikator als auch der Stochastik-Indikator Verkaufssignale generiert. Beide wiesen Divergenzen zum aktuellen Kursverlauf auf. Während der Dax noch ein neues Top gebildet hatte, konnten die Indikatoren dieses nicht mehr nachvollziehen. Dies ist der Stoff, aus dem Korrekturen entstehen. Die anschließende Abwärtsbewegung verlief schulbuchmäßig in einem Abwärtstrendkanal. Als der Ausbruch aus diesem Trendkanal nach oben erfolgte, hatten die Indikatoren längst wieder Divergenzen gebildet. Dieses Mal auf der Unterseite, als der Dax mit dem Unterschreiten der 12 000er-Marke ein neues Tief generiert hatte. Die folgenden Verkaufssignale Mitte Oktober wurden mit einer Seitwärtskorrektur abgearbeitet. Der deutsche Leitindex mühte sich an der 13 000er-Marke, und es hatte bereits den Anschein, als könne ein Weiterlaufen nach oben nicht mehr gelingen. Dann erfolgte Ende Oktober der dynamische Schub nach oben, was mit einem neuen Kaufsignal beim MACD-Indikator einherging.Für den Auftakt des kommenden Jahres zeichnet das zyklische Bild eine uneinheitliche Entwicklung. Der Dax könnte danach noch bis April einen positiven Trend verfolgen, um sich dann eher abzuschwächen. Dies ist das typische Bild eines US-Zwischenwahljahres. Ähnlich sieht die Lage dann auch in den USA aus. Schaut man sich dagegen den Dekadenzyklus an, stellt man fest, dass ein Jahr, welches auf einer 8 endet, tendenziell ein gutes Börsenjahr darstellt. Mit Widersprüchen kann die Börse meist nur sehr schlecht umgehen. Daher sollte man sich am besten am Trend orientieren. Solange dieser intakt ist, sollte man ihn auch wie einen Freund behandeln.—-Christoph Geyer, Technischer Analyst bei der Commerzbank