GASTBEITRAG

Die Ablösung des Dollar als Welt-Leitwährung steht nicht an

Börsen-Zeitung, 11.9.2015 Als Reservewährung und Transaktionswährung ist der US-Dollar dominant. Doch werden immer wieder Alternativen diskutiert. Wie realistisch ist eine Ablösung des Dollar als Weltleitwährung? Sind Renminbi,...

Die Ablösung des Dollar als Welt-Leitwährung steht nicht an

Als Reservewährung und Transaktionswährung ist der US-Dollar dominant. Doch werden immer wieder Alternativen diskutiert. Wie realistisch ist eine Ablösung des Dollar als Weltleitwährung? Sind Renminbi, IWF-Sonderziehungsrechte (SZR) oder andere Konstrukte Alternativen?Kritik an der Dominanz des Dollar ist nicht neu. Bereits Frankreichs Präsident Charles de Gaulle wollte mit seinem “goldenen Plan” 1965 die Dominanz des Dollar brechen. Etliche weitere Versuche folgten – allesamt erfolglos. Auch nach dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems fixer Wechselkurse Anfang der 1970er Jahre hat der Dollar seinen Status als dominierende Reservewährung nicht verloren. Ende März 2015 wurden rund 64 % derjenigen Devisenreserven, deren Aufteilung dem Internationalen Währungsfonds (IWF) bekannt ist, in US-Dollar gehalten. Daneben wird lediglich der Euro in größerem Umfang als Reservewährung verwendet (20,7 %).Aber nicht nur als Reservewährung dominiert der Dollar. Auch im internationalen Handel besitzt er eine herausragende Stellung. Im Außenhandel unter Drittländern wird – von Ausnahmen in Osteuropa und bei wenigen Rohstoffen abgesehen – in aller Regel entweder eine der beteiligten Währungen oder der US-Dollar zur Fakturierung verwandt. Auch im Devisenhandel werden 87 % aller Transaktionen gegen US-Dollar abgerechnet.Wird der Dollar seine dominierende Rolle verlieren? Die beiden Ökonomen Eric Helleiner und Jonathan Kirshner teilen die existierenden Analysen zur Beantwortung dieser Frage in drei Gruppen: Marktbasierte Ansätze versuchen, die zukünftige Rolle des US-Dollar und möglicher Alternativen aus seiner – aus ökonomischer Sicht – relativen Attraktivität gegenüber Alternativen abzuleiten. Instrumentale Ansätze sehen die Entscheidung über die zukünftige Reservewährung in der Hand von öffentlichen Institutionen – hauptsächlich Regierungen und Notenbanken. Allerdings sehen Vertreter dieser Schule die Motive der Beteiligten weiterhin im ökonomischen Bereich. Diese Annahme wiederum geben Vertreter geopolitischer Ansätze auf. Auch sie sehen die Entscheidung im Wesentlichen in der Hand öffentlicher Institutionen, sehen als Motiv für die Wahl der Reservewährung aber geostrategische und machtpolitische Argumente.Wir beschränken uns auf marktbasierte Ansätze. Der Grund: Mit dem Ende des Bretton-Woods-Systems gibt es eine “Weltfinanzordnung” im eigentlichen Sinne nicht mehr. Heutzutage steht es jeder Zentralbank und jedem staatlichen Reservefonds frei, seine Reserven in beliebigen Währungen zu investieren; und im Außenhandel – wenigstens unter Ländern mit freiheitlicher Marktverfassung – können Geschäfte in beliebigen Währungen fakturiert werden. Die Entscheidung über den Status des US-Dollar und über Erfolg oder Misserfolg etwaiger Alternativen fällt daher nicht auf G20-Gipfeln, sondern in den unkoordinierten Entscheidungen vieler Marktteilnehmer.Einige Ökonomen argumentieren, dass eine multipolare Währungsordnung, in der nicht eine, sondern viele Währungen im internationalen Handel benutzt werden, effizienter sei als der Status quo. Barry Eichengreens Paradebeispiel ist das eines chilenischen Winzers, der seinen Cabernet nach Südkorea exportiert. Warum, fragt Eichengreen, wird dieses Geschäft häufig in Dollar (USD) abgerechnet und nicht in der Landeswährung einer der beteiligten Parteien, also in chilenischem Peso (CLP) oder Won (KRW)? Schließlich könnte die Anzahl der Finanztransaktionen reduziert werden. Das würde Transaktionskosten sparen und den Welthandel effizienter machen. Krugman versus EichengreenJedoch – und das ignoriert Eichengreen – würden andere Probleme entstehen. Im derzeitigen “dollarzentristischen” Welthandel braucht unser Winzer nur das USD-CLP-Risiko abzusichern. Die Komplexität des Problems würde explodieren, wenn er die einzelnen Währungsrisiken seiner Exporte absichern müsste. Er müsste prognostizieren, wie viel Cabernet er in Südkorea absetzen wird, wie viel in Schweden, wie viel