DEVISENWOCHE

Der Yuan steht vor Problemen

Von Daniel Winkler *) Börsen-Zeitung, 29.8.2017 Die breite Mehrheit namhafter Marktakteure prognostizierte vergangenes Jahr für 2017 eine deutliche Schwäche des Euro - ein Absturz unter die Parität zum Dollar galt mehrheitlich als realistisches...

Der Yuan steht vor Problemen

Von Daniel Winkler *)Die breite Mehrheit namhafter Marktakteure prognostizierte vergangenes Jahr für 2017 eine deutliche Schwäche des Euro – ein Absturz unter die Parität zum Dollar galt mehrheitlich als realistisches Szenario. Auf dem Risikoradar des Konsensus stand zum damaligen Zeitpunkt vor allem die nach wie vor expansive Ausrichtung der EZB, politische Unsicherheiten (v. a. Frankreich-Wahl) sowie eine nur verhaltene Konjunkturentwicklung in der EWU. Doch weit gefehlt! Im Konzert der G20-Valuten hat sich die Gemeinschaftswährung bislang respektabel behaupten können. Angesichts eines stärker als von den Märkten erwartet ausgefallenen Wachstumsmomentums der chinesischen Volkswirtschaft besticht unseres Erachtens insbesondere der Höhenflug beim Euro-Yuan-Kurs (EUR/CNY). Mit einem Plus von rund 7 % dürfte das Währungspaar den einen oder anderen Marktteilnehmer dieses Jahr auf dem falschen Fuß erwischt haben.Mit Blick auf die Eurozone fungierte der “marktfreundliche” Ausgang der Wahlen in den Niederlanden und vor allem in Frankreich als Startschuss für eine fulminante Euro-Aufwertung. Gleichzeitig sorgte ein mehr und mehr “brummender” EWU-Konjunkturmotor, gestützt durch eine robuste Weltkonjunktur, für ordentlich Dampf. Vor diesem Hintergrund hat Mario Draghi nach der Drosselung des monatlichen Ankaufvolumens per April im portugiesischen Sintra nur wenige Monate später einen weiteren Schritt in Aussicht gestellt. Wenngleich die Rückführung der ultraexpansiven Geldpolitik nur in Trippelschritten erfolgt, so ist deren Zenit sicherlich überschritten. Konjunktur überraschtChina hingegen überraschte nach Befürchtungen einer abrupten konjunkturellen Eintrübung und einem 2016er-BIP-Wachstum von 6,7 % in der Jahresrate mit soliden Q1 und Q2-Wachstumszahlen von jeweils 6,9 % im Jahresvergleich. Im Kontext von Chinas Transformation von einer export- und investitionsgetriebenen hin zu einer konsumbasierten Volkswirtschaft ist grundsätzlich positiv hervorzuheben, dass der Konsum (Nachfrageseite) angesichts eines festen Arbeitsmarktes mit beinahe zwei Drittel inzwischen Hauptwachstumstreiber ist. Im Zuge einer graduellen Anpassung ist der Wachstumsbeitrag von Investitionen, wobei der chinesische Staat und die Erholung im Bausektor eine maßgebliche Rolle spielen, ebenfalls von Bedeutung. Vor dem Hintergrund einer synchronen weltwirtschaftlichen Erholung konnten im vergangenen Jahr zudem auch die Nettoexporte wieder positiv beitragen. Auf der Angebotsseite war neben dem Dienstleistungssektor die Erholung des verarbeitenden Gewerbes von großer Relevanz. Die skizzierte robuste inländische Nachfrage verhalf China darüber hinaus, sein externes Ungleichgewicht weiter zu reduzieren. 2016 fiel der Leistungsbilanzüberschuss knapp einen Prozentpunkt auf 1,7 % des BIP – ganz im Sinne einer sukzessiven Abkehr von der “Werkbank der Welt”. Steigende VerschuldungThere is no free lunch. Wenngleich die starke Inlandsnachfrage wie beschrieben als prinzipiell positiv einzustufen ist, sind die Gründe für deren neuerliche Dynamik unseres Erachtens weitaus kritischer zu beurteilen. Während staatliche Reformen insbesondere vorhandene Überkapazitäten im Industriesektor abgebaut und mithin dazu beigetragen haben, dass die Produzentenpreise erstmals seit 2012 deflationärem Terrain entkommen sind – mit entsprechender Wirkung auf die Unternehmensgewinne -, sorgten vor allem eine substanzielle Lockerung von Finanzierungskonditionen in den Jahren 2014 und 2015 für einen kontinuierlichen Anstieg privater und öffentlicher Verschuldung. Doch bereits seit der zweiten Jahreshälfte 2016 implementiert China vor allem wieder striktere makroprudentielle Maßnahmen, und die Notenbank erhöhte die Sieben-Tage-Repo-Rate.Summa summarum dürften diese Maßnahmen die Finanzierungsbedingungen zwar beinträchtigen, jedoch nicht hinreichend stark, um den eingeschlagenen Weg der Verschuldung des Landes umzukehren. Unseres Erachtens fällt die Wahl der Regierung und mithin der PBoC im Trade-off zwischen Konjunkturunterstützung im Sinne einer langsamen Anpassung des Wachstumsmodells und der Eindämmung der überbordenden Verschuldung – auf 235 % des BIP beliefen sich die Schulden des Nicht-Finanzsektors 2016 – weiterhin auf fiskal- und geldpolitische Impulse. Ein Teufelskreis, denn solange der kreditintensive Beitrag zum Wirtschaftswachstum nicht hinreichend reduziert wird, ist die erreichte Wertschöpfung nicht “gesund”. Vielmehr ist die Gefahr einer plötzlichen Anpassung nicht zu unterschätzen. Mögliche Auslöser gibt es einige, wie ein erneutes plötzliches Anziehen von Kapitalabflüssen aufgrund exogener Faktoren, was eine deutliche Abwertung der Währung zur Folge hätte. Ein anderer Trigger wäre ein abrupter Vertrauensverlust innerhalb des chinesischen Finanzsektors, z. B. im Interbankenmarkt. JahresendprognoseIn anderen Worten: Die kreditinduzierten (Nachfrage-)Impulse, die in der kurzen Frist das Wachstum hoch halten, führen mittelfristig zu Abwärtsrisiken. Dies antizipieren die Märkte naturgemäß. Mit Blick auf EUR/CNY sehen wir vor dem Hintergrund latenter Kreditrisiken sowie einer soliden EWU-Konjunktur nebst einer entsprechenden Reaktionsfunktion der EZB das Momentum daher weiterhin auf der Oberseite. Unsere Jahresendprognose lautet 8,14 Yuan je Euro.—-*) Daniel Winkler ist Finanzanalyst (FI/FX) des Bankhauses Metzler.