Halbleiterindustrie

Die ASML-Aktie hat ihr Potenzial ausgereizt

Die Aktie von ASML, eines führenden Ausrüsters der Chipindustrie, hat trotz glänzender Perspektiven ihr Kurspotenzial vorerst ausgereizt.

Die ASML-Aktie hat ihr Potenzial ausgereizt

Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt

Die Welt wird aktuell von einer Chipkrise heimgesucht. Betroffen ist nicht nur die Autoindustrie, die Lieferknappheit betrifft viele Branchen und ist wegen der Preisanstiege auch geeignet, weltweit die Inflation anzuheizen. Die Gründe für die Krise sind vielfältig. So hat auch die Chipbranche unter der Pandemie gelitten und ihre Produktion zurückgefahren bzw. Expansionspläne auf die lange Bank geschoben. Demgegenüber hat sich die Nachfrage schneller erholt als gedacht und es hat im Ausgabeverhalten von Konsumenten auch Verschiebungen gegeben hin zu mehr Käufen von Konsumgütern. Im Zeitalter von Globalisierung und von „lean production“ sind die Lagerbestände allerorten ausgedünnt und die Abhängigkeit von möglichst effizient zu gestaltenden Lieferketten hoch. Dies alles rächt sich nun.

Die Chipindustrie könnte sehr viel mehr Produkte verkaufen, wenn sie nur ihre Produktion hochfahren könnte. Der Aufbau einer neuen Chipfabrik dauert allerdings Jahre und kostet bis zu 10 Mrd. Dollar. Benötigt werden zahlreiche Spezialmaschinen, wie sie beispielsweise die niederländische ASML Holding liefert. Das bereits 1984 als ein Joint Venture des niederländischen Maschinenbauers ASM International und des damals noch weltumspannenden Philips-Konzerns gegründete Unternehmen ist eines der wenigen wirklich erfolgreichen und fortschrittlichen europäischen Unternehmen innerhalb der europäischen Hochtechnologiewüste. Im Bereich der Lithografiesysteme für die Halbleiterindustrie hat ASML fast schon ein Monopol, insbesondere bei der „Extreme Ultraviolet Lithography“ (EUV), die es erlaubt, Wafer zu belichten, aus denen sich Halbleiter in Fünf-Nanometer-Technologie herstellen lassen. Geräte dieser Art kosten bis zu 120 Mill. Dollar, sind äußerst schwierig herzustellen und werden weltweit nur von ASML gefertigt. Bisher beherrschen auch nur zwei ASML-Kunden, nämlich Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC) und Samsung, die Produktion von Chips in der Fünf-Nanometer-Technologie. Goldene Zeiten, so sollte man denken, für das Unternehmen und seine Anleger. Aber ganz so einfach sind die Dinge nicht.

Erwartungen übertroffen

Zwar hat ASML gemäß den neuesten Zahlen zum dritten Quartal, die jüngst vorgelegt wurden, einen Umsatzanstieg von 32% auf 5,2 Mrd. Euro erzielt, während das Nettoergebnis sogar um 64% auf 1,74 Mrd. Euro anstieg. Das Ergebnis je Aktie legte um 68% zu und übertraf mit 4,27 Euro die Konsensschätzung der Analysten um 32 Cent.

Dementsprechend kann sich auch die Performance der Aktie mehr als sehen lassen. Im bisherigen Jahresverlauf ergab sich bereits ein Kursanstieg um 83%, während der technologielastige Nasdaq Composite im gleichen Zeitraum nur einen Anstieg um 24% vorweisen kann. Auf Sicht von einem Jahr ergibt sich sogar eine Verteuerung der Aktie um 117%, beim Nasdaq Composite lediglich um 34%. Trotz der bereits erzielten stattlichen Kursgewinne sind die Analysten von der Aktie angetan. Von 41 Banken raten laut Bloomberg nicht weniger als 30 zum Kauf der Aktie. Acht Institute stufen den Titel mit „Hold“ ein, während es lediglich drei Verkaufsempfehlungen gibt. Das durchschnittliche Kursziel der Analystengemeinde binnen zwölf Monaten liegt bei 767,65 Euro, was gegenüber dem aktuellen Kursniveau auf einen Anstieg von nur noch rund 5% hinauslaufen würde. Sollten die Analysten recht behalten, wäre nach den starken Kursgewinnen das Potenzial der Aktie begrenzt, trotz der hohen Nachfrage nach Ausrüstungen für die Chipindustrie. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Bewertung bereits recht hoch ist. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf Basis der Prognosen für die kommenden zwölf Monate liegt bei 51,8, deutlich über den Niveaus anderer Ausrüster der Branche.

Gleichzeitig drängeln sich die Investoren in der Aktie: Anfang Oktober, also vor der Veröffentlichung der jüngsten Quartalszahlen am 20. Oktober, waren die Positionen von Hedgefonds in der Aktie auf Rekordhöhe gestiegen. ASML befand sich damit unter den 30 beliebtesten Aktien von Hedgefonds generell.

Seither mag es allerdings eine gewisse Abkühlung in der Begeisterung der Anleger für ASML gegeben haben. Mit den hervorragenden Quartalszahlen verband das Unternehmen nämlich eine Gewinnwarnung. Im laufenden vierten Quartal würden die Erwartungen der Analysten enttäuscht, teilte das Management mit. Erwartet werden für das Schlussviertel des Jahres Erlöse zwischen 4,9 und 5,2 Mrd Euro, die sich mit der bisherigen Konsensschätzung von 5,24 Mrd. Euro vergleichen. Ein Grund dafür sei, dass Kunden nun zu möglichst frühen Lieferungen drängen, das Unternehmen Aufträge aber erst als Umsatz verbucht, wenn diese abgeschlossen sind. Der Hauptgrund liegt allerdings darin, dass ASML unter denselben Lieferproblemen leidet wie seine Kunden. Da hilft es wenig, dass das Unternehmen betont, dass die Nachfrage nach den Produkten „sehr, sehr stark“ sei und in den kommenden Jahren auch bleiben werde. Auf der einen Seite stellt ASML insbesondere mit seinen High-End-Produkten quasi ein Monopol dar, auf der anderen Seite lässt sich die Produktion derart komplexer Maschinen nur sehr begrenzt steigern. Somit lässt sich argumentieren, dass angesichts der rasanten Kurssteigerungen das Potenzial der Aktie vorerst ausgereizt ist. So stufen beispielsweise die Analysten der Deutschen Bank die Aktie mit „Hold“ ein bei einem Kursziel von lediglich 600 Euro. Sie weisen darauf hin, dass die Book-to-bill-Ratio mit Blick auf die Lieferprobleme und Kapazitätsbeschränkungen im zweiten Halbjahr 2022 unter 1 fallen könnte.

Konkurrenz aus China

In der langfristigen Perspektive wird es für die Aktie auch darauf ankommen, wie schnell China mit seiner enormen staatlichen Förderung für die Hightech-Industrie aufholt und westlichen Konzernen wie ASML Konkurrenz macht. Bislang ist China erst bei den 10- bis 14-Nanometer-Verfahren angekommen. ASML arbeitet aber bereits an der nächsten Technologiegeneration, der „High-Numerical Aperture EUV Lihography“, die ab spätestens 2025 Drei-Nanometer-Verfahren ermöglichen soll. Der Preis für derartige Anlagen könnte dann rasch bis auf über 300 Mill. Euro steigen. Dennoch werden die Kunden Schlange stehen.

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