Deutsche Bank erwartet Aufschwung für Europas Fernsehaktien
xaw Frankfurt – Die Deutsche Bank beurteilt die Aussichten für TV-Sendeanstalten optimistischer als bisher. Zwar sei der strukturelle Druck auf den Sektor in den vergangenen Jahren gewachsen, da Zuschauer und Werbekunden zu Online-Angeboten abgewandert seien. Zudem habe die Coronakrise die Werbeausgaben vieler Unternehmen belastet – so seien die Investitionen in den fünf größten europäischen Märkten Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Italien und Spanien um rund 17 % zurückgegangen. In der Folge dürften die Erlöse der Fernsehkonzerne im zweiten Quartal durchschnittlich um 36 % eingebrochen sein.Allerdings verfügten die Senderbetreiber immer noch über genügend Inhalte und eigene Digitalkanäle, um Zuschauer zu halten und ihren Anteil am Werbemarkt zu verteidigen – in Europa liegt dieser laut den Analysten des Frankfurter Geldhauses derzeit bei rund 25 %. Das lineare Fernsehen spiele im Leben vieler Menschen weiter eine große Rolle, in den fünf großen europäischen Märkten habe die durchschnittliche Fernsehdauer im Jahr 2019 laut einer Analyse des Marktforschers Ampere 3,4 Stunden pro Person und Tag betragen. Zudem sei die Konkurrenz durch Streamingdienste wie Netflix und Amazon Prime mittlerweile in den Aktienkursen eingepreist. Kurssturz als EinstiegschanceDa die Papiere der von der Deutschen Bank abgedeckten Sendeanstalten seit Jahresbeginn im Mittel 44 % ihres Wertes verloren hätten, ergäben sich nun attraktive Einstiegsgelegenheiten für Investoren – zumal in den kommenden beiden Jahren wohl eine deutliche Erholung der Werbeausgaben anstehe. Insbesondere die Aktien nordeuropäischer Betreiber halten die Analysten aktuell für aussichtsreich. So haben sie das Kursziel für ProSiebenSat.1 zwar von 14,50 auf 12 Euro (aktuell: 9,78 Euro) gesenkt, den Titel aber von “Halten” auf “Kaufen” hochgestuft. Der Medienkonzern habe im Kerngeschäft mit Investitionen in Video-on-Demand-Plattformen und einem stärkeren Fokus auf lokale Inhalte die richtige Richtung eingeschlagen.Vor allem profitiere er derzeit aber von seinem diversifizierten Geschäftsmodell: Werbeeinnahmen machten nur noch weniger als die Hälfte des Umsatzes aus, einen großen Teil generiere das Unternehmen über den Online-Handel. Aktuell leide der Umsatz im Vergleich zu den Wettbewerbern daher weniger, im Gesamtjahr 2020 sei lediglich mit einem Minus von 9 % zu rechnen. Dagegen dürften die Erlöse im Sektorschnitt um 15 % zurückgehen. Unter anderem dürfte sich laut der Deutschen Bank der Online-Vertrieb von Kosmetikprodukten stützend auswirken. Das starke Wachstum in dieser Sparte habe die Rückschläge bei den Online-Reisebüros sowie den Vergleichs- und Erlebnisportalen der ProSieben-Digitaltochter Nucom im zweiten Quartal abfedern können.Für die nächsten Quartale seien positive Impulse zu erwarten – dazu könne auch ein Börsengang der Online-Dating-Sparte gehören. Dieser soll laut dem Konzern Ende 2022 bevorstehen. Indes könne ein strategischer Schritt eines Großaktionärs die ProSieben-Aktie zusätzlich beflügeln. Die italienische Mediaset und ihre Töchter halten inzwischen 24 % der Anteile, die tschechische CMI kommt auf 10 % und die US-Beteiligungsgesellschaft KKR auf 6 %.Bezüglich des Papiers von RTL sind die Analysten vorsichtiger und lassen es mit einem von 48 auf 35 Euro (aktuell: 28,60 Euro) gestutzten Kursziel auf “Halten”. Zwar verfüge RTL über ein breiteres Geschäftsmodell als andere Vertreter und betreibe mit TVNow auch die größte Video-on-Demand-Plattform – allerdings stoße der Konzern mit seiner aggressiven Streaming-Strategie auf einen überlaufenen Markt. Um sich gegen Vorreiter wie Netflix und die lokale Konkurrenz wie Joyn, das Gemeinschaftsunternehmen von ProSieben und Discovery, zu behaupten, seien hohe Investitionen nötig. Dies könne das Ebitda belasten und sich auch negativ auf die künftigen Dividendenausschüttungen auswirken.Unter den Aktien der anderen europäischen Sender sieht die Deutsche Bank für ITV großes Potenzial. Zwar haben die Analysten das Kursziel für den Titel von 120 auf 80 Pence (aktuell: 62,80 Pence) eingedampft, geben nun statt einer Halte- aber eine Kaufempfehlung ab. Gerade die eigenen Produktionsstudios versprächen Umsatzsteigerungen. Allerdings vermeldete ITV für das zweite Quartal mit – 43 % den heftigsten Einbruch der Werbeumsätze seiner Geschichte. Der Senderbetreiber sieht sich außerstande, einen Ausblick für das dritte Quartal zu stellen. Die Hoffnung liegt auch bei ITV auf dem Streaming. Laut Unternehmensführung liegen die Abonnentenzahlen für den hauseigenen Dienst Britbox derzeit über der Zielvorgabe.