IM INTERVIEW: KATARZYNA RZENTARZEWSKA, ERSTE GROUP

"Der Zloty wird schwach bleiben"

Volkswirtin sieht Belastung durch Zwangskonvertierung von Franken-Krediten und weitere Herabstufungen der Bonitätsnote Polens

"Der Zloty wird schwach bleiben"

Trotz wachsender politischer und fiskalischer Risiken bleibt die polnische Volkswirtschaft noch auf Wachstumskurs. Für den Zloty wird dennoch unter anderem wegen der politischen Unsicherheit der Gegenwind stärker, zumal eine Lockerung der Geldpolitik möglich erscheint. Was dies alles mit Franken-Krediten, der Unabhängigkeit der Notenbank in Warschau und dem neuen Kindergeld in Polen zu tun hat, erläutert im Interview der Börsen-Zeitung Katarzyna Rzentarzewska, Volkswirtin bei Erste Group.- Frau Rzentarzewska, der polnische Zloty ist nach wochenlanger Erholung jüngst wieder etwas unter Druck geraten. Was sind die Auslöser dafür gewesen?Bei Eintritt unerwarteter Ereignisse neigt insbesondere der Devisenmarkt zu Überreaktionen. Wie es scheint, ist die Erholung, die auf den Kursrutsch nach der überraschenden Herabstufung durch S & P folgte, nun zu Ende gegangen. Außerdem hat der Zloty, wie auch andere Währungen der Region, in letzter Zeit aufgrund steigender Risikoaversion an Wert verloren. Was inländische Einflüsse betrifft, wird insbesondere die laufende Diskussion über Pläne zur Konvertierung von Fremdwährungskrediten den Zloty in der unmittelbaren Zukunft belasten. Darüber hinaus zeigt der geldpolitische Ausschuss der Zentralbank erste Anzeichen einer lockereren Haltung, was den Zloty schwach halten könnte.- Die Frage nach der Rechtsstaatlichkeit in Polen wird derzeit europaweit wegen des Streits um das Verfassungsgericht diskutiert. Hat dies Auswirkungen auf die polnische Volkswirtschaft und die Währung?Die polnische Wirtschaft ist kräftig gewachsen, und unserer Meinung nach hat die Krise um das Verfassungsgericht keine direkte Auswirkung auf die Wirtschaft. Allerdings war für die Herabstufung durch S & P insbesondere die Schwächung der institutionellen Rahmenbedingungen ausschlaggebend. Vor kurzem hat auch Moody’s erklärt, die Turbulenzen um den Verfassungsgerichtshof würden sich auf die Bonität negativ auswirken. Wenn Moody’s beschließt, den Ausblick auf negativ zu setzen und/oder das Rating Polens zu senken, wird dies mit großer Wahrscheinlichkeit negative Folgen für den Zloty haben. Wir würden keine ähnlich scharfe Reaktion wie Mitte Januar nach der Entscheidung von S & P erwarten, doch wird das Potenzial für eine Befestigung der Währung mittelfristig beschränkt bleiben.- Bei der Berufung neuer Mitglieder der polnischen Notenbank war ein Bias hin zu einer lockeren Geldpolitik erwartet worden. Hat sich dies bislang bewahrheitet?Entgegen den ursprünglichen Erwartungen, der neue geldpolitische Ausschuss werde eine eher lockere Geldpolitik verfolgen, haben sich die neu bestellten Mitglieder überraschenderweise als Vertreter einer restriktiven Haltung erwiesen. Es könnte sein, dass der neue geldpolitische Ausschuss seine Unabhängigkeit unterstreichen wollte, da deren Verlust von S & P als nicht zu vernachlässigendes Risiko bezeichnet worden war. Eine Zeit lang sprach sich der Ausschuss einstimmig für eine Beibehaltung stabiler Zinsen als wahrscheinlichstes Szenario aus. Jüngst haben wir jedoch erste Anzeichen einer Lockerung festgestellt. Wir bleiben bei unserer Einschätzung, dass die Diskussion über eine Lockerung der Geldpolitik im zweiten Halbjahr 2016 wieder auf der Tagesordnung stehen wird, sobald das Familienprogramm “500+” – künftig erhalten die Eltern in Polen ein monatlich ausgezahltes Kindergeld von 500 Zloty für das zweite und alle weiteren Kinder – nicht mehr einen so hohen Nachfragedruck erzeugt, wie er vom Ausschuss derzeit erwartet wird.- Die neue polnische Regierung denkt über die zwangsweise Umwandlung von Franken-Krediten nach ungarischem Beispiel nach. Welche Konsequenzen könnte dies haben?Derzeit laufen Gespräche über eine Konvertierung von Fremdwährungskrediten. Die polnische Finanzaufsicht behauptet, die geplante zwangsweise Konvertierung von Fremdwährungskrediten würde in ihrer derzeitigen Form die Stabilität des Finanzsystems bedrohen. Davor hatte die polnische Zentralbank eine ähnliche Erklärung abgegeben. Der Teufel liegt jedoch im Detail. Eine zwangsweise Konvertierung von Fremdwährungskrediten würde die Banken neben der jüngst eingeführten Bankensteuer noch zusätzlich belasten. Da die von einer Konvertierung betroffenen Beträge schwer zu prognostizieren sind, ist es fast unmöglich, die Folgen einer Abwicklung von Fremdwährungsfinanzierungen oder deren Absicherungen im Voraus abzuschätzen, was den Zloty weiterhin schwächt, sofern die Zentralbank nicht beschließt, ihn im Fall einer Konvertierung zu stützen.