GASTBEITRAG

Der Zloty bleibt für die neue polnische Regierung ein nationales Symbol

Börsen-Zeitung, 9.12.2015 Die neue polnische Ministerpräsidentin Beata Szydlo versprach in ihrer Rede vor dem Sejm, dem polnischen Parlament, höhere Sozialausgaben, Steuersenkungen sowie verstärkte Investitionen. Doch sind diese Maßnahmen...

Der Zloty bleibt für die neue polnische Regierung ein nationales Symbol

Die neue polnische Ministerpräsidentin Beata Szydlo versprach in ihrer Rede vor dem Sejm, dem polnischen Parlament, höhere Sozialausgaben, Steuersenkungen sowie verstärkte Investitionen. Doch sind diese Maßnahmen tatsächlich dazu geeignet, das Wirtschaftswachstum in den kommenden Jahren anzukurbeln?Das angepeilte Ziel von jährlich 4 % Wachstum ist – optimistisch ausgedrückt – sehr ambitioniert. Der geplante Mix aus konsumorientierten steuerlichen Anreizen sowie einer Lockerung der Geldpolitik wird lediglich kurzfristige Effekte erzielen. Zudem hat es den Anschein, dass die neue Regierung die negativen Auswirkungen einer Finanzierung ihrer Wahlversprechen durch neue Steuern, wie beispielsweise auf Bankbilanzen oder Steuererhöhungen im Einzelhandel, erheblich unterschätzt. Und auch das geplante LTRO-ähnliche Investitionsprogramm wird sich nicht auf das Wachstumspotenzial der polnischen Wirtschaft auswirken.Viel wahrscheinlicher ist hingegen, dass die Regierung gezwungenermaßen von einigen ihrer Haushaltspläne abrücken wird. Denn allein die Kosten für das Flaggschiff-Programm, eine Geldprämie für neugeborene Kinder, entsprechen 1,3 % des polnischen BIP. Und auch wenn diese für 2016 etwas geringer ausfallen dürften, da das Programm nicht vor dem zweiten Quartal startet, scheint es unrealistisch, dass das angepeilte Defizitlimit von 3 % des BIP eingehalten werden wird. Denn die zusätzlich geplante Senkung des Renteneinstiegsalters, die Verdopplung des Steuerfreibetrages, die Anhebung des Mindestlohns, kostenlose Medizinversorgung für ältere Menschen und die Senkung der Körperschaftsteuer werden in Summe sogar noch teurer. Gleichzeitig entsprechen die prognostizierten Mehreinnahmen durch Bank- und Einzelhandelssteuer nur einem Bruchteil des notwendigen Finanzierungsbudgets.Als “Stimme der Vernunft” in der Regierung kann immerhin der stellvertretende Ministerpräsident Mateusz Morawiecki bezeichnet werden. Dieser ließ durchblicken, dass die verschiedenen Maßnahmen gestaffelt implementiert werden sollen. Allerdings ist ein Aufschub der kostspieligen “Neugeborenenprämie” unwahrscheinlich. Denn das wäre ein herber Rückschlag für die neue Regierung. Somit bleibt für diese Maßnahme nur eine Option, und zwar eine Anpassung der Höhe dieser Sozialleistungen.Die Konjunktur wird sich im kommenden Jahr, trotz des durch die fiskalische Lockerung kurzfristig angekurbelten Konsums, nicht spürbar beschleunigen. Denn der Vorschlag der Regierungspartei “Recht und Gerechtigkeit” (PiS), eine Bankensteuer auf einem europäischen Rekordniveau von 0,39 % der Bilanzsumme einzuführen, wird sich negativ auf die Kosten von Verbraucherkrediten auswirken. Zudem könnte die geplante Besteuerung von Einzelhandelsketten vor allem die Wettbewerbsposition von kleinen und mittelständischen Einzelhändlern – inklusive ihrer gesamten Lieferkette – schwächen, was letztendlich sogar zu einem Anstieg der finalen Verbraucherpreise führen könnte. Aufgrund der fiskalischen Risiken wird es hingegen zu einem Anstieg der Länderrisikoprämie kommen, wodurch sich mittelfristig der Zinsdruck auf das Land erhöhen wird.Immerhin könnte die Pro-Investment-Richtlinie sowie die Senkung der Körperschaftsteuer für KMUs oder Steuererleichterungen bei Investitionstätigkeiten das Wachstum ankurbeln. Doch die Implementierung eines LTRO-ähnlichen Programms durch die Zentralbank ist eine überflüssige und veraltete Maßnahme, die vielmehr zu einer starken Marktverzerrung führen würde. Das Investitionswachstum war bereits in den letzten Quartalen sehr stark, das Kreditwachstum hat sich beschleunigt und der polnische Bankensektor verfügt über ausreichende Liquiditätsreserven. Somit steht der Vergabe von Krediten nichts im Weg.Um die Attraktivität Polens für in- und ausländische Investoren zu steigern, braucht es strukturelle Veränderungen. Sollte dies nicht passieren, werden die jetzt präsentierten Versprechen – wenn überhaupt – nur einen stark limitierten Einfluss auf das langfristige Wachstum Polens haben. Denn das Land steht vor großen Herausforderungen, etwa einer schrumpfenden Bevölkerung. Auch wenn die Regierung die Ausgaben für die “Geburtenprämie” als Investitionen bezeichnet, wird sich diese demografische Entwicklung dadurch nicht eindämmen lassen. Viel sinnvoller wäre es, dieses Geld in die Infrastruktur von Vorschuleinrichtungen zu investieren, um Müttern den schnellen Wiedereinstieg in das Berufsleben zu erleichtern.Eine der größten Herausforderungen, der die neue polnische Regierung gegenübersteht, betrifft den Kohlebergbau. Denn dieser Sektor, der mit Überbeschäftigung und Ineffizienz zu kämpfen hat, funktioniert auf seinem momentanen Niveau lediglich aufgrund hoher staatlicher Subventionen. Sollte die Regierung die Kohleproduktion weiterhin um jeden Preis am Laufen halten, wird Polen sehr wahrscheinlich EU-Konventionen zum Klimaschutz, etwa zu Kohlenstoffemissionen, nicht einhalten können. Das würde dem internationalen Image des Landes weiteren Schaden zufügen. Und obwohl ein Beitritt in die Währungsunion sehr wahrscheinlich zu einem Anstieg des Ratings führen könnte, hält die euroskeptische Regierungspartei weiterhin am Zloty als nationalem Symbol fest. Die von Szydlo präsentierten Vorschläge sind kostspielig, und ihr Fokus ist zu kurzfristig. Tatsächlich aber lässt sich das wirtschaftliche Potenzial nur durch langfristige, strukturelle Reformen beeinflussen. Doch es gibt einen Lichtblick: Immerhin ein Regierungsmitglied scheint die Spielregeln für Entwicklung und langfristiges Wachstumspotenzial verstanden zu haben, und zwar der stellvertretende Ministerpräsident Morawiecki.—-Katarzyna Rzentarzewska, Volkswirtin bei Erste Group Bank und auf Polen spezialisiert