DEVISENWOCHE

Der Yuan steht unter Druck

Von Daniel Winkler *) Börsen-Zeitung, 3.7.2018 Nachdem die chinesische Wirtschaft allen Befürchtungen einer abrupten Wachstumsabbremsung zum Trotz im vergangenen Jahr mit einem Wachstum von 6,8 % überraschte und dieses positive Momentum bei...

Der Yuan steht unter Druck

Von Daniel Winkler *)Nachdem die chinesische Wirtschaft allen Befürchtungen einer abrupten Wachstumsabbremsung zum Trotz im vergangenen Jahr mit einem Wachstum von 6,8 % überraschte und dieses positive Momentum bei gleicher Dynamik ins erste Quartal 2018 prolongierte, verdüstert sich das konjunkturelle Bild derzeit signifikant. Das bringt auch den Yuan mehr und mehr in Bedrängnis. Dabei sah die Welt mit Blick auf die chinesische Währung im Verhältnis zum US-Dollar zwischen Dezember 2016 bis Mitte April noch ganz anders aus: Als primäre Folge des Tandems Leistungs- und Kapitalverkehrsbilanz ging der Dollar-Yuan-Kurs in einen ausgeprägten Sinkflug über, der am Ende rund 12 % ausmachte. In diesem Zeitraum hat die People’s Bank of China (PboC) im Übrigen kaum am Markt interveniert; nicht zuletzt sollte dadurch der Vorwurf der Währungsmanipulation entkräftet werden. Seit dem 19. April klettert das Währungspaar nahezu unaufhörlich. Im vergangenen Monat Juni hat sich die chinesische Valuta gegenüber dem Greenback so schnell verbilligt wie in keiner Periode zuvor. Dollar unter DampfWas treibt Dollar/Yuan aktuell an? Auf der Dollar-Seite sorgt die spätzyklische Konjunkturlokomotive für Dampf. Angesichts der robusten US-Wirtschaftslage setzt die Fed ihre graduelle geldpolitische Normalisierung fort. Wenngleich ein im Vergleich zu früheren Dekaden niedrigerer neutraler Zinssatz die Fed 2019 bei ihrem Hauptwerkzeug deutlich limitiert, sollte der Greenback seine jüngste Erholungsbewegung geldpolitisch flankiert bis Jahresende fortsetzen. Nichtsdestotrotz ist es schon erstaunlich, mit welchen Samthandschuhen der Markt des US-Präsidenten unkalkulierbare Verhandlungsstrategie in Sachen Welthandel anfasst. Ökonomisch betrachtet ist eine Eskalation des Handelskonfliktes eine “Lose-lose”- Situation, bei der auch die US-Konjunktur mittelfristig in unruhigeres Fahrwasser gelangt – und mit ihr der Dollar. Wenngleich wir nicht ausschließen können, dass die Zollankündigung ein Verhandlungsschachzug der US-Regierung war und eine Umsetzung in letzter Minute doch noch verhindert wird, steigt die Wahrscheinlichkeit einer Eskalation. Setzt die Trump-Administration ihre angekündigten Pläne um, treten in vier Tagen zusätzliche Zölle i.H.v. 25 % auf eine Auswahl an chinesischen Produkten in Kraft. Anfänglich entspricht dies einer Summe von 34 Mrd. Dollar, die zeitnah auf 50 Mrd. Dollar erhöht werden soll. Wenngleich die direkten makroökonomischen Auswirkungen bei dieser Größenordnung (rund 0,1 % des chinesischen BIP) noch überschaubar wären, könnten bei den Zulieferketten außerhalb Chinas Kollateralschäden auftreten. Zudem tragen die bloßen Ankündigungen schon jetzt dazu bei, dass sich Geschäftsaussichten und Investoren-Sentiment eintrüben. Neben einem Sturzflug des Shanghai-Composite von über 16 % im laufenden Jahr signalisiert auch die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen, die zu Beginn des Jahres noch bei 4 % rangierte, mit aktuell 3,4 % die Skepsis der Märkte. Ein übers Wochenende stärker als erwartet gefallener PMI des verarbeitenden Gewerbes in China, bei dem insbesondere die Subkomponente für Exporte sehr negativ überraschte, fügt sich in dieses Bild ein. Zuvor enttäuschten Daten zur Industrieproduktion und den Einzelhandelsumsätzen für den Mai. Lediglich die Industriegewinne konnten überzeugen. Damit wird die zweitgrößte Volkswirtschaft just zu einem Zeitpunkt mit einer aggressiven US-Handelspolitik konfrontiert, zu dem die Konjunktur, die im Rahmen ihrer Transformation von einem export- und investitionsgetriebenen hin zu einem konsumbasierten Wachstumsmodell bereits an Tempo verliert, schwächelt. Ferner steckt die PboC mitten im Deleveraging. So ist das Wachstum der Gesamtfinanzierungen aktuell auf ein Rekordtief von rund 10 % im Jahresvergleich gefallen. Wenngleich der negative Trend beim Kreditwachstum grundsätzlich zu begrüßen ist, ist das Niveau der Gesamtverschuldung des Landes mit rund 265 % des BIP weiter horrend. Der jüngste Gegenwind hat auch die PboC wieder verstärkt auf den Plan gerufen. Vor etwas mehr als einer Woche reduzierte sie für ausgewählte Banken den Mindestreservesatz (RRR) um 50 Basispunkte. Die Senkung entsprach einer Injektion von 700 Mrd. Yuan (106 Mrd. Dollar), was wiederum knapp 1 % des BIP ausmacht. Die jüngste Anpassung soll insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen unterstützen. Wenngleich die PboC wie bereits beim Fed-Zinsschritt im Juni im zweiten Halbjahr “on hold” bleiben und ihre makroprudentielle Aufsicht vorantreiben sollte, enthält die Senkung der RRR u.E. eindeutig expansive Töne. Sollten die externen Risiken und hier v.a. Handelsbarrieren zunehmen, wird sich der Deleveraging-Prozess verlangsamen. Dies birgt weiter die Gefahr einer plötzlichen Anpassung mit der Folge von abrupten Kapitalabflüssen und entsprechender Wirkung auf die Währung. Ein Auslöser wäre ein plötzlicher Vertrauensverlust innerhalb des chinesischen Finanzsektors. Von Engagement absehenSollten sich Trumps Forderungen nach einer Reduzierung des Warenhandelsüberschusses durchsetzen und das Minus im Handel mit Dienstleistungen erwartungsgemäß zunehmen, dürfte Chinas Leistungsbilanzüberschuss weiter sinken. Das überraschende Leistungsbilanzdefizit im ersten Quartal war saisonal bedingt. Sollte sich die negative Tendenz jedoch beschleunigen, verlöre der Yuan eine weitere Unterstützung. Aktuell überwiegen ganz klar die Risiken. Von einem Engagement im Yuan würden wir derzeit absehen.—- *) Daniel Winkler ist Finanzanalyst bei Metzler.