- Wie schätzen Sie die konjunkturelle Lage derzeit in Polen ein?Die polnische Wirtschaft hat sich trotz der wachsenden fiskalischen und politischen Risiken gut entwickelt. Die Stimmung ist nach wie vor positiv. Das Wirtschaftswachstum – dieses Jahr 3,6 % – sollte zu den höchsten der Region zählen, da das Vorzeigeprogramm der Regierung “500+” den Konsum und damit auch das Wachstum ankurbeln wird. Damit sollten die negativen Auswirkungen der für dieses Jahr aufgrund geringerer Zuflüsse von EU-Mitteln erwarteten Abschwächung der Investitionstätigkeit ausgeglichen werden. Polen hat von niedrigen Rohstoffpreisen profitiert. Das Leistungsbilanzdefizit ist deutlich gesunken und lag 2015 auf dem historisch niedrigen Niveau von – 0,2 % des BIP, während die rückläufige Inflation die Kaufkraft der Privathaushalte stärkte. Allerdings erwies sich der Rückgang der Teuerung als hartnäckiger als anfänglich erwartet. Die Regierung hat daher begonnen, ihre Ausgaben zu steigern. Allerdings brachte die Einlösung der von der Regierung abgegebenen Versprechen die Staatsfinanzen unter Druck. Unserer Einschätzung nach wird die Auswirkung der Deflation auf die Budgeteinnahmen von der Regierung unterschätzt. Es gibt keinen ausreichenden Nachweis dafür, dass der Anstieg der Einnahmen durch eine verbesserte Mehrwertsteuererhebung hoch genug ausfallen wird. Damit wird man entweder die Umsetzung der Versprechen verschieben, die Zusagen anpassen oder sonstige Finanzierungsquellen erschließen müssen, wenn die Regierung finanzpolitische Kriterien wie ein Haushaltsdefizit von unter 3 % des BIP einhalten will. Insgesamt bleibt der makroökonomische Ausblick für Polen gut; mittelfristig sehen wir allerdings Risiken, da einige Maßnahmen negative Folgen für das Wachstumspotenzial mit sich bringen könnten, sofern das Entwicklungsministerium die Investitionsquote nicht erfolgreich steigern kann.- Welche Erwartungen ergeben sich für Sie daraus für die Geldpolitik?Wir betonen schon seit einiger Zeit, dass wir in Polen Spielraum für eine Lockerung der Geldpolitik sehen, da sich die Deflation als hartnäckiger als erwartet erwiesen hat und auch der Nachfragedruck und die Inflationserwartungen gedämpft sind. Die Kerninflation ist vor kurzem negativ geworden, was die Aussagen der Zentralbank, die Deflation sei nur durch externe Faktoren getrieben, in Frage stellt. Die Zentralbank scheint mittelfristig ein Verfehlen des Inflationsziels von 1,5 % jedoch hinzunehmen, solange das Wirtschaftswachstum robust bleibt. Darüber hinaus unterstrich die Zentralbank, sie würde im Fall negativer Schockereignisse gerne über Flexibilität verfügen. Unserer Meinung nach wird die Diskussion über eine Lockerung der Geldpolitik im Lauf des Jahres wieder aufleben, sobald sich herausstellt, dass die Auswirkungen des Programm “500+” auf die Inflation nicht so hoch sind wie derzeit vom geldpolitischen Ausschuss erwartet. Eine globale Abschwächung des Wirtschaftswachstums ist nach wie vor ein Risikofaktor. Sollte sich der wirtschaftliche Ausblick für die Haupthandelspartner Polens verschlechtern, könnte dies die Mitglieder des geldpolitischen Ausschusses dazu bewegen, aktiv zu werden.- Wie wird sich vor diesem Hintergrund der Zloty Ihrer Einschätzung nach entwickeln?Derzeit erwarten wir, dass der Zloty schwach bleiben und zum Jahresende bei 4,36 zum Euro stehen wird, bei einem aktuellen Kurs von 4,34. Der Spielraum für eine weitere Aufwertung erscheint gering. Nach der überraschenden Herabstufung durch S & P hat sich der Zloty wieder erholt. Die globale Stimmungslage in Form zunehmender Risikoaversion begünstigt eine leichte Abschwächung des Zloty. Außerdem werden die Pläne für eine Zwangskonvertierung von Fremdwährungskrediten den Zloty auf kurze Sicht belasten. Auch ein negativer Ausblick oder eine Herabstufung Polens durch Moody’s, der nächste Bericht wird im Mai erwartet, könnte sich Zloty-negativ auswirken. Anzeichen einer bevorstehenden Lockerung der Geldpolitik durch die Zentralbank könnten ebenfalls eine Abwertung der polnischen Währung zur Folge haben.—-Das Interview führte Stefan Schaaf.