Gastbeitrag

Die Anleihemärkte zeigen sich so „politisch“ wie lange nicht mehr

Nach Meinung von Bernhard Grünäugl, Leiter Investment Strategy & ESG, BayernInvest, sind es derzeit vor allem politische Risiken, die die Anleihenmärkte in Bewegung halten.

Die Anleihemärkte zeigen sich so „politisch“ wie lange nicht mehr

Gastbeitrag

Anleihemärkte sind politisch wie lange nicht mehr

Das Management der Laufzeiten gehört zum wichtigsten Handwerkszeug jedes Anleiheprofis. Im aktuellen Marktumfeld braucht es dabei besonders viel Fingerspitzengefühl. Denn obwohl die meisten Investoren darauf spekulieren, dass der Zinsgipfel erreicht ist und sich das Renditeniveau am Rentenmarkt mittelfristig wieder nach unten verschieben wird, bleiben doch große Unsicherheiten. Nachdem die Zentralbanken ihre „Forward Guidance“ und damit den Versuch, die Märkte ins Schlepptau der eigenen Vorhersagen zu nehmen, aufgegeben haben, ist die Zinsvolatilität gestiegen. Solange die US-Wirtschaft nicht merklich abkühlt, stehen potenzielle Zinsanhebungen im Raum. Es ist jedoch gut möglich, dass die Geldpolitik diesseits und jenseits des Atlantiks in den vergangenen Monaten restriktiv genug war und damit zum Opfer ihres eigenen Erfolges werden könnte. Nämlich dann, wenn die erneute Verschärfung der Finanzierungskonditionen, die sich in steigenden Renditen längerer Laufzeiten zeigt, die konjunkturellen Kräfte abwürgt.

Bekanntlich weiß man immer erst hinterher, welches Szenario sich am Ende durchgesetzt hat. Fest steht im Moment nur, dass Fed und EZB extrem datenabhängig agieren. Damit sind an den Anleihemärkten weiterhin hohe Renditeschwankungen im Tages- und Wochenverlauf garantiert. Dieses volatile Marktumfeld bietet aktiven Portfoliomanagern derzeit gute Gelegenheiten zur Verbesserung der Performance. Wichtigstes Instrument neben der Länder-, Branchen-, Rating- und Senioritätsgewichtung ist dabei die Durationssteuerung. In unruhigen Zeiten wie jetzt, in denen die Anleiherenditen stark von tagesaktuellen Schlagzeilen oder den Aussagen einzelner Notenbankmitglieder beeinflusst werden, kommt es vor allem darauf an, die richtige Balance zwischen längeren und kürzeren Fristigkeiten bei der Kapitalbindung zu finden.

Für die kommenden Monate spricht vieles dafür, dass die Anleiherenditen wieder von den makroökonomischen Faktoren bestimmt werden und dass dabei langlaufende Euro-Staatsanleihen gegenüber Kurzläufern mehr Ertrag abliefern werden. Dies wird sich allerdings erst dann nachhaltig bemerkbar machen, wenn die Wirtschaft sowohl in den USA als auch in Europa unübersehbar schwächelt. Aktuell gilt es daher, das Chancen-Risiko-Verhältnis über den gesamten Verlauf der Zinskurve ständig neu zu justieren. Die Anpassung der Laufzeiten und der Länderstruktur findet dabei weniger im Basisportfolio statt, sondern geschieht hauptsächlich über liquide und kostengünstige Finanzderivate im Overlay des Portfolios. Natürlich müssen dennoch tagesaktuelle Entwicklungen richtig eingeschätzt und markante technische Marken – wie die 3% bei 10-jährigen Bundesanleihen oder die 5% bei ihren US-Pendants – als mögliche Wasserscheiden im Auge behalten werden.

Aktives Anleihemanagement bleibt gefragt, denn das Zinsänderungsrisiko bleibt weiterhin hoch. So müssen die Märkte die ausufernde Kreditaufnahme der US-Regierung in einem Umfeld absorbieren, in dem die Fed ihre Bilanz verkürzt und China seine hohen Bestände an US-Staatsanleihen abbaut. Auch der anhaltende Streit über den US-Bundeshaushalt trägt wie der Nahost-Konflikt nicht gerade zur Beruhigung bei. Vor diesem unsicheren Hintergrund überrascht es nicht, dass Investoren bei einer längeren Kapitalbindung derzeit eine deutlich höhere Kompensation verlangen. Dies ist auch messbar. Denn bei länger laufenden Staatsanleihen höchster Bonität lässt sich die Rendite grundsätzlich in zwei Komponenten zerlegen: Auf der einen Seite steht der erwartete Pfad für rollierende kurzfristige Anlagen – vereinfacht gesprochen die Erwartung, welche Leitzinsen über den Horizont der langfristigen Anlage bestehen werden. Die zweite Komponente, die sogenannte „Term Premium“, reflektiert die Unsicherheit über diesen Pfad. Somit kann diese Komponente als Risikoprämie betrachtet werden, die die Anleger für diese Unsicherheit kompensieren soll. Tatsächlich steckt die höhere „Term Premium“ auch hinter dem aktuellen Renditeaufschlag für US-Treasuries. Während sich die Erwartungen hinsichtlich Inflation und Zinsen gar nicht so sehr verändert haben, sind es derzeit vor allem die politischen Risiken, die die Anleihemärkte in Bewegung halten.

Bernhard Grünäugl

Leiter Investment Strategy & ESG, BayernInvest