in Russland etc. Nun mag chilenischer Cabernet in Südkorea aus der Mode kommen, aber gleichzeitig in Moskau oder Stockholm en vogue werden. In einer multipolaren Währungsunion müsste der Winzer die einzelnen Währungsrisiken absichern. Das wäre nur mit höherer Unsicherheit möglich. Die Absicherung würde weniger gut gelingen, der Winzer wäre höheren Wechselkursrisiken ausgesetzt. Das würde seinen Cabernet teurer machen. Ergo: Es ist effizient, sich auf eine Transaktionswährung im internationalen Handel zu einigen. Paul Krugman weist die Vorteilhaftigkeit eines unipolaren gegenüber einem multipolaren System nach.Natürlich muss diese eine Währung nicht der Dollar sein. Innerhalb des Bretton-Woods-Systems war er es per constructionem. Jedoch dürfte ein Wechsel vom Dollar zu einer anderen Weltleitwährung nicht ohne schwerwiegenden Grund erfolgen. Das Problem ist, dass diejenigen, die als Erste vom Dollar abweichen, Effizienzverluste haben. Ohne große relative Nachteile des Dollar gegenüber anderen Kandidaten würden also die Anpassungskosten einen Wechsel verhindern.Die Schlussfolgerung ist einfach: Würden Umstände eintreten, die die Rolle des Dollar als Weltleitwährung massiv unterminieren würden, wäre ein Wechsel zu einem multipolaren System oder zu einer anderen Weltleitwährung möglich. Es verwundert daher nicht, dass die Diskussion um den Dollar-Status 2009 aufbrandete, als die US-Notenbank Federal Reserve eine aus damaliger Sicht völlig neue und in ihren Folgen schwer abschätzbare Geldpolitik betrieb. Aber genauso wundert es nicht, dass diese Diskussion abebbte, als klar wurde, dass diese Geldpolitik keine inflationären Folgen hat.Die Rolle des US-Dollar als Weltreservewährung war bereits Gegenstand einer Diskussion, die Anfang der 1960er Jahre von Robert Triffin angestoßen wurde. Zu diesem Zeitpunkt war die Leistungsbilanz der USA in etwa ausgeglichen, so dass die Vereinigten Staaten dem Rest der Welt kein zusätzliches Dollar-Angebot bereitstellen konnten. In Reaktion auf diese Situation hat der IWF im Jahr 1969 die Sonderziehungsrechte (SZR) kreiert – eine künstliche, ungedeckte Währung für Transaktionen zwischen Zentralbanken.Heute scheint klar zu sein, dass die US-Leistungsbilanz dauerhaft ein wenigstens moderates Defizit aufweisen kann, ohne dass Finanzierungsschwierigkeiten entstehen. Der Grund für diese ungewöhnliche Situation der USA liegt in einer außergewöhnlichen Eigenschaft der US-Zahlungsbilanz, die als “dark matter” bezeichnet wird: Obwohl die USA ein dauerhaftes Leistungsbilanzdefizit aufweisen und damit ihre Gesamtverschuldung gegenüber dem Rest der Welt laufend zunimmt, erzielt die US-Volkswirtschaft ein positives Netto-Investitionseinkommen gegenüber dem Rest der Welt. Anders gesagt: Das Volumen der Verbindlichkeiten der US-Volkswirtschaft gegenüber dem Rest der Welt übersteigt das Volumen der Forderungen immer mehr, für die USA stellt das aber kein Problem dar. In der Tat scheint der Rest der Welt bereit zu sein, eine Risikoprämie von durchschnittlich rund 2,5 % p. a. zu zahlen, um in den USA investieren zu können. Abgesehen von Phasen extrem hoher US-Leistungsbilanzdefizite genügt dieser Vorteil, ein US-Leistungsbilanzdefizit dauerhaft zu finanzieren.Dollar-Deklinisten, insbesondere Anhänger instrumentaler Ansätze, argumentieren, dass dieser Vorteil aus dem Status des US-Dollar als Weltleitwährung resultiert und dass er ein ungerechtfertigtes “exorbitantes Privileg” sei. Wäre diese Behauptung richtig, spräche nichts gegen einen Wechsel zu einer alternativen Weltleitwährung. Das exorbitante Privileg würde auf die neue Weltleitwährung übergehen und damit die Eigenschaft der jeweiligen Volkswirtschaft, ein dauerhaftes Leistungsbilanzdefizit zu finanzieren. Egal, welche Währung Weltleitwährung wäre, die entsprechende Volkswirtschaft wäre demgemäß stets in der Lage, die Welt mit hinreichenden Beständen ihrer Währung zu versorgen.Jedoch ist diese These mit Vorsicht zu genießen. Klar, ein gewisses “Privileg” ist vorstellbar. Denn es hat gewisse Vorteile, globale Investitionen in der Weltleitwährung zu tätigen: Mit USD-Währungsreserven sind Interventionen im Fall einer Leistungsbilanzkrise einfach, mit USD-Liquidität können Unternehmen im Krisenfall Importe finanzieren. Jedoch kann der Renditevorteil aus der Emission der Weltleitwährung nicht dauerhaft