Geld oder BriefDeutsche Börse

Deutsche Börse weckt Anlegerfantasien

Mit ihrem Strategieprogramm Horizon 2026 hat die Deutsche Börse die Kursfantasien der Investoren befeuert. Umsatzprognosen wurden angehoben, die Vorbehalte wegen des Erwerbs von Simcorp gedämpft. Und auch die Aussicht auf Aktienrückkaufprogramme hilft dem Aktienkurs.

Deutsche Börse weckt Anlegerfantasien

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Deutsche Börse weckt Anlegerfantasien

Von Detlef Fechtner, Frankfurt

Anfang November präsentierten Vorstandschef Theodor Weimer und seine Vorstandskollegen die neue Strategie der Deutschen Börse – und den Anlegern gefiel allem Anschein nach, was man ihnen vorstellte. Denn die Aktie des Handelsplatzbetreibers war am 7. November mit einem Sprung um 3,5% Tagessieger im deutschen Leitindex. Und gleich mehrere Analysehäuser passten anschließend ihre Kursziele für die Deutsche-Börse-Aktie nach oben an.

In den sechs Wochen seit der Vorlage des Strategiepapiers „Horizon 2026“ hat der Aktienkurs um weitere 10% zugelegt und notiert mittlerweile nördlich von 180 Euro. Das zeigt, dass die Kursfantasie der Investoren nicht nur kurzfristig befeuert worden ist. Und nach wie vor liegen viele professionelle Beobachter mit ihren Kurszielen noch höher, im Schnitt knapp unter der 200-Euro-Marke. Wenig überraschend sind die Empfehlungen der von Bloomberg befragten Analysten daher überwiegend positiv. Von 27 Finanzprofis raten 13 zum Kaufen, 13 zum Halten und nur einer zum Verkaufen.

Angehobene Umsatzprognosen

Die Gründe, die Analysten für weiteres Kurspotenzial der Deutschen Börse ins Feld führen, sind sehr unterschiedlich. Die Aktienexperten von Goldman Sachs berichten, dass sie im Nachgang zur Präsentation von Horizon ihre Umsatzprognosen für die Börse angehoben haben. Deutsche Bank Research erklärt, die mit Horizon verbundenen Ziele hätten die Erwartungen der Bank übertroffen. Und die UBS bewertet die Wachstumsaussichten als positiv und kann sich einen Kurs von 210 Euro vorstellen.

Vier Argumente

Der Vorstand hatte bei der Präsentation des künftigen strategischen Kurses vor allem auf vier Argumente abgestellt. Erstens traut sich die Börse zweistelliges Wachstum beim Nettoumsatz und beim Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen auf Basis eines robusten operativen Geschäfts zu. Zweitens erkennt das Management langfristig hohes Wachstumspotenzial insbesondere in der Sparte Investment Management Solutions, in der die Börse ISS Stoxx, Axioma und Simcorp zusammenführt. Drittens wittert die Börse zusätzliche Chancen im Geschäft mit digitalen Vermögenswerten. Und viertens will das Unternehmen seine Dividendenquote senken und sich damit mehr Spielraum für wahlweise Zukäufe oder Aktienrückkäufe eröffnen.

Aktienrückkäufe erwartet

Gerade das letztgenannte Argument weckt Fantasien. So unterstreichen Barclays und J.P. Morgan ihre Erwartung, dass in den kommenden Jahren mit Aktienrückkäufen der Deutschen Börse zu rechnen sei. „Aktienrückkäufe gehören nun zum Instrumentenkasten“, lobt J.P. Morgan und Barclays unterstreicht: "Die Deutsche Börse wird über die Kapazitäten für weitere Rückkaufprogramme verfügen.“ Der Hinweis auf „weitere“ Programme spielt darauf an, dass die Börse im November bereits schon einen ersten „share buy-back“ im Laufe des Anfangsquartals 2024 angekündigt hat. Das Volumen soll 300 Mill. Euro betragen. Spekulationen von Investoren über ein Folgeprogramm richten sich nun auf das Jahr 2025.

Einige Fragezeichen

Freilich gibt es auch Punkte, die gegen ein Engagement in der Deutsche-Börse-Aktie sprechen. Dazu zählen vor allem anderen die Vorbehalte von Investoren, ob die Integration des Neuerwerbs Simcorp so gut gelingt, dass sich die eingeplanten Wachstumsschübe realisieren lassen. Es ist kein Zufall, dass der Kurs der Deutschen Börse erst Anfang November richtig Fahrt aufgenommen hat und kurz zuvor noch unter dem Niveau zu Jahresbeginn lag. Denn Anleger hegten erhebliche Zweifel, ob der milliardenschwere Deal sein Geld wert war – einige setzen dahinter noch heute ein Fragezeichen. Zudem präferieren einige Analysten andere Handelsplatzbetreiber gegenüber der Deutschen Börse, beispielsweise Euronext, deren Kurs-Gewinn-Verhältnis niedriger liegt als das der Frankfurter, das in diesem Jahr zwischen 16 und 18 taxiert wird. Schließlich gibt es grundsätzliche Skepsis mit Blick auf das Brot-und Butter-Geschäft der Börse, nämlich den Handel und die Verrechnung von Wertpapieren. Schließlich hat sich gerade im laufenden Jahr mit Linde das größte Dickschiff aus dem Dax verabschiedet. Zugleich lahmt das IPO-Geschäft. Nicht auszuschließen, dass das klassische Börsengeschäft an Bedeutung verliert.

Kontinuitätsvermutung

Last but not least hat der in seiner Amtszeit bislang sehr erfolgreiche Vorstandschef Weimer seinen Abschied für das Ende des kommenden Jahres angekündigt. Allein: Was den Führungswechsel angeht, zeigen sich viele Analysten entspannt, rechnen sie doch mit einem störungsfreien Übergang und auch mit einer grundsätzlichen Fortführung des eingeschlagenen Kurses.