zu groß werden. Denn der Vorteil der Anlage in der Weltleitwährung dürfte kaum “exorbitant” groß sein. Zumal andere “sichere Häfen” im Währungsuniversum existieren, die gerade in Krisenphasen typischerweise gegenüber dem US-Dollar aufwerten (zum Beispiel der japanische Yen). Liquider US-KapitalmarktDas “exorbitante Privileg” des US-Dollar dürfte eher in fundamentalen Eigenschaften des US-Kapitalmarktes zu finden sein (liquider Markt, Rechtssicherheit, freier Kapitalverkehr etc.) als in der Eigenschaft des US-Dollar als Weltleitwährung. Damit gilt: Nur eine solche Währung kann Weltleitwährung sein, die hinreichend attraktive Anlagemöglichkeiten bietet. Aus heutiger Sicht ist kaum anzunehmen, dass der chinesische Renminbi oder SZR auf absehbare Zeit ernsthafte Alternativen zum US-Dollar darstellen dürften.Seit Mitte der 1950er Jahre existiert ein USD-Geldmarkt außerhalb der USA. Zunächst vor allem, um US-Restriktionen und -Regularien zu umgehen, wichen Teilnehmer am USD-Geldmarkt zu nennenswerten Teilen auf Nicht-US-Banken aus. Diese können – ähnlich wie mit ihrer heimischen Währung – durch USD-denominierte Kreditgeschäfte das Volumen an außerhalb der USA umlaufenden US-Dollar ausdehnen, also durch Kreditgeschäfte USD “schöpfen”. Aus historischen Gründen trägt dieser Markt die Bezeichnung “Euro-Geldmarkt”.Dong He und Robert McCauley argumentieren, dass eine andere Weltleitwährung (konkret: der Renminbi, CNY) auch bei einem Leistungsbilanzüberschuss Chinas in hinreichendem Umfang im Rest der Welt zur Verfügung stehen könnte, wenn nur diese Währung in hinreichendem Umfang im Euro-Geldmarkt geschöpft würde. Voraussetzung hierfür wäre allerdings entweder eine hohe Ausleihung von CNY durch chinesische Banken an nichtchinesische Banken oder ein hoher CNY-Geldschöpfungsmultiplikator am Euro-Geldmarkt.Beides hat, wie die Erfahrung des Euro-Dollar-Marktes zeigt, seine Grenzen. Die rasante Ausdehnung der USD-Ausleihungen von US-Banken an Nicht-US-Banken, die vor allem in den ersten Jahren dieses Jahrtausends zu beobachten war, endete 2008 abrupt und ist seitdem nicht wieder angesprungen. Zu aggressive Ausleihungen an ausländische Banken scheinen durch Finanzmarktkrisen korrigiert zu werden. Und zudem scheint der Geldschöpfungsmultiplikator am Euro-Geldmarkt nicht grenzenlos steigen zu können. Nein, gegen einen Abfluss der Weltleitwährung aus dem Rest der Welt, der aus einem Leistungsbilanzüberschuss der diese Währung emittierenden Volkswirtschaft entstehen würde, könnte der Euro-Geldmarkt nicht dauerhaft gegenhalten. Der US-Dollar ist weiterhin die dominierende Währung im Devisenhandel und als Reservewährung. Eine multipolare Weltwährungsordnung oder ein Wechsel zu einer anderen Weltleitwährung wären für erste Dissidenten kostenreich. Damit wäre solch ein Wechsel nur wahrscheinlich, wenn der Status quo sehr kostenreich würde, zum Beispiel aufgrund massiver USD-Schwäche, etwa infolge einer exzessiv lockeren US-Geldpolitik. Solch ein Szenario ist gegenwärtig aber alles andere als absehbar. Im Gegenteil. Eine zumindest graduelle Normalisierung der US-Geldpolitik ist bereits absehbar. Die Mehrheit der Beobachter erwartet in absehbarer Zeit eher USD-Stärke. In nächster Zeit dürfte die Diskussion um eine Ablösung der dollarzentristischen Währungsordnung daher kaum wiederbelebt werden. Mit dem Dollar als Weltleitwährung kann jedermann momentan zufrieden sein. Euro ist keine KonkurrenzDoch selbst wenn es zu einer Ablösung des US-Dollar kommen würde, gäbe es kaum funktionsfähige Alternativen. Ohne hinreichendes Leistungsbilanzdefizit der die Weltleitwährung emittierenden Volkswirtschaft wäre nicht hinreichend viel von der Währung im Rest der Welt im Umlauf, um Transaktionskasse bei steigendem Welthandelsvolumen bereitzustellen, um Investitionsmöglichkeiten für Devisenreserven zu bieten etc. Der Euro-Geldmarkt könnte diesen Mangel wohl nicht dauerhaft ausgleichen. Damit würde die Weltleitwährung im Rest der Welt aber zunehmend knapp. Die Folge wäre eine massive Aufwertung der Weltleitwährung, die die emittierende Volkswirtschaft über Gebühr belasten würde. Krisen wären die Folge. Mittels dieses Kriteriums wird klar: Weder Euro noch Renminbi können auf absehbare Zeit als Weltleitwährung mit dem US-Dollar konkurrieren.—-Ulrich Leuchtmann, Leiter des Devisen-Research der Commerzbank